Wettbewerblicher Dialog im Vergaberecht

Voraussetzungen und Ablauf

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Definition

Beim wettbewerblichen Dialog führt der öffentliche Auftraggeber, nachdem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen aufgefordert wurde, mit ausgewählten geeigneten Bewerbern einen Dialog über alle Aspekte des Auftrages. Ziel des Dialoges ist es, eine oder mehrere der Ausschreibung entsprechende Lösung oder Lösungen zu ermitteln, auf deren Grundlage die jeweiligen Teilnehmer zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.  

Der wettbewerbliche Dialog ist dadurch gekennzeichnet, dass der öffentliche Auftraggeber zu Beginn des Verfahrens nur Vorstellungen über seine Bedürfnisse hat, nicht aber konkrete Vorstellungen über die zur Erfüllung dieser Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel.  

Daher soll in einer ersten Dialogphase ermittelt werden, welche Lösung oder gegebenenfalls welche Lösungen zur Erreichung der Ziele des öffentlichen Auftraggebers am besten geeignet ist bzw. sind und erst in einer zweiten Phase soll(en) der oder die verbleibende(n) Teilnehmer zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.  

Voraussetzungen 

Komplexere Vorhaben bringen zwei Aspekte mit sich: Es kann für öffentliche Auftraggeber objektiv unmöglich sein, die Mittel zu bestimmen, die dem eigenen Bedarf gerecht werden. Es ist kaum zu beurteilen, was der Markt an technischen bzw. finanziellen /rechtlichen Lösungen bieten kann.  

Der wettbewerbliche Dialog ist in solchen Fällen das geeignete Instrument: ein flexibles Verfahren, das sowohl den Wettbewerb zwischen Wirtschaftsteilnehmern gewährleistet als auch öffentlichen Auftraggebern ermöglicht, alle Aspekte des Auftrags mit jedem ausgewählten Unternehmen zu erörtern. Die Wahl des wettbewerblichen Dialogs als Vergabeverfahren ist zulässig, wenn einer der in § 34 BVergG 2018 angeführten Voraussetzungen vorliegt.


Achtung:

Die Wahl des wettbewerblichen Dialogs ist demnach insbesondere in den folgenden Fällen möglich:

  • Wenn die Anforderungen nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden können,
  • wenn der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst oder
  • wenn die technischen Spezifikationen von dem Auftraggeber nicht mit ausreichender Genauigkeit erstellt werden können. 

Ablauf des wettbewerblichen Dialogs 

Die Abwicklung eines wettbewerblichen Dialogs ist in den §§ 115 -117 BVergG geregelt. Grundsätzlich kann sich jedes Unternehmen für die Teilnahme am Verfahren bewerben. 

Ausschreibung des wettbewerblichen Dialogs

Der öffentliche Auftraggeber hat in der Bekanntmachung des wettbewerblichen Dialoges seine Bedürfnisse und Anforderungen zu formulieren. Die Bekanntmachung hat darüber hinaus jedenfalls die folgenden Angaben zu enthalten:

  1. die vorgesehene Mindestzahl und gegebenenfalls auch die Höchstzahl der Teilnehmer,
  2. die Eignungs- und Auswahlkriterien,
  3. die Festlegung, ob der Dialog in mehreren Phasen abgewickelt wird und ob die Zahl der zu erörternden Lösungen reduziert werden soll,
  4. einen indikativen Zeitrahmen für das Verfahren,
  5. eine nähere Erläuterung der Bedürfnisse und Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers,
  6. die Zuschlagskriterien und
  7. die Festlegung, ob Prämien oder Zahlungen für die Teilnehmer am Dialog vorgesehen sind.

Die in den Z 3 bis 7 vorgesehenen Angaben können abweichend davon auch in den Ausschreibungsunterlagen enthalten sein.


Beachte:

Aufgrund der in Teilnahmebedingungen festgelegten unternehmensbezogenen Eignungs- und Auswahlkriterien erfolgt die Bewerberauswahl. Die Teilnehmer werden vom öffentlichen Auftraggeber festgelegt (siehe § 123 BVergG).


Dialogphase

Der öffentliche Auftraggeber führt mit den Teilnehmern einen Dialog mit dem Ziel, die Lösung oder die Lösungen zu ermitteln, mit der oder mit denen seine Bedürfnisse und Anforderungen am besten erfüllt werden können. Bei diesem Dialog kann der öffentliche Auftraggeber mit den Teilnehmern alle Aspekte des Auftrages erörtern und gegebenenfalls aufgrund der Erörterungen seine in der Ausschreibung festgelegten Bedürfnisse und Anforderungen anpassen. Eine Anpassung ist allen Teilnehmern am Dialog bekannt zu geben. 

Der öffentliche Auftraggeber hat sicherzustellen, dass alle Teilnehmer am Dialog gleich behandelt werden. Er darf Informationen nicht in diskriminierender Weise weitergeben, sodass bestimmte Teilnehmer gegenüber anderen Teilnehmern begünstigt werden können. Der öffentliche Auftraggeber darf Lösungen, Teile von Lösungen oder vertrauliche Informationen eines Bewerbers oder Teilnehmers nicht ohne dessen Zustimmung an die anderen Unternehmer weitergeben. Diese Zustimmung darf nicht allgemein, sondern nur in Bezug auf die beabsichtigte Mitteilung bestimmter Informationen erteilt werden. 

Der wettbewerbliche Dialog kann in verschiedenen aufeinander folgenden Phasen durchgeführt werden. Der öffentliche Auftraggeber kann die Zahl der zu erörternden Lösungen anhand der Zuschlagskriterien während der Dialogphase verringern. Der öffentliche Auftraggeber hat jene Teilnehmer, deren Lösungen nicht weiter berücksichtigt werden, unverzüglich unter Bekanntgabe der Gründe für die Nichtberücksichtigung von dieser Entscheidung zu verständigen. Die Gründe der Nichtberücksichtigung sind nicht bekannt zu geben, soweit die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen eines Unternehmers widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde. 

Der öffentliche Auftraggeber hat jeden verbliebenen Teilnehmer auf dessen Verlangen unverzüglich, jedenfalls aber binnen 15 Tagen nach Einlangen des Ersuchens, über Verlauf und Fortschritt des Dialoges zu informieren. 

Der öffentliche Auftraggeber setzt den Dialog so lange fort, bis er die Lösung oder die Lösungen ermittelt hat, die zur Erfüllung seiner Bedürfnisse und Anforderungen am besten geeignet ist oder sind. Sofern eine ausreichende Anzahl von Lösungen gemäß dem ersten Satz vorliegt, müssen in der Schlussphase des Dialoges noch so viele Lösungen vorliegen, dass ein echter Wettbewerb gewährleistet ist. 

Der öffentliche Auftraggeber hat den Abschluss der Dialogphase und die Grundzüge der ausgewählten Lösung oder Lösungen den verbliebenen Teilnehmern unverzüglich bekannt zu geben.


Beachte:

In der Dialogphase ermittelt der Auftraggeber gemeinsam mit den teilnehmenden Unternehmen eine für seine Bedürfnisse passende Lösung oder Lösungen und passt diese an die in den Ausschreibungsunterlagen definierten Anforderungen an. Das heißt, im wettbewerblichen Dialog werden die Anforderungen der öffentlichen Hand mit den Möglichkeiten des Marktes abgeglichen, um praxistaugliche Ausschreibungsunterlagen sicherzustellen. Diese Möglichkeit der Anpassung der Unterlagen während des Verfahrens bietet eine größere Flexibilität, wenn auch nur innerhalb gewisser Grenzen


Aufforderung zur Angebotsabgabe und Vergabe des Auftrages

Der öffentliche Auftraggeber hat den oder die verbliebenen Teilnehmer aufzufordern, auf der Grundlage der vom jeweiligen Teilnehmer vorgelegten und in der Dialogphase näher ausgeführten Lösung oder Lösungen sein bzw. ihr Angebot zu legen. 

Ein Angebot muss alle zur Ausführung des Vorhabens erforderlichen Elemente enthalten. 

Auf Verlangen des öffentlichen Auftraggebers kann der Bieter sein Angebot klarstellen, präzisieren, verbessern und ergänzen, sofern dies nicht zu einer Änderung der wesentlichen Bestandteile des Angebotes oder der Ausschreibung führt, die den Wettbewerb verfälschen oder sich diskriminierend auswirken könnte. 

Der öffentliche Auftraggeber hat gemäß den Zuschlagskriterien das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot auszuwählen. 

Auf Verlangen des öffentlichen Auftraggebers kann der Bieter, dessen Angebot als das technisch und wirtschaftlich günstigste ermittelt worden ist, bestimmte Elemente seines Angebotes näher erläutern oder darin enthaltene Zusagen bestätigen, sofern dies nicht zu einer Änderung der wesentlichen Bestandteile des Angebotes oder der Ausschreibung führt, die den Wettbewerb verfälschen oder sich diskriminierend auswirken könnte.


Beachte:

Auf Basis der erarbeiteten Ausschreibungsunterlagen lädt der öffentliche Auftraggeber die Unternehmer zur Angebotslegung ein. Die Angebotsphase endet mit der Ermittlung des Bestbieters unter Heranziehung der in den Ausschreibungsunterlagen festgelegten Zuschlagskriterien.



Wichtig:

Beispiele für mögliche Anwendungsfälle des wettbewerblichen Dialogs sind:

  • die Verwirklichung von integrierten Verkehrsinfrastrukturprojekten (wie z.B. Public Private Partnership Projekte „PPP“)
  • die Ausschreibung von großen Computernetzwerken
  • die Ausschreibung von Kreativleistungen 


Umsetzungsbeispiel:

Die Beschaffung von Matratzen für Justizanstalten in Großbritannien wurde mittels eines wettbewerblichen Dialogs durchgeführt. Dieser Prozess ermöglichte die Beschaffung von innovativen „Zero Waste“ Matratzen.


Stand: 01.01.2024

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