Anwaltspflicht - FAQs
Antworten auf die wichtigsten Fragen
Lesedauer: 2 Minuten
1. Was versteht man unter "Anwaltspflicht"?
In bestimmten Zivilrechtsstreitigkeiten (meist bei höheren Streitwerten und in Rechtsmittelverfahren) muss man sich in einem Gerichtsverfahren von einem Rechtsanwalt vertreten lassen. Ein Verstoß gegen die Anwaltspflicht bildet keinen Nichtigkeitsgrund, sondern einen Verfahrensmangel. Schriftliche Prozesshandlungen sind zur Verbesserung zurückzustellen, in Tagsatzungen (das sind mündliche Verhandlungen vor Gericht) tritt Säumnis ein (dh es kann vom Richter ein Versäumungsurteil gefällt werden).
2. Für welche Zivilrechtsstreitigkeiten herrscht absolute Anwaltspflicht?
Grundsätzlich gilt, dass sich eine Partei ab einem Streitwert von 5.000 EUR durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen muss, außer bei Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts (z.B. Mietrechtsangelgenheite, Besitzstörung) und bei Einsprüchen im bezirksgerichtlichen Mahnverfahren. Anwaltszwang besteht bei einem Streitwert über 5000 EUR sowie bei Verfahren vor allen höheren Gerichten (Landes- und Oberlandesgerichte, Oberster Gerichtshof).
3. Welche persönlichen Ausnahmen gibt es von der absoluten Anwaltspflicht?
Ausnahmen gibt es
- für Rechtsanwälte, Notare, zur Ausübung des Richteramts befähigte Personen und Beamte der Finanzprokuratur, die die Rechtsanwaltsprüfung abgelegt haben, wenn sie in einem Rechtsstreit als Partei einschreiten;
- für die Kinder- und Jugendhilfeträger für Klagen und Verfahren erster Instanz über Feststellung der Vaterschaft und Unterhalt;
- für jene Rechtsträger, die von der Finanzprokuratur vertreten werden, das sind Gebietskörperschaften und staatsnahe Einrichtungen.
4. Was ist die sog. „Relative Anwaltspflicht“ im Zivilverfahren?
Bei relativer Anwaltspflicht müssen sich die Parteien zwar nicht vertreten lassen, wenn sich aber eine Partei vertreten lässt, dann muss sie durch einen Rechtsanwalt vertreten sein.
Relative Anwaltspflicht besteht in Verfahren, die in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fallen und deren Streitwert 5.000 EUR übersteigt, sofern am Ort des Gerichts wenigstens zwei Rechtsanwälte ihren Sitz haben.
5. Was ist wenn keine Anwaltspflicht besteht?
Wenn keine absolute und auch keine relative Anwaltspflicht besteht, können die Parteien selbst vor Gericht handeln oder sich von jeder beliebigen anderen natürlichen Person vertreten lassen. Dies gilt z.B. für Verfahren vor den Bezirksgerichten mit einem Streitwert unter 5.000 EUR.
6. Kann man sich vor einem Strafgericht selbst verteidigen?
Im bezirksgerichtlichen Strafverfahren sowie im Einzelrichterverfahren am Landesgericht kann sich der Angeklagte selbst verteidigen, sofern nicht eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist. In Fällen, in denen die gesetzliche Strafdrohung drei Jahre übersteigt, im Schöffen- und Geschworenenprozess, ferner solange sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet, im Unterbringungsverfahren, im Rechtsmittelverfahren gegen ein Urteil des Schöffen- oder Geschworenengerichts sowie im Verfahren über einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens muss ein Verteidiger bestellt sein.
7. Braucht man im Verwaltungsstrafverfahren einen Rechtsanwalt?
Im Verwaltungs(straf)verfahren liegt es im Ermessen der Verfahrensbeteiligten, ob sie sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Behörde kann im Einzelfall anordnen, dass ein Vertreter zu bestellen ist, welcher jedoch kein Rechtsanwalt sein muss. Lediglich Beschwerden an den Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof müssen von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.
8. Wer kann in Arbeits- und Sozialrechtssachen vertreten?
In Arbeits- und Sozialrechtssachen ist in erster und zweiter Instanz die Vertretung durch qualifizierte Personen (Rechtsanwälte, Funktionäre und Arbeitnehmer gesetzlicher Interessenvertretungen oder freiwilliger kollektivvertragsfähiger Berufsvereinigungen, Arbeitnehmer, Prokuristen, Organmitglieder der Versicherungsträger, Bedienstete der Arbeitsämter) möglich. In erster Instanz darüber hinaus durch Arbeitnehmer, Prokuristen, Organmitglieder, Betriebsratsmitglieder oder andere geeignete Personen.
Stand: 03.11.2025