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In der linken Bildhälfte sind viele Reihen übereinander gestapelter Aktenordner. In den Ordnern sind jeweils viele Zettel und Unterlagen
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Sparte Industrie

BSI-Obmann Menz: Heraus aus der Sackgasse!

Kommentar des Obmannes Mag. Sigi Menz

Lesedauer: 3 Minuten

05.12.2025

Überbordende Bürokratie kostet Unternehmen viel Zeit und Geld. Die Bürokratieschraube zu lockern wäre daher der perfekte Weg, den Spielraum für unternehmerische Tätigkeit in Österreich wieder zu erweitern – ohne die angespannten Staatsfinanzen zu belasten. Tatsächlich wäre ein klug konzipierter Bürokratieabbau sogar ein wesentlicher Schritt zur dauerhaften Entlastung öffentlicher Haushalte.

Die österreichische Bundesregierung hat Anfang Dezember 2025 ein umfangreiches Papier zur Entbürokratisierung vorgelegt. Unter den mehr als 100 Punkten finden sich zahlreiche Maßnahmen, die seitens der Bundessparte Industrie in den vergangenen Jahren mit wachsender Ungeduld immer wieder vorgelegt wurden, und bei denen es – wenn überhaupt – bislang nur kosmetische Veränderungen gegeben hat.

Obwohl fast jede Bundesregierung in Österreich mit der festen Vornahme einer Reduktion der Bürokratie antritt, und auch auf europäischer Ebene die Entbürokratisierung zum Standardrepertoire der Zielsetzungen von EU-Kommissionen zählt, waren bislang die Ergebnisse ernüchternd: Umfragen bei Unternehmen zeigen regelmäßig, dass trotz dieser politischen Absichtserklärungen die Belastung durch Bürokratie in den Unternehmen laufend steigt.

Die nun vorgelegte Liste wird von der Regierung selbst als „Startschuss“ bezeichnet. Zu hoffen ist, dass dieser Startschuss in zweierlei Hinsicht wirkt: Einerseits in einer raschen, engagierten und praxisnahen Umsetzung der im Entbürokratisierungspaket angeführten Maßnahmen, und andererseits in einer fortgesetzten Bereitschaft, weitere Maßnahmen im Kampf gegen Doppelgleisigkeiten, Ineffizienzen und nicht notwendige bürokratische Vorschriften zu setzen. Insbesondere wird darauf zu achten sein, dass durch diesen „Startschuss“ die eingefahrene Praxis, bestehende Regulierungen durch immer neue, oft noch komplexere Bestimmungen zu „ersetzen“, durchbrochen wird.   

Bürokratien haben ein hohes Maß an Beharrungskraft: Wenn einmal eine Materie „verwaltet“ wird, dann bleibt dies bestehen; die Bereitschaft zur Steigerung der Effizienz oder zur Simplifizierung ist seitens modernen Verwaltungen durchaus gegeben, aber der grundsätzliche Sinn von (Über-) Regulierungen wird nicht mehr hinterfragt. Der britische Historiker und Bürokratiekritiker C. Northcote Parkinson hat dazu das klassische Beispiel gebracht, dass die Wachposten an der englischen Küste, die zur Warnung vor der Flotte Napoleons eingerichtet worden waren, erst 125 Jahre nach dem Tod Napoleons abgeschafft wurden. Die erste Zielsetzung muss daher darin bestehen, Regelungen auf ihre vorhandene Sinnhaftigkeit zu überprüfen und grundsätzlich unsinnige, unverhältnismäßig teure oder nicht zielführende Regelungen ersatzlos abzuschaffen. Das würde auf beiden Seiten – Unternehmen wie öffentliche Hand – zu einer großen Ersparnis führen und damit den (finanziellen) Spielraum auf beiden Seiten erhöhen.

In vielen Fällen ist die Zielsetzung von Vorschriften grundsätzlich begrüßenswert, aber der eingeschlagene Weg spiegelt wider, dass die Schöpfer der Regelungen fernab jeder betrieblichen Realität sind. Im Übrigen oft auch fernab der Realität jener regionalen oder lokalen Verwaltungsbehörden, die mit der konkreten Bearbeitung eines Gegenstandes betraut sind. Der zweite Schritt muss daher die Einbindung jener Adressaten und Behörden sein, die mit den bürokratischen Vorgaben in der Praxis konfrontiert sind: Damit sind bessere Resultate bei weniger Aufwand möglich.

Letzteres kann bestmöglich dadurch unterstützt werden, dass für Verfahren einfache Checklisten für Unternehmen und Behörden erstellt werden, deren Einhaltung auch automatisch zu einem rechtssicheren Ergebnis führt. Leider treffen heute oft zwei Dinge zusammen, die es eigentlich gar nicht in Kombination geben dürfte: Bürokratie und Schwammigkeit. Der historische Vorzug bürokratischer Systeme, nämlich die immer gleiche und rechtssichere Durchführung von (Verwaltungs-) Vorgängen, hat sich heute bei komplexeren Themen in einem Dickicht an Bestimmungen verfangen, die mitunter durch ihre Widersprüchlichkeit eine  rechtliche und faktische Unsicherheit verfestigen.

Eine gewisse Erleichterung sollte es beim letztgenannten Punkt in Zukunft dadurch geben, dass die Digitalisierung von Verfahren – die aufgrund von EU-Vorgaben zwingend gefordert ist -  solche Widersprüche transparenter macht. Die Industrie begrüßt daher die Digitalisierung und Standardisierung jener Verwaltungsschritte, die weiterhin notwendig sind, aus zweierlei Gründen: Einerseits wegen der damit verbundenen Zeit- und Kostenersparnis und andererseits in Hinblick auf eine Auflösung von Doppelungen und Widersprüchlichkeiten.

Die WKÖ hat – unter maßgeblicher Mitarbeit der Bundessparte Industrie – im Sommer 2025 einen Katalog mit 120 konkreten Vorschlägen zur Vereinfachung und Verringerung des Verwaltungsaufwandes im Zusammenhang mit EU-Rechtsakten vorgelegt. Tatsächlich sind europäische Regelungen heute eine Hauptquelle wachsender Bürokratie. Leider wird das Problem dadurch verschärft, dass die Umsetzung von EU-Recht in Österreich noch immer zu oft in überschießender oder besonders komplizierter Weise erfolgt. Zudem müssen Unternehmen oft nationale (mitunter sogar regionale) Sonderbestimmungen parallel zu EU-Regelungen einhalten, was im günstigsten Fall eine Doppelbelastung darstellt, bei Unternehmen mit Niederlassungen im mehreren EU-Mitgliedsländern aber zu einer geradezu absurden Mehrfachbelastung und oft auch zu unlösbaren Widersprüchlichkeiten führt. Egal wie, dies ist sinnlos und untergräbt zudem den EU-Binnenmarkt als „Level Playing Field“.

Das Ringen um das richtige Ausmaß an Bürokratie wird nie beendet sein, da sich die öffentliche Verwaltung immer auch in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen bewegt. Dass sich aber das Ausmaß an Bürokratie in den letzten Jahren erhöht hat, und das derzeitige Niveau sowohl aktivitätshemmend als auch enorm teuer ist, kann nicht ernsthaft bestritten werden. In einem Umfeld wirtschaftlicher Stagnation und hoher Defizite der öffentlichen Haushalte sollte sich der Bürokratieabbau als Ausweg aus zwei Sackgassen wie von selbst anbieten.


Unterschrift
©

Mag. Sigi Menz
Obmann der Bundessparte Industrie

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