EU-Entwaldungsverordnung im Medizinproduktehandel
Wer betroffen ist, welche Produkte relevant sind und welche Pflichten entlang der Lieferkette gelten
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Alle Rechtsauskünfte werden von der WKO nach bestem Wissen und Gewissen erteilt und basieren auf den zum jeweiligen Zeitpunkt gesicherten Informationen. Die Angaben erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung des Bundesgremiums des Foto-, Optik- und Medizinproduktehandels ist ausgeschlossen.
Die EU-Entwaldungsverordnung (EU Deforestation Regulation bzw. EUDR) ist am 29.6.2023 in Kraft getreten und verfolgt das Ziel, die weltweite Abholzung der Wälder zu verringern. Dabei soll sichergestellt werden, dass Produkte, die mit Entwaldung in Verbindung stehen, nicht mehr innerhalb der Europäischen Union verkauft oder ausgeführt werden dürfen.
Um dies zu erreichen, müssen Unternehmen die Herkunft bestimmter Rohstoffe, die typischerweise mit Entwaldung verbunden sind, dokumentieren. Sie müssen das Risiko ihrer Produkte hinsichtlich Waldschädigung bewerten und diese Informationen im EUDR-Informationssystem mit der sogenannten „Sorgfaltserklärung“ melden. Die Pflichten zur Meldung, Kontrolle und Weitergabe von Informationen hängen dabei von der Rolle des Unternehmens in der Lieferkette ab.
Umsetzungsfristen
Der Geltungsbeginn wurde um ein Jahr verschoben. Somit gelten folgende Umsetzungsfristen:
- 30. Dezember 2025 für mittlere und große Unternehmen und Händler
- 30. Juni 2026 für Kleinst- und Kleinunternehmen
Kleinst- und Kleinunternehmen (2 der 3 Kriterien dürfen nicht überschritten werden):
- Bilanzsumme bis € 6,25 Mio.
- Nettoumsatzerlös bis € 12.50 Mio.
- Beschäftigtenzahl im Geschäftsjahr: max. 50
Relevante Rohstoffe/Erzeugnisse
Relevante Rohstoffe wie Holz, Kautschuk, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Soja und Rinder und relevante Erzeugnisse wie Schokolade, Leder, Reifen oder Möbel dürfen nicht innerhalb der EU in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder aus der EU ausgeführt werden, außer es sind folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt:
- sie sind entwaldungsfrei,
- sie wurden gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes hergestellt (d. h. sie sind legal) und
- für sie liegt eine Sorgfaltserklärung vor.
Alle relevanten Rohstoffe/Erzeugnisse sind in Anhang I der EUDR gelistet.
Für die konkrete Einordnung ist die Zolltarifnummer ausschlaggebend.
Im Medizinproduktebereich sind zahlreiche Produkte von der Verordnung ausgenommen, bei Kautschukerzeugnissen (zB Handschuhe aus Kautschuk) ist das jedoch nicht der Fall.
Wird hingegen Verpackung (z.B. aus Holz, Papier, Karton) eigenständig (d.h. unabhängig vom Produkt) am Markt angeboten, unterliegt sie der EU-Entwaltungsverordnung.
Rollen in der Lieferkette und Sorgfaltspflichten
Die Verordnung unterscheidet bei Sorgfaltspflichtigen zwischen „Markteilnehmer“ und „Händler“:
1. Markteilnehmer
Markteilnehmer sind alle natürlichen oder juristischen Personen, die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit relevante Erzeugnisse in Verkehr bringen oder ausführen -unabhängig ob sie Groß- oder KMU-Unternehmen sind. Bevor sie relevanten Erzeugnisse erstmals auf dem EU-Markt bereitstellen, sind sie verpflichtet die Sorgfaltspflicht für die jeweilige Lieferung vollständig zu erfüllen. Diese umfasst insbesondere:
- die Bewertung potenzieller Risiken
- ggfs. Maßnahmen zur Risikominderung sowie
- das Hochladen einer Sorgfaltserklärung in das EU-Informationssystem.
Die Sorgfaltserklärung muss Informationen zum Produkt sowie zum Vorlieferanten bis zum Erzeuger enthalten.
Nach Abgabe der Erklärung wird eine Referenznummer vergeben, mit welcher die Bereitstellung auf dem Markt ermöglicht und innerhalb der Lieferkette weitergegeben werden muss. Weiters wird eine Verifikationsnummer zugeteilt, die der Datensicherheit dient und ggfs. von nachgelagerten Unternehmen zur Verknüpfung von Meldungen genutzt werden kann.
Medizinproduktehändler können als Marktteilnehmer gelten, wenn sie
- Produkte in Verkehr bringen oder exportieren, die unter die EUDR fallen
- Produkte erstmals in der EU auf den Markt bringen oder aus der EU exportieren.
2. Händler
Händler sind alle anderen, die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit relevante Erzeugnisse auf dem Markt bereitstellen.
Ein Unternehmen gilt als KMU-Händler, wenn min. 2 der 3 folgenden Kriterien erfüllt sind:
- Bilanzsumme bis € 25 Mio.,
- Nettoumsatzerlöse bis € 50 Mio.,
- Beschäftigtenzahl im Geschäftsjahr: max. 250
2a. Nicht-KMU-Händler
Für Nicht-KMU-Händler gelten dieselben Verpflichtungen wie für Marktteilnehmer. In ihrer Sorgfaltserklärung können sie auf die ihnen übermittelte Referenznummer verweisen, müssen jedoch feststellen, dass die Sorgfaltspflicht von den Vorlieferanten erfüllt wurde („Plausibilitätsüberprüfung“). Wie bereits erwähnt, sind vorgelagerte KMUs nicht dazu verpflichtet weitere Informationen als die Referenznummer und ggfs. Verifikationsnummer weiterzugeben.
2b. KMU-Händler
Für KMU-Händler gibt es Erleichterungen. Sie müssen keine eigene Sorgfaltserklärung abgeben und haften auch nicht für die Korrektheit der erhaltenen und weitergegebenen Daten. Allerdings sind sie verpflichtet, die vom Vorlieferanten erhaltene Referenznummer (mit einer Aufbewahrungspflicht von 5 Jahren) sowie gegebenenfalls die Verifikationsnummer an die nachfolgenden Unternehmen in der Lieferkette weiterzugeben. Eine Offenlegung weiterführender Informationen zur vorgelagerten Lieferkette gegenüber Vertragspartnern ist nicht erforderlich.
Handlungsempfehlung der Bundessparte Handel
- Überprüfung mit Hilfe des Entscheidungsbaums, ob und in welcher Form Sie mit Ihren Produkten verpflichtet sind.
- Setzen Sie sich mit Ihren vorgelagerten Kettengliedern (z.B. Lieferanten, Hersteller, Importeure) in Verbindung – möglicherweise treffen diese bereits Schritte, Sie mit den notwendigen Informationen (Referenznummern, bei Bedarf Herkunftsnachweise und Geodaten) zu versorgen.
- Setzen Sie sich mit Ihren nachgelagerten Kettengliedern (z.B. Handelsunternehmen, B2B-Kunden) in Verbindung, welche Informationen diese von Ihnen in welcher Form erwarten. Sofern Sie bereits ein entsprechendes Anschreiben, mit der Bitte um Weitergabe-EUDR-relevanter Daten erhalten haben, überprüfen Sie genau, welche Produkte von Ihnen in dieser Vertragsbeziehung genau betroffen sind.
Weiterführende Informationen
- Onlineratgeber/Entscheidungsbaum zur Ersteinschätzung der Betroffenheit von Handelsunternehmen im Sinne der EUDR
- EU-Entwaldungsverordnung im Handel - WKO
- EUDR-Informationsdokumenten der Europäischen Kommission:
- Länder-Benchmarking und Erläuterungen zur Risikobewertung der Länder (Anhand dessen können Unternehmen den Aufwand ihrer Risikobewertung nach Ländern anpassen, wodurch die Erfüllung der Sorgfaltspflichten erleichtert werden soll)
- FAQ - Deforestation Regulation
- Leitlinien der Europäischen Kommission (inklusive Definitionen zu Begriffen)
- Leitlinien zur Umsetzung der EUDR auf Basis der neuen FAQs
- EUDR-Compliance mit Beispielen