Kündigungsfristen für freie Dienstnehmer
Entschied Oberster Gerichtshof zu Kündigungsbestimmungen
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Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat vor kurzem entschieden, dass die am 1. Oktober 2021 in Kraft getretenen Kündigungsbestimmungen gemäß § 1159 ABGB nicht auf freie Dienstverhältnisse anwendbar sind (OGH 27. Februar 2025, 8 ObS 4/24g).
Der freie Dienstvertrag ist gesetzlich nicht geregelt. Es handelt sich dabei nicht um einen „echten“ Dienstvertrag iSd §§ 1151ff ABGB, weshalb diese Bestimmungen nicht unmittelbar auf den freien Dienstvertrag anwendbar sind. Der freie Dienstvertrag unterscheidet sich vom „echten“ Dienstvertrag insbesondere durch das Fehlen der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit.
Am 1. Oktober 2021 wurden die Kündigungsfristen der Arbeiter an die Kündigungsfristen der Angestellten angepasst, wobei der freie Dienstvertrag weiterhin ungeregelt blieb. Dies führte zu kontroversen Diskussionen in der Literatur, ob die neu geregelten Kündigungsfristen gemäß § 1159 ABGB auch auf freie Dienstverhältnisse anzuwenden sind. Diesen Meinungsstreit hat der OGH nun geklärt.
Bisherige Rechtslage freier Dienstverhältnisse
Arbeitsrechtliche Normen sind auf freie Dienstverhältnisse grundsätzlich nicht anzuwenden, allerdings sind laut ständiger Rechtsprechung einzelne arbeitsrechtliche Normen, die nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers ausgehen und dessen Zweck es nicht ist die sozial Schwächeren zu schützen, auf den freien Dienstvertrag analog anzuwenden.
In diesem Sinne wurden die Kündigungsbestimmungen für Arbeiter gemäß § 1159 ABGB in der alten Fassung, die bis 30. September 2021 in Kraft waren, von der ständigen Rechtsprechung auf freie Dienstverhältnisse angewandt. Die Fristen dienten der technischen Abwicklung der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen und schützten aufgrund ihrer Kürze nur die legitimen Interessen der Vertragspartner vor einer abrupten einseitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den Vertragspartner.
Die Kündigungsfristen für Angestellte gemäß § 20 AngG hingegen sehen für Angestellte kürzere Kündigungsfristen als für den Dienstgeber vor und sind für den Dienstgeber einseitig zwingend. Einseitig zwingend bedeutet, dass zugunsten des Angestellten günstigere Vereinbarungen, wie zB kürzere Fristen zulässig vereinbart werden können, nicht aber für den Dienstgeber. Grund dafür ist die soziale Schutzfunktion, die den Angestellten als sozial schwächeren Vertragspartner vor einer überraschenden Auflösung schützen soll. Da eine analoge Anwendung von arbeitsrechtlichen Bestimmungen auf den freien Dienstvertrag nur dann denkbar ist, wenn diese nicht der sozialen Schutzfunktion entspringen, waren die Vorschriften des Angestelltengesetzes über Kündigungstermine und -fristen auf freie Dienstverhältnisse schon bisher nicht anzuwenden.
Aktuelle Entscheidung des OGH betreffend Kündigungsbestimmungen
In einer aktuellen Entscheidung des OGH begehrte ein freier Dienstnehmer eine Kündigungsentschädigung, weil er der Meinung war, dass auf sein freies Dienstverhältnis nicht die vertraglich vereinbarte vierwöchige Frist anzuwenden gewesen wäre, sondern die Kündigungsfristen des § 1159 ABGB in der neuen Fassung analog.
Der OGH entschied, dass § 1159 ABGB nF nicht auf freie Dienstnehmer anwendbar ist und führte in seiner Begründung aus, dass die Zielsetzung des Gesetzgebers war, die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten im Hinblick auf die für sie geltenden gesetzlichen Kündigungsbestimmungen zu beseitigen und diese zu harmonisieren. Das Ziel war jedoch nicht ein einheitliches Kündigungsrecht für alle Dienstnehmer zu schaffen.
Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den seit Jahrzehnten bekannten und in der Literatur und Rechtsprechung vielbehandelten Umstand ändern wollte, dass für den freien Dienstvertrag keine ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen bestehen und arbeitsrechtliche Regelungen nicht anzuwenden sind. Eine Analogie setzt aber gerade voraus, dass innerhalb der Rechtsordnung eine planwidrige Regelungslücke besteht, der Gesetzgeber also einen regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen hat.
Der OGH hat festgehalten, dass dies hier gerade nicht der Fall ist und mangels Analogiefähigkeit die Kündigungsbestimmungen des „echten“ Dienstvertrags gemäß § 1159 ABGB nicht auf freie Dienstverhältnisse anzuwenden sind.
Laut allgemeinem Zivilrecht können unbefristete Dauerschuldverhältnisse, sofern es keine andere Vereinbarung gibt, unter Setzung einer angemessenen Frist ohne Vorliegen besonderer Kündigungsgründe gekündigt werden. Dies gilt auch für freie Dienstverhältnisse. Die Angemessenheit der Frist hängt von der Art des Geschäfts ab und von den Fristen, die von redlichen Vertragsparteien üblicherweise vereinbart werden.
Im vorliegenden Fall war im freien Dienstvertrag eine beiderseitige Kündigungsfrist von vier Wochen für das mehr als drei Monate freie Dienstverhältnis vereinbart. Der OGH hat entschieden, dass diese Frist jedenfalls angemessen ist. Die Frist ist ab Wirksamkeit der Auflösungserklärung zu berechnen, da im vorliegenden Fall kein Kündigungstermin vereinbart war, ist auch kein Kündigungstermin einzuhalten.
Fazit Kündigungsfristen
Die Kündigungsfristen des § 1159 ABGB sind nicht auf freie Dienstverhältnisse analog anzuwenden. Freie Dienstverhältnisse können unter Setzung einer angemessenen Frist gekündigt werden. Im vorliegenden Fall erachtete der OGH eine Kündigungsfrist von vier Wochen als angemessen. Es sind keine Kündigungstermine einzuhalten, sofern diese nicht vertraglich vereinbart wurden.
Stand: 01.08.2025