SANDVIK-Mitarbeiter bei der Arbeit, mit Feuer
© dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss

„Für Unternehmen wird viel zu wenig gemacht“

Der Ökonom Christoph Schneider über den guten Leistungsindex Öster­reichs – und die damit verbundenen Gefahren.

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Aktualisiert am 25.04.2024

„Andere holen auf, Österreich ist in die Gegenrichtung unterwegs.“ Die Schlussfolgerungen, die Ökonom Christoph Schneider aus der jüngsten Standortanalyse zieht, sind ernüchternd. Schneider, Geschäftsführer des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung, hat zusammen mit seinem Team für einen europäischen Leistungsindex Daten aus 18 europäischen Ländern verglichen. 36 wirtschaftsrelevante Einzelindikatoren wurden in zwei Bewertungskategorien zusammengefasst: Anreize und Rahmenbedingungen, die leistungsfördernd wirken, beziehungsweise tatsächlich umgesetzte Leistungen. 

Das Ergebnis? Heiter bis wolkig. So rangiert Österreich bei den Realisierungen europaweit am sonnigen zweiten Platz. Bei den Anreizen reicht es aber nur für den trüben siebten Platz. „Das zeigt den dringenden Handlungsbedarf für den Standort“, schlussfolgert Schneider. Man dürfe sich jedenfalls nicht auf den Lorbeeren des fünften Gesamtrangs (siehe Grafik rechts oben) ausruhen, sieht er weitere Wolken am Horizont aufziehen. So ist Öster­reich nicht erst seit der Corona-Pandemie in keiner optimalen Lage, sondern habe sich schon seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr kompetitiv entwickelt, analysiert der Wirtschaftsforscher. 

Wohlstandsbremsen

Sowohl Wohlstand und Wertschöpfung als auch Produktivität  seien durch ordnungspolitische Maßnahmen kontinuierlich eingebremst worden, zielt Schneider auf die anhaltend überdurchschnittlich hohen Lohnnebenkosten ab. Ein Missstand, der durch eine OECD-Untersuchung gestützt wird, in der Österreich unter den EU-Mitgliedern als Land mit der fünfthöchsten Abgabenlast für den Faktor Arbeit aufscheint: 47,9 Prozent (bei ganzjähriger Vollzeitbeschäftigung). Nur in vier Industrieländern sind die Nettolöhne in Relation zu den Arbeitskosten niedriger. Noch mehr an Steuern und Abgaben abgezogen wird nur in Belgien (52,2 Prozent), Deutschland (49,4 Prozent) und Italien (48,0). Aus diesem Grund fordert WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk auch eine rigorose Entlastung des Faktors Arbeit.

„Es bräuchte ein Ampelsystem, das staatliche Maßnahmen auf ihre Standortverträglichkeit hin prüft.“


Zwar wurde der Eingangssteuersatz der Lohn- und Einkommensteuer zuletzt rückwirkend für das Gesamtjahr von 25 auf 20 Prozent gesenkt. Trotz dieser Senkung bleibt die Belastung des Faktors Arbeit aber fast unverändert hoch, hat die Denkfabrik Agenda Austria erhoben. Nur in drei europäischen Ländern ist sie demnach höher als im Hochsteuerland Österreich. So bleibt den Arbeitnehmern nur in Belgien, Deutschland und Frankreich noch weniger von den Arbeitskosten als in Österreich.„Statt den finanziellen und verwaltungstechnischen Aufwand abzubauen, hat die steuerliche Belastung der Unternehmen in den vergangenen 25 Jahren beständig zugenommen“, kritisiert Schneider. Ein Negativtrend, der gestoppt gehöre. Schneider schwebt eine Senkung um zumindest zehn Prozent vor, um entsprechende Anreize für Unternehmer und Arbeitnehmer zu schaffen.

Als Gegenentwurf schwebt ihm zudem eine Ampellösung für staatliche Maßnahmen vor, bei der neue Vorschriften auf ihre wirkungsorientierte Standortverträglichkeit geprüft werden. Der Gradmesser: „Bringt uns die Regulatorik weiter oder bremst sie die Investitions- und Leistungsbereitschaft?“ (Schneider). Zudem müsse in Bildung investiert werden. „Unser veraltetes Schulsystem hemmt die Kreativität und bringt als Ergebnis schlechtes Humankapital.“ Auch in Sachen Digitalisierung und Kapitalmarktausstattung hinke man hinter der Konkurrenz her. Umso erstaunlicher sei der im internationalen Vergleich noch immer relativ gute Leistungsindex. Dieser Wert werde in naher Zukunft aber sinken, prognostiziert er. Österreich habe sich in guten Zeiten zu sehr an alte Devisen geklammert und sich nicht auf krisenhafte Phasen vorbereitet. Die Rechnung dafür bekomme man zeitverzögert serviert. „Wir sind in der Gruppe von Ländern, die sich verschlechtern“, warnt Schneider. Unter dem aktuellen Druck von Konjunkturflaute, Klimawandel und demografischer Überalterung sei ein Kurswechsel jedoch „doppelt schwierig“.


„Gasthaus-System“

Stattdessen ortet der Volkswirt in Österreich ein „Gasthaus-System“, bei dem Bestellungen nach Förderungen lautstark in den Raum gerufen werden, die Politik eilfertig serviert – und auf Trinkgeld in Form von Wählerstimmen bei der nächsten Wahl hoffe. Dass sich auch Unternehmen bisweilen an diesem Modell beteiligen und beim Staat auf Investitionsprämien, Energiepreisbremsen & Co. drängen, dafür hat Schneider Verständnis: „Sie sind verzweifelt, weil viel zu wenig für sie gemacht wird und stattdessen ein System geschaffen wird, das zu zusätzlichen Kosten führt, in dem aber die Belastungen nicht gesenkt werden.“