Anwaltspflicht
Wann muss man einen Rechtsanwalt beiziehen?
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Absolute Anwaltspflicht im Zivilverfahren
In folgenden Verfahren vor einem Zivilgericht muss jede Prozesspartei durch einen Rechtsanwalt vertreten sein:
- Verfahren vor den Bezirksgerichten mit einem Streitwert von mehr als 5.000 EUR, sofern keine sogenannte Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte (z.B. Mietrechtsangelegenheiten, Besitzstörung) vorliegt.
- Verfahren vor allen höheren Gerichten (Landes- und Oberlandesgerichte, Oberster Gerichtshof)
Persönliche Ausnahmen von der absoluten Anwaltspflicht
bestehen
- für Rechtsanwälte, Notare, zur Ausübung des Richteramts befähigte Personen und Beamte der Finanzprokuratur, die die Rechtsanwaltsprüfung abgelegt haben, wenn sie in einem Rechtsstreit als Partei einschreiten;
- für die Kinder- und Jugendhilfeträger für Klagen und Verfahren erster Instanz über Feststellung der Vaterschaft und Unterhalt;
- für jene Rechtsträger, die von der Finanzprokuratur vertreten werden, das sind Gebietskörperschaften und staatsnahe Einrichtungen.
Relative Anwaltspflicht im Zivilverfahren
Bei relativer Anwaltspflicht müssen sich die Parteien zwar nicht vertreten lassen, wenn sich aber eine Partei vertreten lässt, dann muss sie durch einen Rechtsanwalt vertreten sein.
Relative Anwaltspflicht besteht in Verfahren, die in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fallen und deren Streitwert 5.000 EUR übersteigt, sofern am Ort des Gerichts wenigstens zwei Rechtsanwälte ihren Sitz haben.
Wenn keine absolute und auch keine relative Anwaltspflicht besteht, können die Parteien selbst vor Gericht handeln oder sich von jeder beliebigen anderen natürlichen Person vertreten lassen. Dies gilt z.B. für Verfahren vor den Bezirksgerichten mit einem Streitwert unter 5.000 EUR.
Verstoß gegen die Anwaltspflicht
Bildet keinen Nichtigkeitsgrund, sondern einen Verfahrensmangel. Schriftliche Prozesshandlungen sind zur Verbesserung zurückzustellen, in Tagsatzungen (das sind mündliche Verhandlungen vor Gericht) tritt Säumnis ein (dh es kann vom Richter ein Versäumungsurteil gefällt werden).
Anwaltspflicht im gerichtlichen Strafverfahren
Verdächtige, Beschuldigte oder Angeklagte können in allen Strafsachen die Hilfe eines Verteidigers in Anspruch nehmen. Dies ist auch schon während des Ermittlungsverfahrens möglich. In vielen Fällen ist die Vertretung durch einen Verteidiger Pflicht.
In folgenden Fällen benötigt der Beschuldigte (Angeklagte) zwingend einen Verteidiger (notwendige Verteidigung):
- in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht;
- mit wenigen Ausnahmen in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Einzelrichter, wenn für die Straftat eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist;
- wenn und solange sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet
- im Rechtsmittelverfahren auf Grund einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Berufung gegen ein Urteil des Schöffen- oder des Geschworenengerichts;
- im gesamten Verfahren zur Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum;
- in der Hauptverhandlung zur Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder für gefährliche Rückfalltäter;
- für einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens bis zur Entscheidung über diesen Antrag;
- in der kontradiktorischen Vernehmung in Fällen, in denen nur in der Hauptverhandlung eine notwendige Verteidigung besteht.
Für Jugendliche (zwischen 14 und 18 Jahren) bestehen weitere Fälle, die zu einer Anwaltspflicht führen.
Außer diesen Fällen ist im gerichtlichen Strafverfahren ein Rechtsanwalt nicht zwingend erforderlich.
Vertretung im Verwaltungsverfahren
Im Verwaltungs(straf-)verfahren besteht kein Anwaltszwang. Die Beteiligten können sich aber nach eigenem Ermessen von einem Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Behörde kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten verlangen oder dem Beteiligten in einigen Fällen auch die Bestellung eines Bevollmächtigten auftragen, der aber nicht Anwalt sein muss. Bei Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof muss die Rechtsmittelschrift von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.
Vertretung in Arbeits- und Sozialrechtssachen
In Arbeits- und Sozialrechtssachen ist in erster und zweiter Instanz die Vertretung durch qualifizierte Personen (Rechtsanwälte, Funktionäre und Arbeitnehmer gesetzlicher Interessenvertretungen oder freiwilliger kollektivvertragsfähiger Berufsvereinigungen, Arbeitnehmer, Prokuristen, Organmitglieder der Versicherungsträger, Bedienstete der Arbeitsämter) möglich. In erster Instanz darüber hinaus durch Arbeitnehmer, Prokuristen, Organmitglieder, Betriebsratsmitglieder oder andere geeignete Personen.
Verfahrenshilfe
Wer die Kosten eines Gerichtsverfahrens nicht ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes bezahlen kann, dem wird auf Antrag Verfahrenshilfe gewährt.
Stand: 03.11.2025