Angebotsmängel im Vergabeverfahren
Fehlerhaftes Angebot – behebbarer und unbehebbarer Mangel
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Allgemeines
Bereits mit der Angebotsöffnung sowie danach während der Prüfung der Angebote in der Phase des Zuschlagsverfahrens, hat der Auftraggeber formale oder inhaltliche Mängel und Unvollständigkeiten von Angeboten festzustellen und hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Pflicht zum Ausscheiden von Angeboten zu bewerten. Es geht bei diesen Feststellungen einer Mangelhaftigkeit sowohl um mögliche Verstöße des Bieters gegen die Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018 (BVergG 2018), als auch um Verstöße gegen Vorgaben des Auftraggebers hinsichtlich Angebotsform und -inhalt.
Wichtig:
- einerseits Tatbestände betreffend Ausschluss von Bietern,
- andererseits Tatbestände betreffend Ausscheiden von Angeboten im engeren Sinn (nämlich wegen Verstößen gegen zwingende vergaberechtliche Vorschriften oder gegen Vorschriften in den Ausschreibungsunterlagen oder wegen anderer Mängel bzw. Unvollständigkeiten).
Ausschluss von Bietern
Das BVergG 2018 zählt folgende Tatbestände auf, die zu einem Ausschluss des Bieters vom Vergabeverfahren führen (§ 78/Abs 1):
- Z 1: rechtskräftige Verurteilung (Aufzählung mehrerer Tatbestände)
- Z 2: Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. Abweisung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens
- Z 3: Liquidation/ Gewerbeeinstellung
- Z 4: nachteilige Abreden zu Lasten des Auftraggebers
- Z 5: Schwerwiegende Verfehlungen, insbesondere gegen Bestimmungen des Arbeits-, Sozial- oder Umweltrechtes
- Z 6: Nichterfüllung der Verpflichtung zur Zahlung der SV-Beiträge/Steuern/ Abgaben
- Z 7: Ein Interessenskonflikt (§ 26) kann nicht durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen verhindert werden.
- Z 8: Die Beteiligung an Vorarbeiten (§ 25) führt zu einer Wettbewerbsverzerrung
- Z 9: Bei Erfüllung wesentlicher Anforderungen bei einem früheren Auftrag kam es zu erheblichen oder dauerhaften Mängeln, die zur vorzeitigen Beendigung des Auftrages, Schadenersatz oder vergleichbaren Sanktionen führten.
- Z 10: erheblich falsche Erklärungen oder Nichterteilung von Auskünften zur Eignung
- Z 11:
- Versuch, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen
- Versuch, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die unzulässige Vorteile im Vergabeverfahren erlangt werden könnten.
- Übermittlung von oder der Versuch der Übermittlung einer fahrlässigen irreführenden Information an den Auftraggeber, durch die die Entscheidung über Ausschluss oder Auswahl von Unternehmen oder die Zuschlagserteilung erheblich beeinflusst werden könnte.
Pflicht zum Ausscheiden mangelhafter Angebote
Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der Auftraggeber aufgrund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden (§ 141 Abs 1):
- Angebote von Bietern, die von der Teilnahme am Vergabeverfahren aufgrund wettbewerbsverzerrender Vorarbeiten auszuschließen sind (Z 1);
- Angebote von Bietern, deren Eignung nicht gegeben ist (Z 2);
- Angebote, die eine - durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte – nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (z.B. spekulative Preisgestaltung) aufweisen (Z 3);
- Angebote, bei denen der Bieter keine Preise angibt, sondern nur erklärt, das billigste Angebot um einen bestimmten Prozentsatz oder Wert zu unterbieten (Z 4);
- Angebote bei denen ein Vadium verlangt wurde, dessen Nachweis bei Angebotsöffnung jedoch fehlt (Z 5);
- verspätet eingelangte Angebote (Z 6) den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote
- Teil-, Alternativ-, Varianten- u. Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden
- nicht gleichwertige Alternativ- od. Abänderungsangebote und
- Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen sowie
- fehlerhafte od. unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind (Z 7).
- rechnerisch fehlerhafte Angebote, die gemäß den Festlegungen in der Ausschreibung nicht weiter zu berücksichtigen sind (Z 8);
- Angebote von nicht aufgeforderten Bietern (Z 9);
- Angebote von Bietern, die nachweislich Interessen haben, die die Ausführung des Auftrages beeinträchtigen können (Z 10)
- Angebote von Bietern, bei welchen dem Auftraggeber im Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung bzw. einer gesetzten Nachfrist (§ 131 Abs. 3)
- keine behördliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Ausübung der Tätigkeit in Österreich oder
- kein Nachweis darüber, dass die notwendige Berufsqualifikation gemäß lit a oder
- kein Nachweis über die Einholung einer Entscheidung vor Ablauf der Angebotsfrist
- eine behördliche Entscheidung, die die Zulässigkeit der Ausübung einer Tätigkeit in Österreich ausschließt, vorliegt. (Z 11).
Achtung:
- Das BVergG 2018 erfasst insgesamt elf Fälle von Ausscheidenstatbeständen.
- Der öffentliche Auftraggeber kann vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung Angebote von Bietern ausscheiden, die es unterlassen haben, innerhalb der ihnen gestellten Frist die verlangten Aufklärungen zu geben oder deren Aufklärung einer nachvollziehbaren Begründung entbehrt.
Der Auftraggeber kann solche fehlerhaften oder unvollständigen Angebote nur dann ausscheiden, wenn die Mängel oder Unvollständigkeiten unbehebbar sind oder aber zwar behebbar sind, aber nicht behoben werden.
Wichtig:
Der Auftraggeber hat den Bieter vom Ausscheiden seines Angebotes unter Angabe des Grundes zu verständigen.
Unbehebbare und behebbare Mängel
Grundsätzlich unterscheidet das BVergG zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln. Dass nicht alle Mängel oder Unvollständigkeiten eines Angebotes zwingend mit dem Ausscheiden des Angebotes zu sanktionieren sind, kommt im BVergG mehrfach zum Ausdruck:
- Das BVergG 2018 sieht vor, dass der Auftraggeber Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen muss und das Angebot in der Folge vertieft zu prüfen hat, wenn beispielsweise der Angebotspreis im Verhältnis zu Leistung ungewöhnlich niedrig erscheint oder etwa Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen aufweisen.
- Weiters sieht das BVergG 2018 eine verbindliche Aufklärung von „Unklarheiten über das Angebot selbst oder über die geplante Art der Durchführung der Leistung oder über festgestellte Mängel“ unter Fristsetzung vor.
- Das BVergG 2018 trägt dem Auftraggeber auf, im Falle von unangemessenen Preisen vom Bieter „eine verbindliche Aufklärung zu verlangen“.
- Das BVergG 2018 ermöglicht beispielsweise niederschriftlich festzuhaltende „Aufklärungsgespräche zum Einholen von Auskünften, die zur Prüfung der Preisangemessenheit, der Erfüllung der Mindestanforderungen und Gleichwertigkeit von Alternativ- oder Abänderungsangeboten erforderlich sind“.
Achtung:
Diese vergabegesetzlichen Aufforderungen zur Aufklärung von Mängeln oder Unvollständigkeiten eines Angebotes stellen einen wesentlichen Bestandteil einer Sanierung von behebbaren Mängeln oder Unvollständigkeiten dar.
Grundsätzlich ist die Frage der Sanierbarkeit von Mängeln vom Auftraggeber im Einzelfall - auf Grundlage eines objektiven Beurteilungsmaßstabes - zu entscheiden.
Wichtig: Für die Frage der Zulässigkeit der Behebung eines Mangels oder einer Unvollständigkeit eines Angebotes lässt sich folgende Formel aufstellen:
- Keine Verbesserung der Wettbewerbsstellung des Bieters durch die Behebung (Verbesserung) des Mangels oder der Unvollständigkeit;
- Einhaltung der Vergabegrundsätze;
- Behebung im Zuge einer Aufklärung bzw. im Zuge einer Nachreichung fehlender Angaben oder Unterlagen zur Vervollständigung des Angebotes (unter der Voraussetzung, dass beim offenen oder nicht offenen Verfahren keine verbotene Verhandlung über eine Angebotsänderung stattfindet).
Exkurs: Behebung von Rechenfehlern
Zum Ausscheiden wegen eines rechnerisch fehlerhaften Angebots ist zu sagen, dass eine Behebung der Rechenfehler in keinem Fall durch den Bieter stattfindet. Laut BVergG 2018 ist in den Ausschreibungsunterlagen anzugeben, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote ausgeschieden werden, wenn die Summe der Absolutbeträge aller Berichtigungen – erhöhend oder vermindernd – 2 % oder mehr des ursprünglichen Gesamtpreises ohne Umsatzsteuer beträgt.
- Es liegt einerseits Unbehebbarkeit eines Rechenfehlers (von 2 % oder mehr) gemäß BVergG 2018 vor, wenn hierfür das Ausscheiden in den Ausschreibungsunterlagen angegeben ist;
- es hat andererseits – wenn diese Angabe des Ausscheidens fehlt bzw. wenn der Rechenfehler unter 2 % liegt – der Auftraggeber und nicht der Bieter die Berichtigung von Rechenfehlern gemäß den Regeln des BVergG 2018 im Zuge der Angebotsprüfung vorzunehmen und es scheidet somit ein Ausscheiden aus.
Zu beachten ist an dieser Stelle auch noch, dass ein ausscheidungspflichtiger Rechenfehler nur für das betroffene Angebot zum Ausscheiden führt. Er bewirkt aber nicht, dass damit auch ein rechenfehlerfreies Alternativangebot ebenfalls auszuscheiden ist.
Resümee:
Die Ausscheidenstatbestände des BVergG 2018 erfassen überwiegend Angebote, bei denen ein unbehebbarer Mangel oder eine unbehebbare Unvollständigkeit vorliegt, aber auch solche Angebote, bei denen zu einem behebbaren Mangel bzw. zu einer behebbaren Unvollständigkeit vom Bieter die Behebung nicht vorgenommen wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine gebotene Aufklärung zu einem Mangel eines Angebotes nicht fristgerecht oder nicht mit nachvollziehbarer Begründung erfolgt.
Stand: 19.05.2025