Person mit braunen schulterlangen Haaren und gestreifter weißer Bluse sitzt an einem Schreibtisch in einem gläsernen Büro und begutachtet freudig Unterlagen, während ein aufgeklappter Laptop neben ihr steht
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Erste Transparenz­pflichten ab 1.1.2023

Was Sie bei der neuen Ver­öffentlichungs­­pflicht be­achten müssen, welche Aus­­nahmen bestehen und nützliche Tipps

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Eine im Nationalrat beschlossene Verfassungsbestimmung verpflichtet bestimmte öffentliche Auftraggeber, von ihnen in Auftrag gegebene Studien, Gutachten und Umfragen samt deren Kosten zu veröffentlichen. Was Sie bei der neuen Veröffentlichungspflicht beachten müssen, welche Ausnahmen bestehen und nützliche Tipps, wie Sie am besten vorgehen.

Was gilt ab 1.1.2023?

Am 1.1.2023 trat die verfassungsgesetzliche Transparenzpflicht des Artikel 20 Absatz 5 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) in Kraft. Damit wird ein erster Teil des geplanten Informationsfreiheitspakets vorab umgesetzt. 

Wer unterliegt der Transparenzpflicht?

Die Transparenzpflicht betrifft alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe. Darunter fallen auch Organe von Privaten, die mit Tätigkeiten der Hoheitsverwaltung beliehen sind. Die Organe sind nicht nur im Rahmen der Erfüllung von Aufgaben der Hoheitsverwaltung zur Veröffentlichung verpflichtet, sondern auch im Rahmen ihrer privatwirtschaftlichen Tätigkeit (insb. Vergaberecht). 

Im Gegensatz zu Artikel 20 Abs 3 B-VG (Amtsverschwiegenheit) und Art 20 Abs 4 B-VG (Auskunftspflicht) nennt Artikel 20 Abs 5 B-VG (Transparenzpflicht) als Normadressaten nicht auch „Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts“. Jene Körperschaften des öffentlichen Rechts, die nicht mit Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung betraut sind, trifft somit keine Transparenzpflicht. 

Was ist zu veröffentlichen?

Die erfassten öffentlichen Auftraggeber müssen alle ab dem 1.1.2023 beauftragten Studien, Gutachten und Umfragen (darunter fallen auch beispielsweise Leitbilder, Konzepte, Publikationen, Werbebroschüren etc.) samt deren Kosten proaktiv veröffentlichen, d.h. ohne konkrete Anfrage eines Informationswerbers. Auch eine teilweise Veröffentlichung ist möglich (z.B. Schwärzen), wenn Teile aus Geheimhaltungsgründen wegzulassen sind (z.B. der Amtsverschwiegenheit unterliegende oder personenbezogene Daten). 

Wie ist die Information zu veröffentlichen?

Öffentliche Auftraggeber können die Informationen z.B. auf ihrer Internetseite bereitstellen oder gemeinsam über eine zentrale Internetseite veröffentlichen (AB 1642 BlgNR 27. GP 2). Sofern das nicht bereits jetzt freiwillig gemacht wird, ist im Rahmen der Transparenzpflicht mit einem Mehraufwand (Infrastruktur- und Personalkosten) zu rechnen. 

Gibt es Ausnahmen von der Veröffentlichungspflicht?

Ja. Öffentliche Auftraggeber müssen Geheimhaltungsinteressen beteiligter Personen berücksichtigen. Konkret müssen sie im Einzelfall abwägen, ob berechtigte Geheimhaltungsgründe „im überwiegenden Interesse der Parteien“ vorliegen (Art 20 Abs 3 B-VG, Amtsverschwiegenheit) oder ob andererseits das öffentliche Interesse an Transparenz überwiegt. Geheimhaltungsinteressen resultieren etwa aus dem Recht auf 

Geheimhaltung personenbezogener Daten oder dem Schutz des geistigen Eigentums oder Urheberrechts von Betroffenen. Überwiegt das Geheimhaltungsinteresse, sind die Informationen nicht zu veröffentlichen. 

Aus der Rechtsprechung des VwGH und der (Landes-)Verwaltungsgerichte zur aktuellen Rechtslage der Auskunftspflicht lassen sich Tipps für die Praxis der Interessenabwägung ableiten: 

Tipps für die Praxis

  • Berücksichtigen Sie bei der Interessenabwägung alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, z.B. ob die Information im Zuge journalistischer Aktivitäten nachgefragt wird und welche Rolle dem Informationswerber zukommt, insb. „public watchdog“ (u.a. VwGH 18.12.2019, Ro 2018/10/0002Ra 2020/03/0020).
  • Gegen eine (vollständige) Veröffentlichungspflicht sprechen z.B. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gem. § 1 Datenschutzgesetz (DSG) oder §§ 26a bis 26j Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 (UWG); möglicherweise ergibt sich eine Geheimhaltungspflicht auch aus sondergesetzlichen Bestimmungen (z.B. § 14 Abs 2 Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz – FMABG oder § 27 BVergG 2018; siehe dazu u.a. VwGH 26.03.2021, Ra 2019/03/01282013/17/0342). Im Zusammenhang mit vergaberechtlichen Gutachten können insbesondere technische Betriebsgeheimnisse gegen eine Veröffentlichung sprechen (z.B. Schutz von ausschließlichen Rechten, die ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung rechtfertigen).
  • Von der Veröffentlichung auszunehmen sind nur jene Informationen, hinsichtlich derer tatsächlich ein Geheimhaltungsinteresse besteht. Wägen sie vor der Weglassung personenbezogener Daten oder Schwärzungen der Daten daher genau ab, welche Daten vom überwiegenden Geheimhaltungsinteresse betroffen sind.
  • Geheim zu halten sind auch jene Informationen, die auf eine konkrete Person schließen lassen, etwa eine Grundstücksnummer iZm Baubewilligungen (VwGH 25.09.2019,
    Ra 2019/05/0078
    ).
  • Achten Sie bei der Entscheidung gegen eine Veröffentlichung auf eine sorgfältige Dokumentation (auch für den Fall einer Rechnungshofprüfung). Begründen Sie darin, warum eine Veröffentlichung der Information geeignet wäre, berechtigte Interessen zu verletzen (u.a. VwGH 20.05.2015, 2013/04/01392009/04/0223). Bei der Dokumentation der Interessenabwägung genügt idR ein pauschaler Hinweis auf ein überwiegendes Interesse nicht.

Quelle 

  • FSM Rechtsanwälte GmbH
  • Update Vergabe
  • Erste Transparenzpflichten ab 1.1.2023 – 11.10.2022

Stand: 01.01.2024

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