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Maßnahmen gegen die Preisexplosion auf dem Energiemarkt

Großhandelspreise bei Strom haben sich verdoppelt, jene bei Gas mehr als vervierfacht: Ein Maßnahmenpaket der WKO Steiermark fordert  u.a. die rückwirkende Deckelung der Steuern und Abgaben mit 1. Jänner 2022 sowie eine bundesweite Angleichung der Netzentgelte.

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Aktualisiert am 13.03.2023

Innerhalb nur eines Jahres haben sich die Großhandelspreise für Strom verdoppelt, für Gas sogar mehr als vervierfacht. „Eine Preisexplosion, die sowohl die Industrie, als auch immer mehr Klein- und Mittelbetriebe, aber auch Haushaltskunden massiv trifft“, betont WKO-Steiermark-Vizepräsident Herbert Ritter. Aus diesem Grund hat er mit den Experten des Instituts- für Wirtschafts- und Standortentwicklung ein Maßnahmenpaket geschnürt. Kern dessen ist eine rückwirkende Deckelung der Steuern und Abgaben mit 1. Jänner 2022 sowie eine bundesweite Angleichung der Netzentgelte. „Hier ist der Wirtschaftsstandort Steiermark seit jeher benachteiligt“, so Ritter, der darüber hinaus auch eine umfassende nachhaltige Energie-Gesamtstrategie fordert.   

 

Neben der Coronapandemie ist die Entwicklung der Energiepreise in den vergangenen Monaten zu einem der bestimmenden Themen für die heimische Wirtschaft geworden. Denn ein derart massiver Preisanstieg bei den maßgeblichen Energieträgern, allen voran Erdgas und Strom, sucht in der jüngeren europäischen Geschichte seines Gleichen. Anfang 2021 schwankte der Erdgaspreis noch auf einem vergleichbar niedrigen Preisniveau zwischen 20 und 40 €/MWh, ein paar Monate später lag der Großhandelspreis bei bis zu 170 €/MWh – im Jahresschnitt war eine Vervierfachung zu beobachten. Die weitere Entwicklung lässt sich aktuell schwer abschätzen, nicht zuletzt aufgrund politischer Konflikte wie der Ukraine-Krise. Für die Entwicklung des Strompreises gilt – in abgeschwächter Form – ähnliches. Hier stieg der Preis im vergangenen Jahr für eine MWh Strom im Großhandel innerhalb eines Jahres von ca. 70 € auf zeitweise über 300 €.



83 Prozent sehen Energiepreisentwicklung „höchst problematisch“


Die Preisentwicklung auf dem Energiemarkt hat mittlerweile nicht nur mehr Auswirkungen auf die (energieintensive) Industrie, sondern ist zunehmend zu einem gesamtwirtschaftlichen Problem für den Standort geworden. Das belegt eine aktuelle Umfrage des Energieinstituts der Wirtschaft (EIW) im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich, bei der knapp 1.000 Betriebe quer durch alle Branchen und Regionen befragt wurden. Demnach sehen 83% den Anstieg der Energiekosten als problematisch oder sogar sehr problematisch – insbesondere auch, weil sie die Preissteigerungen nicht an ihre Kunden weitergeben werden können. Jeder zweite Betrieb verzeichnet im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021 Kostensteigerungen bei Gas, bei rund 9% der Betriebe haben sich die Gas-Kosten sogar zumindest verdoppelt. Für die Versorgung mit Strom geben 72% Kostensteigerungen an, bei 22% kam es zur Verdoppelung oder einem noch größeren Anstieg.



Was das in den verschiedenen Branchen heißt, zeigen folgende Fallbeispiele:


  • Die Bäckerei Teschl aus Heiligenkreuz am Waasen rechnet in diesem Jahr mit Mehrkosten für Öl und Strom von knapp 140.000 Euro. Mehrkosten, die über den Lebenshandel bzw. über die Kunden nur schwer umsetzbar sind. Als klassischer Mittelständler unter den steirischen Bäckereien verarbeitet man rund 300 Tonnen Mehl pro Monat.
  • Bei Präzisionstechnik Fuchshofer in Wies mit rund 110 Mitarbeitern kämpft man durch die Preissteigerungen am Energiemarkt und durch die Inflation mit Mehrkosten von bis zu zehn Prozent am Maschinenstundensatz. Dies den mehr als 230 langfristigen Kunden zu erläutern, gleicht einem ressourcentechnischen Kraftakt, unterm Strich handelt es sich nämlich um knapp 700.000 Euro Strom-Mehrkosten pro Jahr. Als Gegenmaßnahme wird aktuell die Photovoltaik mit 350 kWp ausgebaut. 
  • Beim CargoCenter sind die Krankosten am Terminalbetrieb durch die galoppierenden Strompreise um 500.000 Euro gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Dadurch müssten die Container-Hubkosten eigentlich um 15 Prozent angehoben werden, was laut Geschäftsführer Christian Steindl eine enorme Zusatzbelastung für den heimischen Standort wäre.
  • Im Tourismus häufen sich ebenfalls die Anfragen. In Hotels mit energieintensiven Wellnessbereichen kämpft man in den Jahresabrechnungen aktuell mit Strom-Mehrkosten im sechsstelligen Bereich. Im Hotel Kornock auf Turracher Höhe hat man deshalb die Nahwärme ausgebaut und konnte den Löwenanteil der Preissteigerung dadurch abfangen. „Hier zeigt sich, wie wichtig der Ausbau der erneuerbaren Energie im direkten Umfeld ist“, so Ritter.   

 

Die Preisentwicklung hat bei sehr vielen Betrieben bereits negative Auswirkungen auf ihr Investitionsverhalten. Laut Umfrage schraubt bereits rund ein Drittel der Betriebe Investitionen im Bereich der Dekarbonisierung aufgrund der galoppierenden Energiepreise zurück. „Die hohen Energiepreise sind somit auch höchst kontraproduktiv für den Klimaschutz und die Energiewende, weil sich die Betriebe in dieser Situation die Maßnahmen schlichtweg nicht leisten können“, warnt Ritter. Darüber hinaus kommt es in vielen Fällen zu einer Produktionsbeschränkung, da die gestiegenen Produktionskosten oftmals nicht an den Kunden weitergegeben werden können. 



Maßnahmenpaket der WKO Steiermark gegen die Preisexplosion  

  1. Die Abgaben und Steuern auf Strom und Gas müssen rasch gesenkt werden. „Der größte Profiteur der Preisexplosion ist der Staat, da knapp 40 Prozent des Strom-Gesamtpreises auf Steuern und Abgaben entfallen“, so Ritter. Die WKO Steiermark fordert darum eine rückwirkende Deckelung der Umsatzsteuer auf Erdgas und Strom mit 1. Jänner 2022 sowie eine Aussetzung oder spürbare Senkung der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe.

  2. Senkung der Netzkosten auf allen wirtschaftsrelevanten Netzebenen:Die Netzentgelte machen über 25 Prozent der Gesamtkosten auf einer österreichischen Stromabrechnung aus. Gerade in der Steiermark besteht auf allen wirtschaftsrelevanten Netzebenen noch sehr viel Spielraum verglichen mit den günstigsten österreichischen Netzbereichen. „Hier fordern wir eine Angleichung an den bundesweiten Schnitt. Es kann nicht sein, dass die Steiermark hier seit vielen Jahren benachteiligt ist“, so Ritter. Eine aktuelle Analyse hat ergeben, dass die Netztarife 2021 in der Steiermark um 8 bis 26 Prozent in den Netzebenen vier bis sieben über dem österreichischen Durchschnitt liegen. Im Vergleich zum jeweils günstigsten Netztarif beträgt die steirische Abweichung, je nach Netzeben, zwischen 41 und 80 Prozent. Mehrkosten, die nicht zuletzt der steirischen Zersiedelung geschuldet sind.
  3. Strompreiskompensation und Erhöhung der Energieabgabenvergütung: Im europäischen Vergleich nutzt Österreich das EU-Beihilfenrecht nicht komplett aus. Die EU-ETS-Richtlinie würde zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Beihilfen für bestimmte, besonders energieintensive Sektoren, erlauben. Darüber hinaus sollte es zu einer Erhöhung der Energieabgabenvergütung kommen. 

Was mittel- bis langfristig getan werden sollte:

 

  • Vermeidung zusätzlicher regulatorischer und finanzieller Belastungen für energieintensive Betriebe auf nationaler Ebene.
  • Technologieoffenheit statt Technologieverbote, insbesondere betreffend fossiles Gas als Brückentechnologie, zur Absicherung der Grundlast und als Back-Up, solange keine entsprechenden Alternativtechnologien in ausreichendem Ausmaß vorhanden sind bzw. mit erneuerbaren Energien ersetzt werden könne.

  • Absicherung der Versorgungssicherheit und Verhinderung einer „Strom-Lücke“ durch raschen und kosteneffizienten Ausbau erneuerbarer Strom- und Wärmeerzeugung, insbesondere durch im Land vorhandene Rohstoffe.

  • Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien und Energie-Infrastruktur

  • Mehr Investitionen in erneuerbare Energien, Gebäuderenovierungen und Energieeffizienz durch gezieltere Förderung stimulieren.

  • Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit durch entlastende Maßnahmen für vom steigenden Energie- und Zertifikatspreis besonders betroffene Unternehmen.

  • Ausarbeitung einer umfassenden und nachhaltigen Energie-Gesamtstrategie für Österreich, die sowohl Effizienzmaßnahmen, als auch den Ausbau von Erzeugungs- und Infrastrukturkapazitäten berücksichtigt.