
Anteil von Temu & Co steigt rasant, ebenso die Zahl der Fake-Shops: WKÖ Trefelik warnt vor ungesunder Entwicklung
JKU-Studie im Auftrag der WKÖ zeigt: Junge Leute kaufen schon nahezu genauso oft bei Plattformen aus Asien wie bei Amazon
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„Die Ergebnisse unserer Studie enthalten sowohl gute als auch weniger gute Nachrichten für den heimischen Handel. Die gute ist, dass der stationäre Handel nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, gerade auch bei jungen Leuten. Die negative Botschaft lautet, dass asiatische Plattformen uns zunehmend überrollen. Und das ist keine gesunde Entwicklung für den österreichischen Handel“, sagt Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
Er fasst damit die zentralen Aussagen der aktuellen Online-Shopping-Studie zusammen, die das Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) an der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) im Auftrag der Bundessparte erstellt hat und die eine Reihe interessanter Details aufzeigt.
Der Anteil der Online-Shopper:innen (an der österreichischen Bevölkerung 16-74 Jahre) ist 2024 insgesamt leicht zurückgegangen: von 72 % im Jahr 2023 auf 71 % im Vorjahr. „Wir liegen mit diesem Anteil leicht unter dem EU-Schnitt von 72 % und auch unter Deutschland mit 78 %. Weiterhin gibt es ein starkes Nord-Süd-Gefälle“, führt Ernst Gittenberger vom Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) an der JKU aus. Spitzenreiter sind Irland und die Niederlande, wo 95 % bzw. 94 % der Konsument:innen online shoppen, in Italien liegt der Anteil der Online-Shopper:innen hingegen bei 54 % und in Bulgarien nur bei 50 %.
Am häufigsten werden Bekleidung und Schuhe übers Internet bestellt (48 % der Konsument:innen), gefolgt von Möbel und Gartenartikel. Lebensmittel hingegen werden hierzulande von 11 % der Konsument:innen online gekauft.
Transparente Lieferkosten enorm wichtig, Retouren steigen
Was die Zustellung der Online-Bestellungen anbelangt, bevorzugen 83 % der Online-Shopper:innen die Lieferung nach Hause. Erst mit großem Abstand folgen Paketstation oder Postfiliale. Angebote wie „Same-Day-Delivery“ werden nur von 3 % oft und von 8 % hin und wieder genutzt und bleiben damit ein Nischenangebot. In Summe sind Online-Shopper:innen mit der Paketzustellung in Österreich zufrieden. Die wichtigsten Kriterien bei der Zustellung sind Kostenfaktoren. Vor allem Transparenz und vollständige Angaben der Lieferkosten spielen eine große Rolle.
Ein großes Problem bleiben allerdings Retouren, deren Anzahl zuletzt wieder stieg: Insgesamt liegt die Retourenquote in Österreich bei 56 %. „Das bedeutet, dass mehr als die Hälfte der Online-Shopper:innen in den letzten 12 Monaten zumindest einmal bestellte Waren wieder retourniert haben, was eine erhebliche Herausforderung für die Handelsbetriebe, aber auch für die Umwelt darstellt“, erklärt Gittenberger.
Online-Ausgaben übertreffen Vorkrisenniveau, aber Junge geben weniger aus
„Interessant ist, dass trotz leicht gesunkener Zahl an Online-Shopper:innen die Online-Ausgaben anteilsmäßig gestiegen sind und nun 10 % der gesamten Einzelhandelsausgaben ausmachen. Das ist wieder mehr als im Vorkrisenjahr 2019, als sie 9,9 % betrugen“, sagt Christoph Teller, Vorstand des IHaM. Damit liegt Österreich auch über dem EU-Schnitt von 9,6 %. Bei den jungen Konsument:innen, vor allem bei den 16- bis 24-Jährigen allerdings sind die Online-Ausgaben rückläufig. „Hier scheint das Shopping-Erlebnis, das beim Einkauf im stationären Handel im Vordergrund steht, wieder mehr an Bedeutung zu gewinnen“, interpretiert dies Teller.
Die insgesamt gestiegenen Ausgaben führen die Experten vor allem auf die starke Expansion von Temu, Shein & Co zurück: „Nur 35 % der Online-Ausgaben entfallen auf inländische Online-Händler:innen, 65 % fließen bereits ans Ausland ab. Und hier spielen Online-Plattformen aus Asien eine immer größere Rolle“, fasst Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Bundessparte, die zentralen Studienergebnisse zu dieser Problematik zusammen.
Junge kaufen fast so oft bei asiatischen Plattformen wie bei Amazon
Konkret geben 41 % der Österreicher:innen an, in den letzten zwölf Monaten bei einer asiatischen Plattformen eingekauft zu haben. Vor allem junge Konsument:innen kaufen schon fast so oft bei den Plattformen aus dem asiatischen Raum ein wie bei Amazon.
Innovative Trends wie Social-Commerce und Livestream-Shopping, die in Asien bereits beliebt sind, stecken hingegen hierzulande noch in den Kinderschuhen: So spielt der Kauf via Social-Media nur für junge Leute eine gewisse Rolle und lediglich 5 % der Konsument:innen in Österreich gaben an, in den letzten 12 Monaten bei einem Livestream-Shopping-Event eingekauft zu haben.
Vormarsch von Temu & Shein zeigt: Faire Spielregeln für alle nötig
„Der starke Vormarsch von Temu & Shein zeigt einmal mehr, dass wir faire Rahmenbedingungen im Online-Handel brauchen. Wir werden daher nicht lockerlassen, diese auf EU-Ebene einzufordern“, so Thalbauer. Konkret müsse die 150-Euro-Zollfreigrenze so früh wie möglich fallen, aber auch verstärkt Maßnahmen zur Marktüberwachung und Produktsicherheit gesetzt werden. „Und um wirkliches Fair Play sicherzustellen, ist es wichtig, dass europäische Regeln für alle gelten.
Es kann nicht sein, dass nur die EU-Handelsbetriebe jede Menge Auflagen und Berichtspflichten zu erfüllen haben, asiatische Plattformen, die nach Europa hereinliefern, hingegen nicht“, ergänzt Handelsobmann Trefelik und spricht damit nicht zuletzt die geplante Entwaldungsverordnung an: Diese müsse nicht nur grundlegend überarbeitet werden, sondern in ihrem Geltungsbereich auch Importeure nach Europa einbeziehen, fordert Trefelik.
Härteres Vorgehen gegen betrügerische Fake-Shops nötig
Zudem macht sich Trefelik für ein härteres Vorgehen gegen betrügerische Ghost Stores auf Facebook und Instagramm stark. Auch diese stammen sehr oft aus China und werden zunehmend zum Problem: „Sie vermitteln den Eindruck, dass es sich um eine renommierte Modeboutique, Lampen- oder Uhrenfirma handelt und werben mit Abverkauf wegen Geschäftsauflösung oder Ähnlichem. Doch in Wahrheit gibt es diese Geschäfte gar nicht und es hat sie auch nie gegeben“, schildert Trefelik. Im Impressum findet sich häufig eine Adresse aus China.
Laut einer Erhebung des Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) wurden allein im Zeitraum 1.1.-30.4.2025 exakt 36.725 Werbeanzeigen mit Betrugsabsicht an Facebook- und Instagram-Nutzer:innen in Österreich ausgespielt, die zu 71 Fake-Shops weiterleiten. Diese Werbeanzeigen erreichten EU-weit 85,9 Millionen Personen, allein in Österreich lag die Reichweite bei knapp 30 Millionen.
„Wenn man diese Anzeigen meldet, löscht Meta zwar die Anzeige selbst, aber nicht das dahinterliegende Profil. Somit können diese Ghost Stores immer wieder neue Fake-Anzeigen veröffentlichen“, so Trefelik. Auch hier brauche es im Sinne von Fair Play ein EU-weit koordiniertes und entschiedenes Vorgehen, sagt Trefelik abschließend. (PWK193/DFS)