SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz
Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 26.8.2025
Lesedauer: 9 Minuten
Inhaltsübersicht
- Was kommt zum Hitzeschutz?
- Teilzeit: freiwillig oder nicht, das ist hier die Frage
- Soziale Absicherung Selbständiger in Österreich und im Europavergleich
- AMS-Tipps zur Rekrutierung von Pensionisten
- 20. Durchgang von Mentoring für Migrant:innen: Bewerbung als Mentorin oder Mentor ab jetzt möglich!
- ZAS-Tag am 8. Oktober 2025: Viel Neues im Arbeitsrecht
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
es gibt zwei Arten von Sommerthemen: echte wie Klimawandel und Hitzeschutz. Schon bisher mussten Mitarbeiter vor Hitze am Arbeitsplatz geschützt werden. Eine neue Verordnungsentwurf konkretisiert die Pflicht ab 2026. Kritisch ist, dass nur Unternehmen adressiert werden. Denn Hitzeschutz ist Aufgabe aller.
Und Themen, die jedes Sommerloch füllen, wie die Teilzeit. Die aktuelle Diskussion geht teilweise an der Realität vorbei. Teilzeit boomt in ganz Europa und ist meist gewollt. Das ist niemandem vorzuwerfen, aber insgesamt ein Problem.
Selbständige sind im Europavergleich in Österreich gut abgesichert. Das ergab das SVS-Gipfelgespräch, zu dem nun der Tagungsband erschienen ist.
Das AMS gibt Tipps zur Rekrutierung von Pensionisten.
Der 20. Durchgang von Mentoring für Migrant:innen startet – Mentoren, bitte bewerben!
Lohntransparenz, Hitzeschutz, freie Dienstnehmer – viel Stoff für den ZAS-Tag am 8.10.
Alles Gute!
Rolf Gleißner
Was kommt zum Hitzeschutz?
Schon bisher mussten Unternehmen ihre Mitarbeiter vor Gesundheitsrisken wie Hitze schützen. Ab 2026 wird dieser Schutz viel konkreter. Kritisch ist, dass nur Unternehmen adressiert werden. Denn Hitzeschutz ist Aufgabe aller.
Laut Klimaforschung hat sich die Zahl der Hitzetage in Österreich seit den 1980er Jahren mehr als verdoppelt. Besonders betroffen sind Ballungsräume, wo sich die Hitze durch versiegelte Flächen und fehlende Durchlüftung staut. Auch wirtschaftlich ist Hitzeschutz relevant: Studien zeigen, dass extreme Temperaturen die Produktivität um bis zu 20 % senken können. Unternehmen, die frühzeitig Maßnahmen setzen, profitieren daher durch gesunde Mitarbeiter und stabilere Abläufe.
In Umsetzung des Regierungsprogramms ist derzeit eine Verordnung zum Hitzeschutz in Begutachtung. Sie gilt für alle Arbeiten im Freien, bei denen Arbeitnehmer Hitze oder natürlicher UV-Strahlung ausgesetzt sind, und soll am 1. Jänner 2026 in Kraft treten.
Zwar mussten Unternehmen schon bisher Gesundheitsrisken wie Hitze evaluieren, Maßnahmen definieren und ihre Mitarbeiter schützen. Die Verordnung konkretisiert nun, ab welcher Temperatur zu handeln ist, welche Maßnahmen zu ergreifen und welche Faktoren zu berücksichtigen sind.
Maßnahmen ab gefühlt 30°C
Konkret müssen Maßnahmen ergriffen werden, sobald die GeoSphere Austria eine Hitzewarnung der Stufe 2 („Vorsicht, gelb“; Wetterprognose Österreich) ausgibt. Diese basiert auf der sogenannten gefühlten Temperatur, die neben der Lufttemperatur auch Luftfeuchtigkeit, Wind und nächtliche Abkühlung berücksichtigt. Ab einem Schwellenwert von 30°C gefühlter Temperatur sind Schutzmaßnahmen verpflichtend.
Arbeiten im Freien, die von kurzer Dauer sind, sind vom Geltungsbereich der Verordnung ausgeschlossen. Darunter sind Tätigkeiten wie beispielsweise kurze Wege vom bzw. zum Auto, z.B. in Verbindung mit Liefertätigkeiten zu verstehen. Leichte Arbeiten von maximal 60 Minuten pro Tag können vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sein.
Wird der Schwellenwert von 30°C überschritten, sind abhängig von Arbeitsplatz, Situation und Person Maßnahmen zu setzen. Die Verordnung führt allgemeine, technische und persönliche Schutzmaßnahmen an: Generell sind organisatorische Maßnahmen zu setzen, um die Belastung durch Hitze zu minimieren. Dazu zählen insbesondere die Vermeidung schwerer körperlicher Arbeiten in der prallen Sonne, etwa durch Verlegung von Arbeitszeiten in die frühen Morgenstunden, die Bereitstellung von kühlender Kleidung sowie Trinkwasser.
Schutz von Aufenthaltsbereichen und Fahrzeugen
Auch bauliche und technische Vorkehrungen spielen eine wichtige Rolle. So müssen Unternehmen Container und andere Aufenthaltsbereiche möglichst vor Überhitzung schützen. Dies kann durch eine Aufstellung im Schatten, Wärmedämmung, den Einsatz von Sonnenschutzvorrichtungen wie Jalousien oder durch gezielte Lüftung und Nachtauskühlung erfolgen. Persönliche Schutzmaßnahmen sind UV-Schutzkleidung oder Sonnencreme.
Die neue Verordnung betrifft auch Fahrzeuge, Kräne und selbstfahrende Arbeitsmittel: Krankabinen müssen künftig verpflichtend mit einer fix installierten oder mobilen Kühlung ausgestattet sein. Bei selbstfahrenden Arbeitsmitteln wie Baggern, Ladern oder Bohrgeräten ist eine Kühlung verpflichtend, wenn eine Kabine vorhanden ist. Für die Umrüstung ist Zeit bis Juni 2027.
Hitzeschutz ist Aufgabe aller, nicht nur der Unternehmen!
Der Wirtschaft ist Gesundheitsschutz inkl. Hitzeschutz wichtig, einzelne Aspekte der Verordnung sind aber kritisch zu sehen. Die Pflichten dürfen nicht unverhältnismäßig und zu bürokratisch sein. Genauso wichtig wie Vorgaben werden Praxis und ein Vollzug mit Augenmaß sein.
Klar ist: Hitzeschutz ist nicht nur Aufgabe der Unternehmen, sondern auch von Politik, Bürgern und vor allem Arbeitnehmern selbst: Z.B. kann die Arbeit nur in den Morgen verlegt werden, wenn der für den Lärmschutz zuständige Bürgermeister es erlaubt. Auftraggeber müssen im Sommer längere Bauzeiten in Kauf nehmen. Und vor allem müssen die Arbeitnehmer selbst aktiv mitwirken!
Begutachtungsentwurf Hitzeschutzverordnung
von Mag. Pia-Maria Rosner-Scheibengraf
Teilzeit: freiwillig oder nicht, das ist hier die Frage
Die aktuelle Diskussion geht vielfach an den Menschen und der Realität vorbei. Teilzeit boomt in ganz Europa und ist meist gewollt. Das ist niemandem vorzuwerfen, aber insgesamt ein Problem.
Im aktuellen Beschäftigungsausblick 2025 nahm die OECD die Teilzeitbeschäftigung genau unter die Lupe und kam zu einem klaren Ergebnis: Teilzeit ist in den meisten Staaten überwiegend freiwillig. So auch in Österreich, wo nur 2 % der Erwerbstätigen unfreiwillig in Teilzeit arbeiten. Betrachtet man nur Teilzeitbeschäftigte, sind nur 6,7 %, also jede/r Fünfzehnte unfreiwillig in Teilzeit. Tendenz fallend, vor 10 Jahren war der Anteil fast doppelt so hoch.
In Südeuropa ist Teilzeit versteckte Arbeitslosigkeit
Ein Blick auf Europa zeigt: Mitentscheidend ist das Angebot am Arbeitsmarkt. Der Anteil der unfreiwillig Teilzeitbeschäftigten ist niedrig bzw. die Zufriedenheit ist hoch in Ländern mit niedriger Arbeitslosigkeit und großem Teilzeitanteil: Spitzenreiter sind die Niederlande, wo jede/r Zweite Teilzeit arbeitet, gut liegen auch Deutschland, Österreich, die Schweiz und Dänemark mit einem Anteil von einem Drittel.
Im EU-Schnitt ist der Anteil der Unfreiwilligen 18,2 %. Hingegen arbeitet in Italien, Spanien und Griechenland jede/r zweite Teilzeitbeschäftigte unfreiwillig in Teilzeit. Das liegt daran, dass die Menschen dort Vollzeitstellen suchen, aber der Arbeitsmarkt oft nur Teilzeit bietet – Teilzeit ist hier häufig versteckte Arbeitslosigkeit.
Anders in Österreich: Hier ist der Andrang in die Teilzeit weit größer als in die Vollzeit. So kamen im Juli 2025 auf jede beim AMS gemeldete Teilzeitstelle 5,7 Arbeitslose mit Teilzeitwunsch, bei Vollzeit war das Verhältnis nur 1 : 2,4. Dazu kommt, dass Unternehmen immer mehr Stellen in Voll- oder Teilzeit ausschreiben, um mehr Bewerber zu erreichen.
Teilzeit ist ein internationaler Trend, vor allem unter Frauen, aber immer stärker auch unter Männern. Vor dem Hintergrund der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung sieht die OECD diese Entwicklung mit Besorgnis, die Diskussion ist also nicht auf Österreich beschränkt.
Realitätsferne Diskussion
Dabei geht die Diskussion über Motive und Folgen des Teilzeitbooms an der Realität vorbei und vermischt die individuelle und die volkswirtschaftliche Ebene. „Jeder soll nach seiner Facon selig werden“, sagte schon Friedrich der Große. Demnach soll jeder frei entscheiden, wie lange er arbeitet - solange er nicht auf Kosten der Allgemeinheit lebt: Dass Eltern Zeit mit ihren Kindern verbringen, ist niemals vorwerfbar. Problematischer ist da schon die Altersteilzeit. Warum soll der Beitragszahler in Zeiten des Arbeitskräftemangels eine Arbeitszeitreduktion finanzieren? Und vom Arbeitslosen erwartet der Beitragszahler natürlich, dass der, dem er das Arbeitslosengeld finanziert, zumutbare Arbeit annimmt.
Individuell ist der Teilzeitboom in einer wohlhabenden Gesellschaft verständlich, volkswirtschaftlich ist er ein Problem: Kurzfristig entlastet er den Arbeitsmarkt in der Wirtschaftsflaute, langfristig erodiert das Fundament für unseren Wohlstand, nämlich hohe Beschäftigung, gleich dreifach: Durch die schrumpfende Zahl der Erwerbsfähigen, die rückläufige Arbeitszeit und die stagnierende Produktivität. Zugespitzt: Würden heute alle ihre Arbeitszeit halbieren, müssten sich auch die Pensionen halbieren, die im Umlagesystem ja aus den Aktiveinkommen finanziert werden.
Daraus folgt, dass die Politik mit Arbeitsanreizen gegensteuern muss: Wer heute von Teilzeit auf Vollzeit aufstockt, zahlt mehr Steuern, zahlt mehr für Kinderbetreuung und verliert oft Sozialtransfers. Denn viele Vorteile wie etwa die Befreiung vom Arbeitslosenversicherungsbeitrag, stärkere Lohn- und Pensionserhöhungen, Negativsteuer etc. gelten nur für Geringverdiener, um Armut zu vermeiden. Tatsächlich kommen sie, wie auch das WIFO in einer Studie feststellte, vor allem (freiwillig) Teilzeitbeschäftigten und nicht Armutsgefährdeten zugute.
Die Antwort auf die Frage „Teilzeit oder nicht“ ist daher: Jede/r soll so lange arbeiten, wie er will. Wollen wir unseren Wohlstand behalten, muss die Politik aber mehr Vollzeit fördern.
von Mag. Gabriele Straßegger, Mag. Dr. Rolf Gleißner
Soziale Absicherung Selbständiger in Österreich und im Europavergleich
Im internationalen Vergleich sind Selbständige in Österreich gut abgesichert. Das war die Quintessenz des SVS-Gipfelgesprächs vom März 2025, zu dem nun ein Tagungsband im Linde-Verlag erschienen ist.
Der Band beleuchtet die Sozialsysteme und best practices der sozialen Absicherung in der EU. Zudem stellt er die historische Entwicklung der Sozialversicherung der Selbständigen in Österreich dar.
Nicht zuletzt die Covid-Pandemie hat die fragile soziale Situation mancher Selbständiger deutlich gemacht. Einer EU-Studie* zufolge waren im Jahr 2021 Selbständige in 19 Mitgliedstaaten in einem oder mehreren Zweigen des Sozialschutzes nicht ausreichend abgesichert. So waren 16,8 Mio Menschen, das ist mehr als die Hälfte der rund 28 Mio Selbständigen in der EU, nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert. 5,3 Mio Menschen hatten keinen Anspruch auf Leistungen bei Krankheit und 4,2 Mio keine Versicherung für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
Selbständige in Österreich sind besser vor den Risiken Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfall und Krankheit geschützt als im Rest der EU, was auch die Europäische Kommission hervorhebt. Nur Spanien verfügt über ein vergleichbares System. Dies liegt daran, dass in Österreich die Sozialversicherung verpflichtend alle Erwerbstätigen erfasst. Für die wenigen nicht automatisch erfassten Fälle gibt es freiwillige Selbstversicherungen.
Auch wenn die Lage relativ gut ist, gibt es Verbesserungsbedarf, etwa in der freiwilligen Arbeitslosenversicherung mit ihren starren Fristen, in der Betriebshilfe und bei der Auszahlung von Wochengeld.
*Working conditions and sustainable work, Selbständige Erwerbstätigkeit in der EU: Beschäftigungsqualität und Entwicklungen beim Sozialschutz, Published: 30 January 2024
*Julia Höllwarth, LL.M. “Die soziale Absicherung Selbständiger in Österreich im europäischen Vergleich” in Brameshuber/Biach/Rosenmayr-Koshideh (Hrsg), Mit Sicherheit Selbständig (2025)
AMS-Tipps zur Rekrutierung von Pensionisten
Die Personalsuche wird immer schwieriger, gerade wenn es um das Abdecken von Spitzen- und Randzeiten geht. Das AMS rät Unternehmen dazu, „outside the box“ zu denken, konkret auf das Potenzial von Pensionisten nicht zu vergessen. Das AMS hat Tipps zusammengestellt, wie man Pensionisten in Stelleninseraten gezielt anspricht und welchen Vorteil dies für Unternehmen bringen kann. https://www.ams.at/unternehmen/service-zur-personalsuche/personalsuche-outsidethebox .
Eine Anhebung des Regelpensionsalters scheint ein wirksames Mittel zu sein, um die Beschäftigung zu erhöhen. Arbeitslosigkeits- und Verdrängungseffekte sind in Zeiten des Arbeitskräftemangels gering.
WIFO-Konjunkturbericht
August 2025
20. Durchgang von Mentoring für Migrant:innen: Bewerbung als Mentorin oder Mentor ab jetzt möglich!
Das Erfolgsprogramm „Mentoring für Migrant:innen“ der WKO in Kooperation mit AMS und ÖIF startet im Jänner 2026 in die 20. Jubiläums-Runde. Bewerbungen sind bis 31.10.2025 per Mail an mentoring@wko.at möglich.
Im Rahmen des Programms unterstützen Mentoren aus der Wirtschaft qualifizierte Personen mit Migrationshintergrund beim Zugang zu Arbeitsmarkt und Gesellschaft. Gemeinsam werden Themen wie Netzwerkaufbau, Anerkennung von Qualifikationen und Jobbewerbung behandelt. Unternehmen erhalten dadurch Fachkräfte. Das Programm bietet Mentees und Mentoren Vernetzung und Weiterentwicklung.
Das Projekt läuft mit Erfolg seit 2008, wurde international prämiert und gilt als Best-Practice-Beispiel. Bislang wurden österreichweit rund 3.000 Mentoringpaare gebildet.
Nähere Infos unter https://www.wko.at/mentoring
ZAS-Tag am 8. Oktober 2025: Schwerpunkt Fehlzeiten/Krankenstände
Traditionell bietet der Manz-Verlag in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich ein Update zum Arbeits- und Sozialrecht des Jahres in einem Tag. Heuer mit viel „Stoff“, stehen doch in punkto Lohntransparenz, Hitzeschutz, Kündigungsfristen und freien Dienstnehmern wichtige Änderungen an.
Geboten werden:
- Neues aus der Gesetzgebung
- Krankenstände und sonstige Fehlzeiten aus rechtlicher Sicht
- Krankenstände aus Sicht der ÖGK
- Judikatur-Update
Ort: Wirtschaftskammer Österreich, Saal 2, Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien
Zeit: Mittwoch, 8. Oktober 2025, 9:00 (Eintreffen) – 16:00 Uhr
Programm und Anmeldung: Jahrestagung Arbeits- und Sozialrecht 2025 | MANZ Rechtsakademie
Impressum
Wirtschaftskammer Österreich
Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien
Abteilung für Sozial- und Gesundheitspolitik
Leiter: Mag. Dr. Rolf Gleißner
Telefon: +43 (0)5 90 900 4286
sp@wko.at
https://wko.info/sp