
Konsequent besser für unsere Mitglieder
Direktorin Evelyn Geiger-Anker erläutert, was hinter dem Projekt „Kundenzentrierung“ steht, warum eine strategische Weiterentwicklung der Dienstleistungen der WK Tirol alternativlos ist und was die Mitgliedsbetriebe davon haben.
Lesedauer: 6 Minuten
Die Wirtschaftskammer Tirol richtet ihre Leistungen mit dem Projekt „Kundenzentrierung“ neu aus. Warum ist das notwendig?
Weil die gesamte Gesellschaft und damit auch die Wirtschaftswelt enorm in Bewegung ist und sich daher auch der Anspruch an uns, die Wirtschaftskammer als Vertreterin unternehmerischer Interessen, ständig wandelt. Unser Haus ist im Moment gut aufgestellt – mit diesem Projekt wollen wir dafür sorgen, dass es auch in Zukunft so bleibt. Die Betriebe stehen vor großen Umbrüchen und sind mit Herausforderungen im Bereich Digitalisierung, Arbeitskräfte,
Kundenverhalten, neue Technologien, Verwerfungen auf den Exportmärkten und vielem anderen gefordert. Mit der Übernahme der Präsidentschaft durch Barbara Thaler war es ein klarer Auftrag ihrerseits, unsere Kammerorganisation laufend weiterzuentwickeln, um unsere Kundinnen und Kunden, die Mitgliedsbetriebe, auch angesichts dieser großen Veränderungen im Fokus zu behalten. Unser Ziel ist es, gerade in herausfordernden Zeiten von unseren Mitgliedsbetrieben als erste Anlaufstelle wahrgenommen zu werden und diese Position nachhaltig zu festigen.
Wie läuft das Projekt ab?
Es besteht insgesamt aus vier Phasen. Derzeit sind wir am Ende von Phase 1, dem Reality Check. In dieser Phase haben wir einen Dienstleistung–Kassensturz gemacht und uns angesehen, wie unsere aktuelle Dienstleistungsrealität von den Mitgliedsbetrieben betrachtet wird. Um ein genaues Bild zu bekommen, haben wir digitale Befragungen, Interviews und die persönliche Begleitung verschiedener Bereiche im Haus durch unseren Tiroler Partner, die Firma Gastspiel von Mario Sepp, durchgeführt. Dieser externe Blick bewahrt uns vor Betriebsblindheit und sichert einen objektiven Zugang. Das hat uns ein sehr genaues Bild darüber gebracht, wie uns unsere Kund:innen sehen, wie unsere Dienstleistungen von ihnen erlebt werden und wie die Schnittstellen in der Betreuung funktionieren.

Und wie geht es nach Phase 1, der Analyse, weiter?
In Phase 2 richten wir unsere Servicestrategie konsequent an den Bedürfnissen unserer Zielgruppen aus und konzentrieren uns darauf, dort den größten Mehrwert für unsere Mitgliedsbetriebe zu schaffen, wo sie ihn am dringendsten benötigen. Das ist eine besondere Herausforderung, da die Mitglieder der Wirtschaftskammer Tirol eine enorme Bandbreite an Berufen und Unternehmensgrößen abdecken – vom selbstständigen Tischler bis zum international tätigen Industriebetrieb, vom kleinen Lehrbetrieb bis zum Großunternehmen mit hunderten Mitarbeitenden. Phase 3 ist dann die Umsetzung und damit die Überarbeitung unserer Dienstleistungen. Das wird ab dem nächsten Jahr starten. Die letzte Phase wird die Erfolgsmessung und Qualitätssicherung sein, in der wir uns ganz genau anschauen, ob wir unsere gesetzten Ziele erreicht haben und in welchen Bereichen es Nachbesserungen braucht.
Einige Aspekte des Projekts waren bereits in den Medien zu lesen. Es hat allerdings auch Kritik gegeben. Worauf führen Sie das zurück?
Der Reality Check hat naturgemäß auch Defizite zutage gefördert – das war gewollt. In der Berichterstattung wurden einzelne Ergebnisse aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert dargestellt. Das macht keinen Sinn und zeichnet ein unvollständiges Bild. Schließlich ist die Analyse nur der Anfang – die Basis dafür, um in der Folge Verbesserungen umzusetzen.
Nach welchem Maßstab erfolgte die Analyse?
Im Rahmen des Reality Checks haben wir für die anonymen Befragungen den international anerkannten Net Promoter Score (NPS) als Bewertungsmaßstab eingesetzt. Dieser Maßstab erlaubt es, einen besonders kritischen Blick auf Schwachstellen zu werfen. Wir konzentrieren uns also bewusst nicht auf die zufriedene Mitte, sondern auf negative Bewertungen unserer Mitglieder. Das ist nicht bequem, aber effektiv. Nur wenn wir dorthin schauen, wo es hakt, können wir besser werden. Von manchen Medien wurde diese Zugangsweise einseitig so dargestellt, als ob es in der WK Tirol überall haken würde – aber das ist völlig falsch.
Was passiert jetzt mit den vorliegenden Ergebnissen des Reality Checks?
Anhand dieser Ergebnisse nehmen wir Quick Wins mit und setzen Dinge um, die sich sofort realisieren lassen, etwa die Optimierung der Newsletter-Kommunikation. Alles andere, und das wird der weitaus größere Teil sein, wird in die strategische Positionierung im Bereich Service einfließen. Wir richten die Leistungen der Wirtschaftskammer Tirol für die nächsten Jahre komplett neu aus, und zwar anhand des Lebenszyklus eines Unternehmens. Genau dort sind die Kontaktpunkte mit unseren Mitgliedern, genau dort brauchen sie Antworten auf Fragen, die sich in ihrer unternehmerischen Praxis stellen. Das geht von der Unternehmensgründung über die Einstellung von Mitarbeiter:innen über die Erweiterung von Betriebsgebäuden und die Internationalisierung bis hin zur Übergabe eines Unternehmens. Es geht darum, dass wir auf diese existenziellen Fragen konkrete Antworten liefern und auf Augenhöhe mit unseren Betrieben arbeiten – gerade dann, wenn es kritisch ist. Das Ziel ist letztlich, dass wir unsere Mittel bestmöglich einsetzen und punktgenau auf jene Leistungen fokussieren, die unsere Unternehmen brauchen.
Und wo stehen Sie jetzt in diesem Prozess?
Wir befinden uns nach der Analyse am Beginn der Umsetzung. Wichtig ist mir zu erwähnen, dass wir den gesamten Prozess völlig transparent durchführen und im ersten Schritt unsere Mitarbeiter:innen und in der Folge auch unsere Funktionär:innen immer mitnehmen. Das gesamte Projekt geht nur mit beiden und es ist mein Selbstverständnis, dass sowohl unsere Mitarbeiter:innen als auch unsere Funktionär:innen nicht nur in, sondern auch an der Kammer arbeiten. Ich freue mich, dass hier viel Engagement zu spüren ist. Wir haben die Mitarbeiter:innen aufgerufen, ihre Ideen mit einzubringen und es sind sage und schreibe 277 Vorschläge gekommen, von denen sich einige sofort und andere im Zuge der langfristigen Strategie realisieren lassen.
Was bekommt der Kunde, also der Mitgliedsbetrieb, am Ende des Prozesses?
Er bekommt eine Kammer, die – genauso wie er – am Puls der Zeit lebt, die ihm maßgeschneiderte Leistungen liefert und ihn in einer präzisen Kommunikation am Laufenden hält. Besonders wichtig ist uns, dass wir auch in herausfordernden, unternehmerischen Phasen verlässlich an der Seite unserer Mitglieder stehen und ihnen Orientierung sowie konkrete Unterstützung bieten. Diesen maximalen Nutzen für unsere Mitglieder streben wir an und genau aus diesem Grund haben wir diesen Prozess gestartet.

Service Design & Customer Experience Strategist
Was ist das Ziel echter Kundenzentrierung & warum ist sie für die Wirtschaftskammer Tirol wichtiger denn je?
Kundenzentrierung stellt die Mitgliederperspektive konsequent ins Zentrum aller Entscheidungen & Prozesse – über den gesamten Unternehmenslebenszyklus. Sie schafft Begeisterung, Bindung und echten Mehrwert, besonders in Zeiten des Wandels und der Unsicherheit.
Warum braucht es für Kundenzentrierung einen strukturierten, mehrstufigen Prozess & was ist dabei der Erfolgsfaktor?
Kundenzentrierung ist ein Veränderungsprozess, der alle Ebenen der Organisation durchdringt und von außen nach innen denkt. Unser Reality Check kombiniert qualitative & quantitative Methoden und bezieht alle relevanten Stakeholder ein. Strategische Ausrichtung, co-kreative Entwicklung und laufende Erfolgsmessung sorgen dafür, dass nicht nur Symptome, sondern die wahren Ursachen erkannt und nachhaltig verbessert werden.
Welchen konkreten Mehrwert bringt Kundenzentrierung für Mitglieder, Mitarbeitende & die Wirtschaftskammer Tirol selbst?
Mitglieder profitieren von praxisnahen, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Leistungen, auch in kritischen Phasen wie Gründung, Wachstum oder Krise – so entsteht spürbare Relevanz. Kundenzentrierung ist aber immer auch Mitarbeiterzentrierung: Nur wenn die Menschen in der Organisation überzeugt & eingebunden sind, wird aus Strategie gelebte Praxis und eine starke Marke.
Der Reality Check ist ein ehrlicher Spiegel unserer Arbeit und zeigt klar, wo wir als Wirtschaftskammer Tirol heute stehen. Die Ergebnisse sind eine Momentaufnahme der Mitgliederwahrnehmung – und der Ausgangspunkt für gezielte Verbesserungen. Neben den positiven Rückmeldungen zeigen die Ergebnisse drei kritische Handlungsfelder, die wir gezielt angehen:
1. Wunsch nach klarer Fokussierung der Leistungen
Mitglieder wünschen sich klar priorisierte, praxisnahe Leistungen entlang des gesamten Unternehmenslebenszyklus – statt eines zu breiten, wenig differenzierten Angebots.
2. Mangelnde Sichtbarkeit und unzureichende Kommunikation
Viele Angebote sind nicht ausreichend bekannt, wichtige Informationen gehen im Kommunikationsmix unter. Es braucht mehr Transparenz und gezielte Ansprache.
3. Persönliche, gezielte Unterstützung ausbauen
Gerade Klein- und Kleinstunternehmen fühlen sich oft nicht ausreichend vertreten oder unterstützt. Sie erwarten sich individuelle, branchenspezifische, praxisnahe Beratung und konkrete Hilfe – besonders in herausfordernden Unternehmensphasen.