EU-Wasserpaket „paktiert“
Informationen der Bundessparte Industrie
Lesedauer: 3 Minuten
Drei EU-Richtlinien mit Wasserbezug wurden im Herbst ausverhandelt – aber sind damit Rechtssicherheit, Machbarkeit und saubere Gewässer gewährleistet?
Drei Jahre und drei Monate mussten die EU-Gesetzgeber Rat und Parlament mit der EU-Kommission die Novellen der Wasserrahmen-Richtlinie, der Umweltqualitätsnorm-RL und der Grundwasser-RL verhandeln, bis sie diesen Herbst einen vorläufigen Kompromiss fanden. Ergebnis: Jeder hat sich ein bisschen durchgesetzt, aber das Ziel des guten Zustandes für alle europäischen Gewässer bis Ende 2027 wird trotzdem verfehlt werden. Rat und Parlament müssen das Ergebnis auch noch final absegnen – danach würden alle drei Richtlinie Ende des ersten Quartals 2026 im EU-Amtsblatt erscheinen. Soweit die Theorie – falls sich nicht doch noch etwas ändert, wie am Ende dieses Artikels erläutert wird.
Welche wesentlichen Neuerungen beinhalten die Richtlinien?
Definition des „guten Zustandes“
Das absolute Verschlechterungsverbot, ein Ergebnis aus dem EuGH-Urteil zur „Weservertiefung“ 2015, wird (leider) EU-rechtlich einzementiert. Und dies, obwohl die Wirtschaft eine grundlegende Reform der Definition gefordert hatte: Betriebsanlagengenehmigungen können viel zu leicht versagt werden, wenn der Zustand des Gewässers dagegenspricht bzw. jede noch so kleine Verschlechterung von einzelnen Parametern zu einer Gesamtverschlechterung führt („one-out-all-out-Prinzip“). Nur die öffentliche Hand selbst bekommt durch die Novelle künftig Erleichterungen für Fälle von temporären Verschlechterungen, insbesondere bei flussbaulichen Maßnahmen.
Zusätzliche prioritäre Stoffe – und engere Verknüpfung mit dem EU-Chemikalienrecht
Die Liste jener Stoffe, für die Umweltqualitätsnormen (= Grenzwerte für den guten Zustand) gelten, wurde erwartungsgemäß erweitert: Neben einer Vielzahl an Wirkstoffen aus dem Pharma- und Pflanzenschutzmittelbereich gibt es nun auch Regelungen für Bisphenole oder für 24 PFAS (Perfluorierte Alkylsubstanzen). Einzelne Grenzwerte, etwa für Nickel in Oberflächengewässern, wurden deutlich herabgesetzt.
Um Synergieeffekte aus dem Chemikalienrecht besser nützen zu können, wird die EU-Chemikalienbehörde ECHA künftig eine gewichtige Rolle bei der Auswahl und Priorisierung von zu regulierenden Stoffen in der Grundwasser- und Umweltqualitätsnorm-RL bekommen. Die Erwägungsgründe des Gesetzespaketes drücken die Hoffnung aus, dass die ECHA unterschiedlichen Anforderungen aus verschiedenen Umweltrechtsakten in Bezug auf Stoffe bzw. Schadstoffe gewährleisten können wird. Im Sinne des OSOA-Ansatzes (One Substance One Assessment) ein guter Ansatz – wenn er funktioniert.
Neues im Gewässermonitoring
Wirkungsbasiertes Monitoring („effect based monitoring“) ist in der wissenschaftlichen Fachwelt seit vielen Jahren ein Thema. Künftig sollen diese Effekte von chemischen Gemischen intensiver untersucht werden, beginnend mit Messungen in Bezug auf Östrogene.
Da den Mitgliedstaaten zunehmend die Kosten des Gewässermonitorings davongaloppieren, einigte man sich auf die Einrichtung einer gemeinsamen Überwachungsstelle („joint monitoring facility“), die künftig eine Rolle für neue Methodenentwicklungen und gemeinsame, günstige Probenahmen und Auswertungen spielen soll.
Bewährte Spielregeln bleiben
Auch weiterhin sollen sowohl die Aktualisierung der Stofflisten als auch die Festlegung von Umweltqualitätsnormen dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren unterliegen – hier haben sich die Mitgliedstaaten gegen die Kommission durchgesetzt, die dies über delegierte Rechtsakte in die Hand nehmen wollte. Und: Bei Überlegungen zu künftigen kosteneffektiven Maßnahmen zur Reduktion der prioritären Stoffe wurde es der Kommission nicht gestattet, sich aus dem Spiel zu nehmen - so wie sie es in ihrem Gesetzesentwurf geplant hatte.
Fazit
Dem Verhandlungsergebnis sieht man die ungewöhnlich lange Verhandlungsdauer (>3 Jahre) nicht an – es wären aus der Perspektive der Industrie deutlich bessere Ergebnisse möglich gewesen. Angesichts der großen Menge an Zielverfehlungen (es gibt derzeit keinen Mitgliedstaat, der die Gewässer-Ziele 2027 erfüllen wird können) hätte die Wasserrahmen-RL realistischere Spielregeln vertragen – mit einer besseren Balance bzw. Abwägungsmöglichkeit zwischen „Zero Pollution“, gesellschaftlich-wirtschaftlichen Notwendigkeiten und anderen wichtigen öffentlichen Interessen (Energie, Dekarbonisierung, Gesundheitssysteme, …)
Viele Wirtschaftsverbände (EU-Dachverbände, kürzlich auch sechs Verbände aus Deutschland, darunter BDI, VCI und BVMetalle) haben für den nun im Dezember angekündigten Umwelt-Omnibus der EU-Kommission eine Überarbeitung des Verschlechterungsverbotes der Wasserrahmen-RL vehement eingefordert – wohl wissend, dass das EU-Wasserpaket gerade novelliert wird. Die Bundessparte Industrie hatte dieses Anliegen bereits vor dem Sommer im Kabinett von EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall deponiert. Insofern bleibt das Thema trotz des fertigen Triolog-Kompromisses ein großes Politikum, das auch die Sparte Industrie interessenspolitisch weiterhin begleiten wird.
Autor:
Mag. Richard Guhsl
E-Mail: richard.guhsl@wko.at