Münzen sind verschieden hoch gestapelt, im Hintergrund sitzt eine Person in der Unschärfe und notiert etwas in einer Mappe mit Unterlagen sowie tippt in einen Taschenrechner, daneben steht ein Laptop
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Rechen­­fehler – Was ist darunter zu ver­stehen?

Bundesvergabegesetz (BVerG)

Lesedauer: 3 Minuten

Sowohl das Bundesvergabegesetz als auch die Materialien dazu setzen den Begriff des Rechenfehlers voraus, ohne ihn zu definieren. Das Bundesvergabeamt hat daher in einem konkreten Anlassfall die Definition selbst vorgenommen.

Nach Ansicht des Bundesvergabeamtes liegt ein Rechenfehler im Sinne des BVergG (nur) dann vor, „wenn die Regeln der Mathematik bei der Berechnung des Angebotspreises falsch angewandt wurden; nicht jedoch, wenn die Berechnung des Angebotspreises mathematisch korrekt erfolgte, dabei jedoch gegen andere Festlegungen der Ausschreibung verstoßen wurde“ (im konkreten Fall die Einrechnung einer Eventualposition in den Gesamtpreis).

Das Bundesvergabeamt stützt sich in seiner Begründung im Wesentlichen einerseits auf eine Gegenüberstellung von § 129 Z 7 und Z 9 BVergG 2006 und andererseits auf den Grundsatz des lauteren Wettbewerbs. Die Gegenüberstellung ergibt nach Ansicht des Bundesvergabeamtes, dass die Einrechnung einer Eventualposition in den Gesamtangebotspreis ein mangelhaftes Angebot und keinen Rechenfehler darstellt.

Sachverhalt 

Ein Sozialversicherungsträger hat Baumeister- und Ausbauarbeiten für ein Rehabilitationszentrum im offenen Verfahren (im Oberschwellenbereich) ausgeschrieben. Als einziges Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis vorgesehen.

Bei Angebotsöffnung lag die vom Auftraggeber später in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin an 2. Stelle. Sie hatte allerdings eine Eventualposition in den Gesamtpreis eingerechnet.

Der Auftraggeber hat nun im Zuge der Angebotsprüfung diese Position als Rechenfehler aus dem Gesamtpreis herausgerechnet und das Angebot – weil dies in der Ausschreibung so vorgesehen war – gemäß § 79 Abs 6 BVergG 2006 vorgereiht. Gegen diese Vorgangsweise wendete sich die bei Angebotsöffnung an 1. Stelle liegende Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag und verlangte Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung.

Gegenüberstellung von § 129 Z 7 und Z 9 BVergG 2006

Nach § 129 BVergG 2006 hat die vergebende Stelle vor der Wahl des Angebots für die Zuschlagsentscheidung aufgrund des Ergebnisses der Prüfung die folgenden Angebote auszuscheiden:

  • Ziffer 7: den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote sowie nicht gleichwertige Alternativangebote, fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn die Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, ferner Teil- und Alternativangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden;
  • Ziffer 9: rechnerisch fehlerhafte Angebote, die gemäß den Festlegungen in der Ausschreibung nicht weiter zu berücksichtigen sind. Beide Bestimmungen sprechen also von „fehlerhaften“ Angeboten; Z 7 nur allgemein von fehlerhaften Angeboten und Z 9 speziell von „rechnerisch fehlerhaften“ Angeboten. Z 9 ist somit die „lex specialis“ zu Z 7. Ohne die Spezialregelung in Z 9 wären auch rechnerisch fehlerhafte Angebote unter die fehlerhaften Angebote nach Z 7 zu subsumieren. 

Angebote können in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft sein. Ein Rechenfehler ist nur eine mögliche Fehlerquelle. Ein Angebot kann als solches rechnerisch fehlerhaft sein, wenn es einen oder mehrere Rechenfehler enthält. § 126 Abs 4 BVergG 2006 lässt erkennen, dass ausschließlich solche Rechenfehler für eine allfällige Korrektur von Bedeutung sind, die Auswirkungen auf den Gesamtangebotspreis haben.

Die Einrechnung einer Eventualposition ist nicht auf eine fehlerhafte Anwendung mathematischer Methoden zurückzuführen. Die Summenbildung erfolgte mathematisch korrekt. Es wurden aber zur Bestimmung des Gesamtangebotspreises vom Bieter Positionen addiert, die nach den Festlegungen der Ausschreibung nicht zu addieren waren. Es handelt sich daher nicht um einen Rechenfehler.

Für das Bundesvergabeamt ist eine Herausnahme der eingerechneten Eventualposition mit dem Grundsatz des fairen und lauteren Wettbewerbs nicht vereinbar, führt sie doch zu einem Reihungssturz, da infolge einer Korrektur des Mangels das betreffende Angebot vom zweiten auf den ersten Platz vorrücken würde.

Demnach ist das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin mit einem unbehebbaren Mangel behaftet und wäre daher gemäß § 129 Z 7 BVergG 2006 auszuscheiden gewesen. Das Bundesvergabeamt hat daher dem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung stattgegeben und hat die Zuschlagsentscheidung für nichtig erklärt.

Laut BVA stellt die Einrechnung von Eventualpositionen in den Gesamtangebotspreis keinen Rechenfehler dar, sondern einen unbehebbaren Angebotsmangel. Führt die Herausnahme dieser Eventualposition daher zu einem Reihungssturz, so ist das Angebot vom Auftraggeber zwingend auszuscheiden.

Diese Rechtsansicht des BVA wurde allerdings vom Verwaltungsgerichtshof nicht bestätigt:

Wichtig:

Laut Auffassung des VwGH, Zl: 2005/04/0111 vom 27.06.2007, handelt es sich bei einem Rechenfehler iS des § 94 Abs. 4 § 138 Abs 7 BVergG 2018 um eine "mit einem evidenten Erklärungsirrtum behaftete Willenserklärung des Bieters". Das (irrtümliche) Mitaddieren oder Mitübertragen von (nach dem klaren, sonstigen Inhalt des Angebotes nicht mitzuaddierenden) Eventualpositionen stellt einen solchen Rechenfehler dar. Auf die Richtigkeit der rechnerischen Operation kommt es nach dieser Bestimmung - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht an.

Im angefochtenen Bescheid geht die belangte Behörde (BVA) selbst davon aus, dass die Beschwerdeführerin aus Versehen die Eventualpositionen vor Abgabe des Angebotes nicht wieder als Eventualpositionen gekennzeichnet und somit bei der Erstellung des Angebotes diese Eventualpositionen in die Gesamtsumme ihres Angebotes eingerechnet habe. Dieses (irrtümliche) Einrechnen von Eventualpositionen in den Gesamtpreis stellt daher einen Rechenfehler iS des § 138 Abs 7 BVergG 2018 dar.

Stand: 01.01.2024

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