Vertriebsverträge: Anwendungsbereiche für Ausgleichsanspruch, nachvertragliches Konkurrenzverbot und Investitionsersatz - FAQs

Antworten auf die wichtigsten Fragen

Lesedauer: 3 Minuten

  1. Was versteht man unter dem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters?
  2. Auf welche Branchen ist der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters analog anwendbar?
  3. Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, dass ein Vertragshändler einen Ausgleichsanspruch hat?
  4. Hat ein Tankstellenbetreiber auch einen Ausgleichsanspruch?
  5. Was versteht man unter nachvertraglichem Konkurrenzverbot?
  6. Ist ein nachvertragliches Konkurrenzverbot für Handelsvertreter zulässig?
  7. Kann ein nachvertragliches Konkurrenzverbot bei anderen Absatzmittlern vereinbart werden?
  8. Was beinhaltet der Investitionsersatzanspruch nach § 454 Unternehmensgesetzbuch?
  9. Auf wen ist der Investitionsanspruch anwendbar?

1. Was versteht man unter dem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters? 

Nach Vertragsende steht dem Handelsvertreter unter bestimmten Voraussetzungen eine angemessene Vergütung zu. Für das Entstehen des Ausgleichsanspruchs müssen – neben dem Vertragsende – die folgenden 3 Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der Handelsvertreter muss dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert haben.
  • Es muss wahrscheinlich sein, dass der Unternehmer aus den neu geschaffenen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Handelsvertretervertrages erhebliche Vorteile ziehen kann.
  • Die Zahlung muss unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter entstehenden Provisionsverluste, der Billigkeit entsprechen.

Der Ausgleichsanspruch beträgt höchstens eine Jahresvergütung (Durchschnitt der letzten fünf Jahre). Falls eine günstigere Regelung für den Handelsvertreter getroffen wurde, gilt jedoch diese. Der Anspruch muss außerdem innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden.  

2. Auf welche Branchen ist der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters analog anwendbar? 

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters auf Vertragshändler unter bestimmten Voraussetzungen analog anzuwenden. Im Hinblick auf Franchisenehmer tendiert die Rechtsprechung auch zur analogen Anwendung. Den Versicherungsvertretern (Versicherungsagenten) steht auf Grund einer Bestimmung im Handelsvertretergesetz unmittelbar ein besonderer Ausgleichsanspruch zu. 

3. Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, dass ein Vertragshändler einen Ausgleichsanspruch hat? 

Für eine analoge Anwendung des Ausgleichsanspruches auf Vertragshändler müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Der Vertragshändler ist wie ein Handelsvertreter in die Absatzorganisation des Unternehmens eingebunden.
  • Der Vertragshändler ist verpflichtet, dem Unternehmer spätestens bei Vertragsbeendigung seinen Kundenstock zu überlassen.

4. Hat ein Tankstellenbetreiber auch einen Ausgleichsanspruch?

Ja. Der Tankstellenbetreiber, der im Namen und auf Rechnung der Mineralölgesellschaft deren Produkte vertreibt, ist als Handelsvertreter zu qualifizieren. Der Tankstellenbetreiber hat einen Ausgleichsanspruch, wenn er dem Unternehmer durch seine Tätigkeit neue Kunden zugeführt hat und der Unternehmer aus der Tätigkeit des Tankstellenbetreibers nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann. Nach Meinung des Obersten Gerichtshof stellt bereits das Offenhalten und Betreiben der Tankstelle ein Zuführen neuer Kunden dar. 

Wird der Tankstellenbetreiber im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig, so ist er wie ein Vertragshändler zu qualifizieren. In diesem Fall steht dem Tankstellenbetreiber daher bei Vorliegen der Voraussetzungen (Eingliederung in die Absatzorganisation des Unternehmers, Einräumung von Kontroll- und Weisungsrechten, Überlassung des Kundenstocks) wie einem Vertragshändler analog ein Ausgleichsanspruch zu. 

5. Was versteht man unter nachvertraglichem Konkurrenzverbot? 

Unter einem nachvertraglichen Konkurrenzverbot ist eine Vereinbarung zwischen Handelsvertreter und Unternehmer zu verstehen, durch die der Handelsvertreter für die Zeit nach Ende des Vertragsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird.

6. Ist ein nachvertragliches Konkurrenzverbot für Handelsvertreter zulässig? 

Aufgrund ausdrücklicher und zwingender gesetzlicher Regelungen ist ein solches Verbot unzulässig. 

7. Kann ein nachvertragliches Konkurrenzverbot bei anderen Absatzmittlern vereinbart werden? 

Der Versicherungsvertreter (Versicherungsagent) kann sich ebenso wie der Handelsvertreter auf die Unzulässigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes berufen. Hingegen wird die generelle Anwendbarkeit des nachvertraglichen Konkurrenzverbotes auf Franchisenehmer bestritten. 

8. Was beinhaltet der Investitionsanspruch nach § 454 Unternehmensgesetzbuch? 

Den in vertikalen Vertriebsbindungsverträgen gebundenen Unternehmern und auch Handelsvertretern steht bei Vertragsbeendigung ein zwingender Anspruch auf Ersatz von Investitionen zu, die diese Unternehmer nach dem Vertrag für ein einheitliches Vertriebssystem tätigen mussten, sofern diese Investitionen bei Vertragsbeendigung weder amortisiert noch angemessen verwertbar sind. 

9. Auf wen ist der Investitionsersatzanspruch anwendbar? 

Der Investitionsersatzanspruch soll einem Unternehmer zustehen, der an einem vertikalen Vertriebsbindungssystem als gebundener Unternehmer teilnimmt sowie einem selbständigen Handelsvertreter. Der Begriff der vertikalen Vertriebsbindung ist nach Rechtsprechung der Kartellgerichte weit zu interpretieren und umfasst jede Art von Bindungen - mit Ausnahme von Preisbindungen - zwischen Unternehmen auf verschiedenen Wirtschaftsstufen, welche das Nachfrage- oder Angebotsverhalten der beteiligten Unternehmer berühren. Beispiele für vertikale Vertriebsbindungen sind exklusive Liefer- und Bezugsverpflichtungen, Gebietsschutzklauseln und Konkurrenzklauseln. Erfasst sind damit insbesondere Vertragshändler und Franchisenehmer. 

Stand: 02.03.2023