Flagge der Europäischen Union im Wind wehend, im Hintergrund blauer Himmel
© rustamank | stock.adobe.com

Der innergemeinschaftliche Erwerb

Regeln für die Versteuerung von Wareneinkäufen / Importen aus anderen EU-Ländern

Lesedauer: 6 Minuten

Wareneinkauf aus der EU

Von einem innergemeinschaftlichen Erwerb spricht man, wenn ein Unternehmen Ware von einem anderen Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erwirbt. Unter bestimmten in weiterer Folge behandelten Umstände ist diese Lieferung steuerfrei und vom Erwerber zu besteuern.

Sonderregelung für Schwellenerwerber

Bei nachstehenden Unternehmern liegt kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor, wenn die Erwerbsschwelle von 11.000 Euro nicht überschritten wird:  

  • Unternehmer, die nur unecht steuerbefreite Umsätze ausführen,
  • pauschalierte Land- und Forstwirte,
  • juristische Personen, die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben. 

Wurde einem der vorgenannten Schwellenerwerber wegen meldepflichtiger sonstiger Leistungen eine UID erteilt, hat er trotz UID keine innergemeinschaftlichen Erwerbe zu versteuern, solange seine Erwerbe die Erwerbsschwelle nicht überschritten haben oder er auf die Erwerbsschwelle nicht verzichtet hat. Verwendet ein Schwellenerwerber seine UID, bei seinem Lieferer in einem anderen Mitgliedstaat, um steuerfrei Waren einkaufen zu können, so ist dies der Verzicht auf die Erwerbsschwelle.

Ausländische Lieferer, die unter die Regelung für innergemeinschaftlichen Versandhandel fallen, müssen sich in Österreich steuerlich erfassen lassen. Alternativ können die Umsätze ab 1.7.2021 – bei Vorliegen der Voraussetzungen – über den EU-OSS abgerechnet werden.

Handelt es sich beim Lieferer um einen ausländischen Unternehmer der innergemeinschaftliche Versandhandelsumsätze an die genannten Schwellenerwerber tätigt, so haben sie die auf die Lieferung entfallende Umsatzsteuer einzubehalten und an das für den Lieferer zuständige Finanzamt (Dienststelle Graz-Stadt) in dessen Namen abzuführen.

Alle weiteren Regelungen für Kleinunternehmer finden Sie auf der Infoseite Versandhandel.

Der innergemeinschaftliche Erwerb – B2B

Warenlieferungen innerhalb der EU erfolgen ohne Grenzformalitäten. An die Stelle der Einfuhrumsatzsteuer, wie bei Lieferungen aus Staaten außerhalb der EU, tritt die Besteuerung des innergemeinschaftlichen (ig) Erwerbes. Diese Umsatzsteuer auf den Erwerb (kurz Erwerbsteuer) ist im Unternehmen zu berechnen und kann, wenn der Wareneinkauf für das Unternehmen erfolgt, als Vorsteuer abgezogen werden.

Aus steuerlicher Sicht sind bei der Abwicklung von Handelsgeschäften innerhalb der EU neben den Bestimmungen zur Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) auch für verbrauchsteuerpflichtige Produkte (zum Beispiel: Alkohol, Bier, Wein, Schaumwein, Tabak, Mineralöl) die Verbrauchsteuerregelungen zu beachten. 

Bedenken Sie bitte, dass seit dem Ende der Übergangsphase, d.h. seit dem 1.1.2021 das Vereinigte Königreich wie ein Drittland zu behandeln ist.

Voraussetzungen für den innergemeinschaftlichen Erwerb

Ein ig Erwerb gegen Entgelt liegt vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die Ware gelangt von einem Mitgliedstaat in den anderen.
  • Der Erwerber ist entweder ein Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt oder eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder nicht für ihr Unternehmen erwirbt.
  • Der Lieferer ist Unternehmer. Er liefert gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens und ist nicht als Kleinunternehmer umsatzsteuerbefreit. 

Durch die Verschärfung der Nachweisführung der innergemeinschaftlichen Lieferung kann es auch für den Erwerber zu einem erhöhten Aufwand kommen, um den Lieferer in die Lage zu versetzen, den Liefernachweis vollständig zu führen. Der Umfang ist von der Umsetzung  der VO im jeweiligen Lieferland abhängig.

Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbes

Wenn alle diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Unternehmer in dem Gebiet des Mitgliedstaates, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet, einen ig Erwerb zu besteuern.

Ausnahme: Der Erwerber verwendet die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID-Nummer) eines anderen Mitgliedstaates. In diesem Fall gilt der Erwerb so lange auch im Gebiet dieses Mitgliedsstaates bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb im Bestimmungsland besteuert worden ist (siehe Beispiel 1).

Entstehen der Steuerschuld beim innergemeinschaftlichen Erwerb

Die Steuerschuld entsteht mit Rechnungsausstellung, spätestens aber am 15. Tag des am Erwerb folgenden Kalendermonats. Steuerschuldner ist der Erwerber im Bestimmungsland. Als Steuersätze kommen bei einem ig Erwerb in Österreich dieselben Prozentsätze zur Anwendung wie bei der Umsatzsteuer im Inland, nämlich 20 %, 13 % oder 10 %. Dies als Ausgleich für die im Inland bestehende Besteuerung. 

Vorsteuerabzug beim innergemeinschaftlichen Erwerb

Der Erwerber kann die Erwerbsteuer als Vorsteuer abziehen, wenn er den Gegenstand für sein Unternehmen bezogen hat und die übrigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gegeben sind.

Achtung: Eine Rechnung mit USt-Ausweis ist für den Vorsteuerabzug nicht erforderlich!

Das Recht zum Vorsteuerabzug ist in demselben Zeitpunkt gegeben, in dem die Erwerbsteuerschuld entsteht. Der Unternehmer kann somit den Vorsteuerabzug in derselben Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Umsatzsteuererklärung geltend machen, in der er den ig Erwerb besteuert.

Hinweis: Ein Unternehmer, der zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist, wird somit mit der Erwerbsteuer nicht belastet. Lediglich bei Unternehmern, die ganz oder teilweise vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind und bei juristischen Personen im nicht unternehmerischen Bereich, wird der nicht abziehbare Teil der Erwerbsteuer zum Kostenfaktor.

Beispiel eines innergemeinschaftlichen Erwerbes


Beispiel 1:
Ein Maschinenhändler in Ungarn liefert einem Tischlereibetrieb in Linz eine Holzbearbeitungsmaschine. Der ungarische Unternehmer befördert die Maschine mit seinem Firmen-Lkw nach Linz, wo sie am 15. März eintrifft. Die Rechnung wird am 20. März ausgestellt und lautet über 10.000 Euro. Beide Unternehmer treten unter ihrer UID-Nummer auf.

Lösung:
Die Lieferung des ungarischen Maschinenhändlers ist zwar in Ungarn steuerbar, aber als ig Lieferung unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei, sodass die Rechnung ohne USt ausgestellt wird. Der österreichische Tischler hat einen ig Erwerb zu besteuern. Bemessungsgrundlage ist das Entgelt von 10.000 Euro der Steuersatz beträgt 20 %, somit ergibt die Erwerbsteuer 2.000 Euro die für den Voranmeldungszeitraum März zu erfassen ist. Dieser Betrag kann im gleichen Voranmeldungszeitraum als Vorsteuer abgezogen werden.


Würde der österreichische Unternehmer den Auftrag an den ungarischen Maschinenhändler unter der UID-Nummer seiner italienischen Betriebsstätte erteilen, würde trotzdem in Österreich die Erwerbsteuer anfallen, weil hier die Lieferung endet. Wegen der Verwendung der italienischen UID-Nummer gilt der Erwerb auch in Italien als bewirkt, und zwar so lange, als der österreichische Unternehmer gegenüber der italienischen Steuerbehörde nachweist, dass der Erwerb in Österreich besteuert wurde. 

Das innergemeinschaftliche Verbringen

Die Vorrausetzungen für ein innergemeinschaftliches Verbringen sind:

Der Unternehmer

  • verbringt Waren
  • zu seiner eigenen Verfügung
  • von einem Mitgliedstaat zum anderen und
  • es liegt keine vorübergehende Verwendung vor.

Das ig Verbringen ist in dem Mitgliedstaat, aus dem die Waren kommen, eine ig Lieferung und im Bestimmungsland ein ig Erwerb.


Beispiel 2:
Der slowakische Unternehmer S verbringt Gegenstände aus seiner Produktion in der Slowakei in sein Auslieferungslager in Österreich.

Lösung:
Die Versendung in das Auslieferungslager stellt ein ig Verbringen dar. S hat für diese Verbringung in Österreich die Erwerbsbesteuerung durchzuführen.


Der Unternehmer hat im Bestimmungsland Erwerbsteuer zu berechnen und gleichzeitig den Vorsteuerabzug. Ausländische Unternehmer haben sich für diesen Zweck in Österreich umsatzsteuerlich registrieren zu lassen und benötigen eine inländische UID-Nummer.

Hinweis: Details zum ig Verbringen, zur vorübergehenden Verwendung sowie zum Sonderfall des Konsignationslagers (darunter ist ein Lager eines Lieferanten, welches beim Abnehmer eingerichtet ist und aus dem dieser bei Bedarf Waren entnimmt, zu verstehen) finden Sie auf unseren Infoseiten: ig Lieferungen bzw. Konsignationslager in einem anderen Mitgliedsstaat der EU.


Umsatzsteuervoranmeldung (UVA)

In der UVA ist der ig Erwerb (und das ig Verbringen im Bestimmungsland) unter der Kennziffer 070 und je nach Steuersatz unter den Kennziffern 072, 073, 088 oder 008 zu erfassen. Sofern der Vorsteuerabzug gegeben ist, ist die Vorsteuer unter der Kennziffer 065 gleichzeitig als Vorsteuer aus dem ig Erwerb abzuziehen.

072ig Erwerb – 20 %
073ig Erwerb – 10 %
008ig Erwerb – 13 %
088ig Erwerb in den Gemeinden Jungholz und Mittelberg 19 %

Die Abgabe der UVA hat grundsätzlich elektronisch mittels FinanzOnline zu erfolgen. Eine schriftliche Einreichung der UVA ist nur zulässig, wenn Sie keinen Internetanschluss haben oder der Vorjahresumsatz nicht höher als 35.000 Euro war. Dann können Sie den amtlichen Vordruck (Formular U30) oder eine inhaltsgleiche selbsterstellte Formularversion verwenden.

Details finden Sie auf der Infoseite zur Umsatzsteuervoranmeldung (UVA).

Stand: 01.02.2024

Weitere interessante Artikel
  • Person mit Brille sitzt an einem Schreibtisch mit Kartonagen, Schuhen sowie einem Laptop und blickt dabei auf ein Smartphone, im Hintergrund stapeln sich verschiedene Kartonagen
    Muster: Innergemeinschaftliche Lieferung – Erklärung über den Empfang von Waren
    Weiterlesen
  • Zwei Personen mit Schürzen sitzen an Tisch in einem Lokal und sichten Rechnungen
    Dienstleistungen an ausländische Privatkunden – B2C-Leistungen
    Weiterlesen