Warnpflicht des Werkunternehmers

Sind die Anweisungen des Kunden offenbar unrichtig oder das von ihm beigestellte Material untauglich, treffen den Werkunternehmer bestimmte Warnpflichten

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Allgemeines

Beim Werkvertrag verpflichtet sich der Werkunternehmer gegenüber dem Werkbesteller zur Herstellung eines bestimmten Erfolges. Dabei wird dieses „Werk“ typischerweise entsprechend den Bedürfnissen des Kunden hergestellt (z.B. Entwicklung einer bestimmten Computersoftware, Anfertigung eines Maßanzugs). Häufig kommt es dabei vor, dass der Kunde das zu verarbeitende Material zur Verfügung stellt und/oder sonstige Vorgaben macht, wie bei der Herstellung des Werkes vorzugehen ist (z.B. durch die Vorlage von Plänen). Während der Werkunternehmer über entsprechendes Fachwissen verfügt, ist der Kunde auf dem jeweiligen Fachgebiet in der Regel Laie. Aus diesem Grund treffen den Werkunternehmer bestimmte Warnpflichten.

Wovor ist zu warnen?

Zu warnen ist, wenn der vom Kunden zur Verarbeitung beigestellte Stoff offenbar untauglich ist oder die von ihm erteilten Anweisungen offenbar unrichtig sind. Stoff ist alles, aus dem oder mit dessen Hilfe das Werk herzustellen ist. Dazu gehören beispielsweise auch Vorarbeiten anderer Unternehmer oder des Bestellers selbst. Eine Anweisung liegt dann vor, wenn dem Unternehmer nicht bloß das herzustellende Werk und sein Verwendungszweck, sondern auch die Art der Herstellung konkret und verbindlich vorgeschrieben werden (z.B. durch die Beistellung von Bauplänen). Darüber hinaus besteht die Warnpflicht immer dann, wenn die Gefahr besteht, dass das Werk infolge dem Unternehmer erkennbarer Umstände auf Seiten des Bestellers misslingt und dem Besteller dadurch ein Schaden entsteht.

Wann ist zu warnen?

Zu warnen ist, sobald die Untauglichkeit des Stoffes bzw die Unrichtigkeit der Anweisung erkennbar ist. Dies kann bereits vor Vertragsabschluss oder erst während der Erfüllung des Vertrages sein.

Untersuchungspflicht

Um den Kunden warnen zu können, muss der Werkbesteller das ihm zur Verfügung gestellte Material bzw. die ihm erteilten Anweisungen prüfen. Nur so kann er allfällige Mängel bzw Fehler erkennen und dem Werkbesteller gegebenenfalls seine Bedenken mitteilen. Der Werkunternehmer hat dabei die Kenntnisse und Fähigkeiten einzusetzen, die von einem Sachverständigen aus seinem Fachgebiet objektiv erwartet werden können. Die Prüf- und Untersuchungspflichten dürfen allerdings nicht überspannt werden: Es müssen nur übliche Untersuchungen angestellt werden. Darüber hinaus gehende Untersuchungen sind nur erforderlich, wenn dies vereinbart wurde.

Wer ist zu warnen?

Grundsätzlich ist immer der Werkbesteller zu warnen. Wenn der Werkbesteller einen Vertreter bevollmächtigt hat (z.B. bauüberwachender Architekt, Bauleiter etc), kann die Warnung auch an diesen gerichtet werden. Da sich eine Bevollmächtigung für Außenstehende nur schwer nachvollziehen lässt, sollte die Warnung im Zweifel immer an den Werkbesteller gerichtet werden.

Sachkundiger Werkbesteller

Die Warnpflicht besteht auch dann, wenn der Werkbesteller selbst sachkundig oder sachverständig beraten ist. Allerdings ist hier die Prüfungspflicht des Unternehmers herabgesetzt. „Augenfällige“ Mängel hat der Unternehmer aber auch in diesen Fällen mitzuteilen. Den Besteller trifft ein Mitverschulden, wenn er aufgrund seines eigenen Sachverstandes die Untauglichkeit bzw Unrichtigkeit seiner Vorgaben erkennen hätte können. Fehler eines Fachmannes, den der Besteller zur Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten heranzieht (z.B. Architekt), werden dem Werkbesteller wie eigenes Verschulden zugerechnet.

Inhalt der Warnung

Die Warnung darf sich nicht nur auf die Untauglichkeit des Stoffes oder Unrichtigkeit der Anweisung beschränken, sondern hat auch die möglichen Folgen der Missachtung der Warnung zu enthalten.

Beweislast

Der Unternehmer hat zu beweisen, dass er den Besteller gewarnt hat. Wenn feststeht, dass er nicht gewarnt hat, muss er beweisen, dass er trotz ausreichendem Berufswissen und Beachtung der gebotenen Aufmerksamkeit nicht warnen konnte.

Rechtsfolgen der Warnpflichtverletzung

Nur schuldhafte Warnpflichtverletzungen ziehen Rechtsfolgen nach sich. Liegt ein Verschulden auf Seiten des Werkunternehmers vor, ist dies in dreierlei Hinsicht bedeutsam:

1. Preisgefahr: Warnt der Unternehmer schuldhaft nicht, verliert er seinen Werklohnanspruch. Warnt er hingegen und beharrt der Besteller dennoch auf unveränderter Herstellung, so muss dieser das vereinbarte Entgelt bezahlen, auch wenn das Werk in der Folge misslingt.

2. Schadenersatz: Bei schuldhafter Warnpflichtverletzung wird der Werkunternehmer gegenüber seinem Kunden schadenersatzpflichtig. Zu ersetzen ist der sogenannte Vertrauensschaden, dh der Werkbesteller ist so zu stellen, wie er stünde, wenn er gewarnt worden wäre. Zu ersetzen sind auch die Verbesserungskosten. Kosten, die aber auch dann angefallen wären, wenn der Werkunternehmer gewarnt hätte (sog „Sowieso-Kosten“), sind nicht zu ersetzen.

3. Gewährleistung: Bei schuldhafter Warnpflichtverletzung hat der Werkunternehmer Gewähr zu leisten, dh er muss das Werk fehlerfrei übergeben. Der Kunde hat allerdings keine Gewährleistungsrechte, wenn er vom Werkunternehmer gewarnt wurde oder diesen kein Verschulden an der nicht erfolgten Warnung trifft. Dies ist der einzige Fall, in dem die Gewährleistung von einem Verschulden abhängig ist.

Kostenvoranschlag

Von der gesetzlichen Warnpflicht zu unterscheiden ist die Verpflichtung des Werkunternehmers, den Besteller über nachträgliche Mehrkosten zu warnen. Dabei muss zwischen verbindlichem und unverbindlichem Kostenvoranschlag unterschieden werden:

Wurde dem Vertrag ein verbindlicher Kostenvoranschlag zugrunde gelegt, kann der Werkunternehmer auch bei unvorhersehbaren Mehrkosten keine Erhöhung des Werklohnes verlangen. Er kann aber umgekehrt auch den Vorteil behalten, wenn der tatsächliche Aufwand unter den kalkulierten Kosten zurückbleibt.

Bei einem unverbindlichen Kostenvoranschlag muss der Werkunternehmer unverzüglich warnen, wenn sich nachträglich beträchtliche Mehrkosten als unvermeidlich herausstellen. Tut er dies nicht, verliert er jeden Anspruch auf diese Mehrkosten. Wird der Kunde über beträchtliche Mehrkosten gewarnt, hat dieser ein Wahlrecht: Er kann die Kostenüberschreitung in Kauf nehmen und am Vertrag festhalten oder unter angemessener Vergütung der bereits geleisteten Arbeiten vom Vertrag zurücktreten. Ab wann eine Kostenüberschreitung beträchtlich ist, lässt sich nicht allgemein sagen, sondern richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (Anhaltspunkt: Kostenüberschreitungen von mehr als 10 bis 15 %). Bloß unbeträchtliche Mehrkosten hat der Werkbesteller im Falle eines unverbindlichen Kostenvoranschlages in Kauf zu nehmen.

Im Zweifel ist bei Verträgen zwischen Unternehmern ein unverbindlicher Kostenvoranschlag anzunehmen; lediglich gegenüber Verbrauchern ist ein Kostenvoranschlag verbindlich, wenn der Unternehmer nicht ausdrücklich das Gegenteil beweist. Die vom Unternehmer ausgesprochene Kostenwarnung muss zumindest zum Ausdruck bringen, dass es sich um eine beträchtliche Kostenüberschreitung handeln wird. Der bloße Hinweis, man könne die veranschlagten Preise nicht halten, genügt nicht.

Eine Warnung über drohende Mehrkosten ist nicht erforderlich (auch nicht bei einem verbindlichen Kostenvoranschlag), wenn diese auf Umstände in der Sphäre des Werkbestellers zurückzuführen sind (z.B. nachträgliche Änderungswünsche). In diesem Fall hat der Werkunternehmer jedenfalls Anspruch auf die Mehrkosten.

Stand: 29.07.2021

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