Zum Inhalt springen
Justitia Figur hält mit verbundenen Augen eine Waagschale in der einen Hand und in der anderen ein Schwert, Symbolik des Rechts
© BCFC | stock.adobe.com

Rechtsschutz - Vergabekontrolle

Wie ist die Vergabekontrolle in Österreich aufgebaut? 

Lesedauer: 8 Minuten

Allgemeines

Ein Unternehmer kann sich gegen bestimmte Entscheidungen des Auftraggebers (z.B. Ausschreibungsbedingungen, Zuschlagsentscheidung, Ausscheiden) im Vergabeverfahren mittels eines speziellen Antrags wehren. Ein Verwaltungs­gericht überprüft in der Folge die Entscheidung des Auftraggebers. Die Verwaltungsgerichte sind unabhängig und weisungsfrei: ihre Entscheidungen ergehen mittels Erkenntnis oder Beschluss.

Die Erkenntnisse und Beschlüsse erlangen unmittelbare Rechtskraft. Gegen ein derartiges Erkenntnis oder einen Beschluss kann gegebenenfalls eine Revision oder eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingebracht werden.

Über Ersuchen der Verwaltungsgerichte oder der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts kann der Europäische Gerichtshof (EuGH) in sogenannten „Vorabentscheidungsverfahren“ darlegen, wie die EU-Vergaberichtlinien anzuwenden und auszulegen sind. Diese Urteile sind für die nationalen Gerichte verbindlich.

Vergabekontrolle auf Bundesebene durch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG)

Ist der Auftraggeber eine Bundesdienststelle (z.B. Bundesministerium, Gericht, Parlament), dann ist das Bundesverwaltungsgericht als Rechtsschutzinstanz zuständig. Das gilt auch für die Gesellschaften des Bundes (z.B. BBG, BRZ, BIG, ASFINAG, ÖBB) und für Körperschaften, die einer Bundeskontrolle unterliegen (z.B. Krankenkassen, Universitäten, Kammern).

Vergabekontrolle auf Landes- und Gemeindeebene durch die Landesverwaltungsgerichte (LVwG)

Ist der Auftraggeber ein Land oder eine Gemeinde, ist das jeweilige Landesverwaltungsgericht zuständig. Die LVwG überprüfen auch die Vergabeverfahren von Gesellschaften (z.B. Marketing GmbH), die z.B. durch Eigentumsanteile oder Aufsichtsrechte im Einflussbereich der Länder und Gemeinden stehen.

Es gibt ein österreichweites, einheitliches materielles Vergaberecht. Dies gilt aber nicht für den Rechtsschutz, der weiterhin zersplittert ist. So existieren zehn unterschiedliche Rechtsschutzgesetze.

Grundsätzlich wird sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene zwischen dem Nachprüfungsverfahren (vor der Zuschlagserteilung) und dem Feststellungs­verfahren (nach Beendigung des Vergabeverfahrens) unterschieden. Dann besteht noch ein zivilrechtliches Schadenersatzverfahren vor den ordentlichen Gerichten.

Im Weiteren werden nur die entsprechenden Verfahren auf Bundesebene kurz skizziert.

Nachprüfungsverfahren

Im Nachprüfungsverfahren können bestimmte „gesondert anfechtbare“ Entscheidungen des Auftraggebers kontrolliert und aufgehoben werden. Ein Unternehmer kann nur innerhalb der für die jeweilige gesondert anfechtbare Entscheidung vorgesehenen Frist die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern

  1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
  2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. 
Achtung

Dem Antrag auf Nachprüfung kommt keine aufschiebende Wirkung für das betreffende Vergabeverfahren zu.

Wichtig:
Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung sind nur innerhalb bestimmter Fristen zulässig, danach hat der Bieter/Bewerber keine Möglichkeit mehr, die behaupteten (oder tatsächlichen) Fehler des Auftraggebers überprüfen zu lassen. Durch diese Präklusionsregelung sollen Vergabeverfahren innerhalb eines absehbaren Zeitrahmens durchgeführt werden und damit Rechtssicherheit geschaffen werden. 

Ein Antrag auf Nachprüfung hat jedenfalls zu enthalten:

  1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung,
  2. die genaue Bezeichnung des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
  3. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes einschließlich des Interesses am Vertragsabschluss, insbesondere bei Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung die Bezeichnung des für den Zuschlag in Aussicht genommenen Bieters,
  4. Angaben über den behaupteten drohenden oder bereits eingetretenen Schaden für den Antragsteller,
  5. die Bezeichnung der Rechte, in denen sich der Antragsteller als verletzt erachtet (Beschwerdepunkte) sowie die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
  6. einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung, und
  7. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

Achtung:

Der Antrag ist jedenfalls in folgenden Fällen unzulässig, wenn

  1. er sich nicht gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung richtet,
  2. er nicht innerhalb der im BVergG genannten Fristen gestellt wird, oder
  3. er trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.

Enthält die Ausschreibung eine unrichtige Angabe über die zuständige Vergabekontrollbehörde, ist der Antrag auch dann innerhalb der im BVergG genannten Frist gestellt, wenn er bei der in der Ausschreibung angegebenen Vergabekontrollbehörde eingebracht wurde. Enthält die Ausschreibung keine Angabe über die zuständige Vergabekontrollbehörde, ist der Antrag auch dann innerhalb der im BVergG genannten Fristen gestellt, wenn er bei einer nicht offenkundig unzuständigen Vergabekontrollbehörde eingebracht wurde. 

Bekanntmachung der Verfahrenseinleitung und einer Verhandlung

Der Eingang eines Nachprüfungsantrages ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich im Internet bekannt zu machen. Die Bekanntmachung hat jedenfalls zu enthalten:

  1. die Bezeichnung des Auftraggebers und gegebenenfalls die Bezeichnung der vergebenden Stelle sowie die Bezeichnung des betroffenen Vergabeverfahrens entsprechend den Angaben im Nachprüfungsantrag
  2. die Bezeichnung der bekämpften gesondert anfechtbaren Entscheidung und
  3. den Hinweis auf die Präklusionsfolgen.

Der im Nachprüfungsantrag bezeichnete Auftraggeber und gegebenenfalls die vergebende Stelle ist vom Vorsitzenden des Senates unverzüglich vom Eingang des Nachprüfungsantrages zu verständigen.

Im Falle der Bekämpfung einer Zuschlagsentscheidung ist der für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieter jedenfalls vom Vorsitzenden des Senates unverzüglich vom Eingang des Nachprüfungsantrages zu verständigen. 

Achtung

In Nachprüfungsverfahren ist zudem auch die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung im Internet kundzumachen.

In Nachprüfungsverfahren betreffend die Überprüfung einer Zuschlagsentscheidung ist der für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieter von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu verständigen.

Entscheidungsfrist

Über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers ist unverzüglich, spätestens 6 Wochen nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

Einstweilige Verfügungen

Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:

  1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
  2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der Voraussetzungen zur Stellung eines Nachprüfungsantrages,
  3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,
  4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,
  5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und
  6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den betroffenen Auftraggeber vom Einlangen eines Antrages auf einstweilige Verfügung, mit dem die Untersagung der Erteilung des Zuschlages, die Untersagung des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung, die Untersagung der Erklärung des Widerrufs oder die Unterlassung der Angebotsöffnung begehrt wird, unverzüglich zu verständigen.

Anträgen auf einstweilige Verfügung, die die Untersagung der Erteilung des Zuschlages, die Untersagung des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung, die Untersagung der Erklärung des Widerrufs oder die Unterlassung der Angebotsöffnung begehren, kommt ab Zugang der Verständigung vom Einlangen des Antrages bis zur Entscheidung über den Antrag aufschiebende Wirkung zu.

Der Auftraggeber bzw. die vergebende Stelle darf bis zur Entscheidung über den Antrag

  1. den Zuschlag nicht erteilen oder die Rahmenvereinbarung nicht abschließen, bzw.
  2. das Vergabeverfahren nicht widerrufen, bzw.
  3. die Angebote nicht öffnen.

Entscheidungsfrist

Über Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen ist unverzüglich, längstens jedoch binnen zehn Tagen nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

Feststellungsverfahren

Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungs­bereich des BVergG unterliegenden Vertrages hatte, kann, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, die Feststellung beantragen, dass

  1. der Zuschlag wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde, oder
  2. die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war, oder
  3. die Zuschlagserteilung ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war, oder
  4. der Zuschlag bei der Vergabe einer Leistung auf Grund einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems wegen eines Verstoßes gegen entsprechende Vorgaben im BVergG rechtswidrig war, oder
  5. die Erklärung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war. 

Beachte:
Ein Bieter, der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages hatte und dem durch das Vorgehen des Auftraggebers ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, kann die Feststellung beantragen, dass der Auftraggeber nach erheblicher Überschreitung der Zuschlagsfrist und entgegen dem Ersuchen des Bieters um Fortführung des Verfahrens ein Verfahren weder durch eine Widerrufserklärung oder Zuschlagserteilung beendet noch das Verfahren in angemessener Weise fortgeführt hat.

Ein Antrag auf Feststellung hat jedenfalls zu enthalten:

  1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens,
  2. die genaue Bezeichnung des Auftraggebers oder der vergebenden Stelle und des Antragstellers einschließlich deren elektronischer Adresse,
  3. soweit dies zumutbar ist, die genaue Bezeichnung des allfälligen Zuschlagsempfängers,
  4. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes einschließlich des Interesses am Vertragsabschluss,
  5. Angaben über den behaupteten drohenden oder bereits eingetretenen Schaden für den Antragsteller,
  6. die Bezeichnung der Rechte, in denen der Antragsteller verletzt zu sein behauptet und die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
  7. ein bestimmtes Begehren, und
  8. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

Fristen

Anträge sind binnen sechs Monaten ab dem Zeitpunkt einzubringen, in dem der Antragsteller vom Zuschlag bzw. vom Widerruf Kenntnis erlangt hat oder Kenntnis erlangen hätte können.

Über Anträge auf Feststellung ist vom zuständigen Verwaltungsgericht unverzüglich, spätestens sechs Wochen nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

Gebühren

Für Nachprüfungsanträge, Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und Feststellungsanträge hat der Antragsteller jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten, deren Höhe etwa vom gewählten Vergabeverfahren bzw. dem jeweiligen Schwellenwert abhängt.

Der vor dem Bundesverwaltungsgericht wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller hat Anspruch auf Ersatz seiner entrichteten Gebühren durch den Auftraggeber. Der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz seiner entrichteten Gebühren, wenn er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird.

Schadenersatzansprüche

Bei hinreichend qualifiziertem Verstoß gegen dieses Bundesgesetz oder die auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen durch Organe des Auftraggebers oder einer vergebenden Stelle hat ein übergangener Bewerber oder Bieter gegen den Auftraggeber, dem das Verhalten der Organe zuzurechnen ist, Anspruch auf Ersatz der Kosten der Angebotsstellung und der Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren.

Hinweis
Kein Anspruch besteht, wenn nach Zuschlagserteilung oder nach Erklärung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens vom jeweils zuständigen Verwaltungsgericht festgestellt worden ist, dass der übergangene Bewerber oder Bieter auch bei Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der hiezu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte oder wenn der Geschädigte den Schaden durch Beantragung einer einstweiligen Verfügung sowie durch Stellen eines Nachprüfungsantrages hätte abwenden können.

Zuständig zur Entscheidung über schadenersatzrechtliche Ansprüche sind grundsätzlich nicht die Verwaltungsgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte.

Stand: 19.05.2025

Weitere interessante Artikel
  • Mehrere bunte Post-its aufeinandergelegt mit Fragezeichen auf gelbem Hintergrund
    Grundsätze, Form und Inhalt von Angeboten - FAQs
    Weiterlesen
  • Mehrere Personen um Tisch sitzend: Fokus auf einer Person, die spricht und auf Tastatur neben ihr vor aufgeklapptem Laptop und Hände auf Tastatur sitzender weiterer Person tippt
    Direkt­­ver­gabe und Ver­handlungs­­­ver­­­fahren - FAQs
    Weiterlesen
  • Rufzeichen und Fragezeichen in einer weißen Sprechblase vor einem dunkelblauen Hintergrund
    Vergaberecht warum? Die wichtigsten Rechtsgrundsätze - FAQs
    Weiterlesen