
Arbeitsrecht im Metaverse
Erfahren Sie, wie Remote-Arbeit und virtuelle Teams das Arbeitsrecht beeinflussen.
Lesedauer: 6 Minuten
Neue Arbeitsformen im Metaversum
Das Metaversum bietet nicht nur neue Geschäftsmodelle, sondern verändert möglicherweise auch die Art und Weise, wie Arbeit organisiert und ausgeführt wird. Virtuelle Arbeitsplätze, Meetings in digitalen Umgebungen und die Zusammenarbeit in internationalen Teams sind nur einige der neuen Möglichkeiten, die das Metaversum schafft. Unternehmen, die diese Entwicklungen nutzen, sollten sich über die arbeitsrechtlichen Implikationen im Klaren sein.
- Remote-Arbeit und virtuelle Teams: Das Metaversum erlaubt es Mitarbeitern, von überall auf der Welt zu arbeiten. Damit einher gehen neue Fragen zu Arbeitsverträgen, Arbeitszeitregelungen und der Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften, die für Remote-Arbeit gelten.
- Vertragsgestaltung: Wenn Mitarbeiter überwiegend oder vollständig im Metaversum arbeiten, müssen ihre Arbeitsverträge diese Besonderheiten abdecken. Dies betrifft nicht nur Fragen der anwendbaren Rechtsordnung, sondern auch des Bereitschaftsdienstes, Datenschutzbestimmungen und Rechte an geistigem Eigentum, das im Metaversum geschaffen wird.
- Kollektivrechtliche Umsetzung: Beachten Sie potenzielle Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach §§ 89 ff ArbVG (Informationspflichten, Abschluss von Betriebsvereinbarungen, etc.).
- Sozialversicherung: Wer andere in persönlicher Abhängigkeit (also Mitarbeiter) beschäftigt, muss diese – jedenfalls, wenn es im EU/EWR-Raum sowie der Schweiz geschieht – zur Sozialversicherung anmelden und die auf die Beschäftigung entfallenden Sozialversicherungsbeiträge abführen. Welches nationale SV-Recht zur Anwendung kommt, regeln Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sowie Verordnung (EG) Nr. 987/2009. Bei Bezug zu Drittstaaten sind die bilateralen SV-Abkommen und bei deren Fehlen die nationalen Kollisionsregeln zu beachten.
- Ausländerbeschäftigung: Übt ein Drittstaatsangehöriger in physischer Anwesenheit in Österreich eine Beschäftigung aus, sind die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu beachten. Bei rein virtueller Arbeitserbringung ohne Grenzübertritt ist dies nicht der Fall.
Eine Wiener Firma bietet Präsentationen im Metaversum an. Leo ist 3D-Designer, der für diese Firma im Homeoffice virtuelle Rundgänge gestaltet und Kunden berät – mit einer VR-Brille und als Avatare.
Doch bald stellt sich heraus, dass unklar ist, zu welchen Uhrzeiten genau Leo verfügbar sein muss. Die Kundschaft kommt aus aller Welt und das Unternehmen erwartet oft auch spätabends seine Präsenz. Bei Anwendbarkeit der österreichischen Rechtsordnung sind alle gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen zu beachten, die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht entgegenstehen dürfen.
Anwendbares Recht
Wie in allen Rechtsgebieten stellt sich zunächst die Frage nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht: Arbeitsvertragsparteien mit Sitz in
- Österreich: Sofern beide ihren Sitz in Österreich haben und lediglich die Tätigkeit im Metaversum erbracht wird, findet zunächst unproblematisch österreichisches Recht Anwendung.
- verschiedenen Staaten: Dies ist nach der ROM I VO im Einzelfall zu prüfen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können grundsätzlich das anwendbare Recht wählen. Diese Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz zwingender Vorschriften desjenigen Staates entzogen wird, dessen Recht ohne Rechtswahl anzuwenden wäre. Gibt es keine Rechtswahl, gilt grundsätzlich das Recht des Staates, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.
Die Bewertung wird besonders herausfordernd, wenn sich der Tätigkeitsschwerpunkt zunehmend ins Metaversum verlagert, da die Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsortes dadurch komplexer wird. Sobald der Nutzer förmlich in die virtuelle Welt eintaucht und dabei spürbar den Bezug zur physischen Realität verliert, könnte argumentiert werden, dass der eigentliche Schwerpunkt der Arbeit in der digitalen Sphäre liegt. Dies wirft die Frage auf, ob der physische Arbeitsort des Arbeitnehmers weiterhin als ausschlaggebender Bezugspunkt gelten kann. Es ist daher ratsam, eine klare Rechtswahl ausdrücklich im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, da dieser ohnehin auch die Anknüpfung sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Implikationen zur Folge hat. Zur leichteren praktischen Handhabung der Vertragsbeziehung sowie zur Vermeidung des „Rosinenprinzips“ ist es ratsam, jene Rechtsordnung zu wählen, die nach dem Kollisionsrecht mangels Rechtswahl zur Anwendung kommt.
Einführung der Arbeit im Metaversum
Wenn Sie als Unternehmer den Schritt ins Metaversum wagen, stellt sich auch die Frage, ob Sie Ihre Arbeitnehmer einseitig dazu verpflichten können, „dort“ zu arbeiten:
Individualrechtliche Umsetzung
Sofern eine entsprechende Verpflichtung nicht bereits im Arbeitsvertrag festgelegt ist, stellt sich die Frage, ob Arbeitgeber die Arbeit im Metaversum einseitig anordnen können.
Diesfalls ist zu differenzieren: Handelt es sich lediglich um die Teilnahme an einzelnen Meetings im Metaversum, wird dies – eine entsprechende Schulung des Arbeitnehmers während der Arbeitszeit vorausgesetzt – vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst sein - vergleichbar mit der Teilnahme an physischen Konferenzen oder Videokonferenzen.
Anders gestaltet sich jedoch die Situation bei einer vollständigen Verlagerung der Tätigkeit ins Metaversum. Wenn Unternehmen planen, einzelne Mitarbeiter oder ganze Abteilungen dauerhaft in die digitale Welt zu versetzen, so wird dies nicht einseitig durchsetzbar sein.
Kollektivrechtliche Umsetzung
Neben etwaigen kollektivvertraglichen Sonderbestimmungen achten Sie jedenfalls auch auf die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, die insbesondere in folgenden Bereichen relevant werden können:
- Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehmer (§ 96 Abs 1 Z3 ArbVG)
- Allgemeine Ordnungsvorschriften (§ 97 Abs 1 Z1 ArbVG)
- Verteilung der Arbeitszeit (§ 97 Abs 1 Z2 ArbVG)
- Versetzung (§ 101 ArbVG)
Arbeitnehmerrechte und -schutz im virtuellen Raum
Der Schutz der Arbeitnehmerrechte ist unabhängig vom digitalen oder physischen Arbeitsplatz essenziell, wobei neue arbeitsrechtliche Herausforderungen entstehen:
- Arbeitnehmerschutz und psychische Gesundheit: Virtuelle Arbeitsumgebungen können potenziell Stress, Isolation und psychische Belastungen fördern, insbesondere, wenn die faktischen Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit verwischen. Arbeitgeber sind verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der psychischen Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu ergreifen. Der Betriebsrat hat hier ein Mitbestimmungsrecht und ist einzubinden. Gleichzeitig eröffnet die Technologie neue Chancen, etwa um die Inklusion von Menschen mit schweren Behinderungen im Arbeitsumfeld gezielt zu fördern.
- Datenschutz am Arbeitsplatz: Interaktionen, Bewegungen und sogar biometrische Daten der Mitarbeiter könnten getrackt, analysiert und somit verarbeitet werden. Arbeitgeber müssen daher konkret prüfen, welche Daten für die Durchführung der Tätigkeit im Metaversum erforderlich sind und inwiefern die Datenverarbeitung auf Einwilligung gestützt werden kann oder es einer Betriebsvereinbarung bedarf.
Gestaltung von Avataren
Generell sind Anforderungen an das äußere Erscheinungsbild von Arbeitnehmern sowohl aus arbeitsrechtlicher als auch grundrechtlicher Sicht seit jeher umstritten. Im Metaversum können Nutzer individuell Avatare gestalten, welche im Wesentlichen die Bewegungen und Sprache der realen Person widerspiegeln. In diesem Kontext stellt sich die Frage, inwieweit Arbeitgeber Vorgaben zur Gestaltung dieser Avatare treffen können.
Bestehende Regelungen aus der physischen Arbeitswelt können hier zur Orientierung dienen. Arbeitgeber werden sohin Grundsätze für das äußere Erscheinungsbild und auch eine Business- Etikette einseitig festlegen können, da beispielsweise gerade bei Kundenmeetings ein berechtigtes Interesse besteht, dass sich Avatare professionell verhalten und deren Gestaltung die Unternehmenskultur repräsentiert. Dabei sind jedoch stets die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter zu wahren.
Arbeitszeit und Vergütung
Die Bestimmung von Arbeitszeit und Vergütung stellt im Metaversum eine neue Herausforderung dar. Mitarbeiter können in verschiedenen Zeitzonen arbeiten oder sich in flexiblen Arbeitsumgebungen bewegen, die traditionelle Modelle der Arbeitszeitregelung infrage stellen.
- Arbeitszeitregelungen: Es ist wichtig, dass Unternehmen bereits vorab klare Regelungen zu den Arbeitszeiten festlegen, um Überstunden, Pausen und Ruhezeiten im virtuellen Arbeitsumfeld zu regeln. Besonders bei grenzüberschreitender Zusammenarbeit müssen die lokalen Arbeitszeitgesetze beachtet werden.
- Vergütungsmodelle: Da die Arbeit im Metaversum oft global und unabhängig vom Standort erfolgt, müssen Unternehmen faire und transparente Vergütungsmodelle entwickeln. Hierbei sollten steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Aspekte der jeweiligen Länder beachtet werden.
Rechte an im Metaversum erstellten Inhalten
Ein weiterer Aspekt des Arbeitsrechts im Metaversum betrifft das geistige Eigentum, das von Mitarbeitern während ihrer Arbeit im virtuellen Raum geschaffen wird. Unternehmen sollten vertraglich klären, wem die Rechte an virtuellen Produkten, Designs und Inhalten gehören, die im Metaversum erstellt werden.
Als Instrument bietet sich hier der Arbeitsvertrag an. In diesem kann einvernehmlich geregelt werden, ob die Rechte an digitalen Produkten, die Mitarbeiter während der Arbeit im Metaversum erstellen, auf die jeweiligen Arbeitgeber übergehen oder ob die Mitarbeiter Inhaber dieser Rechte bleiben.
Code of Conduct und Schutz vor Belästigungen in digitalen Räumen
Fehlverhalten und Belästigungen in der digitalen Welt sind längst kein hypothetisches Problem mehr. Bereits das Internet hat gezeigt, welche Risiken die vermeintliche Anonymität mit sich bringt.
Es ist daher für Unternehmen unerlässlich (auch im Sinne der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht), klare Verhaltensregeln für das Metaversum aufzustellen und so Mitarbeiter zu schützen. Es muss eindeutig kommuniziert werden, dass Übergriffe und Belästigungen auch in diesem Bereich verboten sind und arbeitsrechtlich geahndet werden können. Beleidigungen und Fehlverhalten eines Avatars sind dem jeweiligen Mitarbeiter voll zuzurechnen und können zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen von Abmahnungen bis hin zu Kündigungen führen.
Fazit
Ohne klare arbeitsrechtliche Vereinbarungen können die Spezifika von „virtuellen Arbeitsverhältnissen“ schnell zu einer Herausforderung werden. Ein durchdachter Arbeitsvertrag schafft für beide Seiten mehr Klarheit – auch im Metaversum.