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Aufgestellte Spielfiguren aus Holz, von denen 2 rot und blau sowie im Fokus sind. Sie stehen auf einem braunen Holztisch
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Geschlechtsneutrale Anredeoption in Kundendaten

Praxistipps für die persönliche Anrede im Web

Lesedauer: 3 Minuten

In vielen Bereichen des E-Commerce werden Kundendaten erfasst, beispielsweise in Webshops, Bestellformularen, Newsletter-Anmeldungen etc. Das Geschlecht des Kunden wird etwa für die richtige Anrede in der personalisierten Kommunikation, personalisierte Angebote oder zur Analyse des Kundenverhaltens erhoben. 

Gleichbehangslungsgesetz und Entscheidung der Gleichbehandlungskommission

Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) verbietet Diskriminierungen und Belästigungen aufgrund des Geschlechts beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Der Schutzgrund „Geschlecht“ umfasst auch die Geschlechtsidentität einer Person, das gilt sowohl für binäre als auch für nicht-binäre Transidentitäten.

Entscheidungen der Gleichbehandlungskommission sind im Internet veröffentlicht.

Nach einer Entscheidung der Gleichbehandlungskommission (GBK III/300/22 v. 9.5.2023) ist vom Vorliegen einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auszugehen, wenn eine weniger günstige Behandlung zum Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, in Bezug auf das Geschlecht erfolgt. Darunter fällt auch eine zwingende Zuschreibung des Geschlechts bzw. eine verpflichtende Auswahl zwischen „Herr“ oder „Frau“, um die Leistung zu erhalten.

Neben einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz kann das Fehlen einer geschlechtsneutralen Anrede bzw. die Erhebung der Anrede ausschließlich in Form von „Herr“ oder „Frau“ auch einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) darstellen.

Der EuGH hat in einem Verfahren gegen ein Unternehmen aus dem Bereich des Personentransports (EuGH C-394/23, Mousse) zusammengefasst entschieden, dass beim Erwerb von Fahrscheinen die Erhebung von personenbezogenen Daten zur Anrede der Kunden („Herr“ oder „Frau“) weder für die Vertragserfüllung noch – aller Voraussicht nach – zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist. Sie verstößt gegen den Grundsatz der Datenminimierung, da weniger einschneidende Alternativen wie eine geschlechtsneutrale Kommunikation möglich sind. Es sollte daher nicht die Auswahl des Geschlechts abgefragt werden, sondern die gewünschte Anrede. Dabei sollte jede Form von geschlechtsspezifischer Anrede immer durch freiwillige Auswahl des Kunden optional gestaltet werden, also auch ohne Auswahl einer geschlechtsspezifischen Anrede möglich sein (z.B. „Guten Tag“). 

Neben der Entscheidung der österreichischen Gleichbehandlungskommission und des EuGH wurde auch in einem deutschen Verfahren (OLG Frankfurt am 21.6.2022, 9 U 92/20 bestätigt durch BGH vom 27.8.2024, X ZR 71/22) entschieden, dass die deutsche Bahn eine geschlechtsneutrale Online-Buchung ermöglichen muss.

Hinweis
Online-Bestellformulare und Formulare zur Erfassung von Kundendaten müssen auch andere Eintragungen als „Herr“ oder „Frau“ bzw. „männlich“ oder „weiblich“ vorsehen oder neutrale Angaben ermöglichen oder gänzlich auf eine verpflichtende geschlechterspezifische Eintragung verzichten. Es kann bei einer vorliegenden Diskriminierung Schadenersatz gefordert werden.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat zu dieser Thematik eine Empfehlung zur Berücksichtigung der Geschlechtervielfalt in Formularen herausgegeben und schlägt (auszugsweise) folgende Schritte vor: 

Auszug aus der Empfehlung der Gleichbehandlungsanwaltschaft

  • Ist die Erhebung von Geschlecht für Ihr Kerngeschäft tatsächlich relevant? In vielen Fällen sind Geschlechtsangaben für die Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen und für die Kommunikation mit Kund:innen verzichtbar.
  • Sie wollen Ihre Kommunikation mit Kund:innen durch eine Anrede personalisieren? Sie können auf die Erhebung von Anreden gänzlich verzichten, wenn Sie in der Kommunikation mit Kund:innen beispielsweise die neutralen Grußformeln „Guten Tag (Vorname, Nachname)“ oder „Hallo (Vorname, Nachname)“ anwenden. Damit sind Interaktionen mit Kund:innen sowohl personalisiert als auch inklusiv.
  • Anrede und Geschlecht stimmen nicht zwangsläufig überein. Das heißt, wie Kund:innen in der Unternehmenskommunikation angesprochen werden möchten, kann unabhängig von Geschlechtsangaben sein. Wenn Sie Kund:innen mit ihrer gewünschten Anrede ansprechen möchten, sollten Sie deswegen bei Formularen die Anrede und nicht das Geschlecht abfragen.
  • Wenn für Ihre Kommunikation geschlechtsbezogene Anreden unverzichtbar sind, stellen Sie sicher, dass neben „Herr“ und „Frau“ auch die Option „geschlechtsneutrale/neutrale Anrede“ für Kund:innen in Formularen zur Verfügung steht.
  • Sie erheben das Geschlecht von Kund:innen für unternehmerische Zwecke? Dann sollte eine selbstbestimmte Geschlechtsangabe in einem offenen Eingabefeld möglich sein.
  • Stellen Sie jedenfalls sicher, dass Geschlechtsangaben in Formularen keine Pflichtfelder sind. Es sollte für Kund:innen möglich sein, keine Angabe zu machen oder zumindest ein Eingabefeld „keine Angabe“ als Option zu wählen. 

Es handelt sich nur um Empfehlungen. Es ist durchaus zulässig, auch gleichartige andere Lösungen oder Formulierungen zu verwenden.

Stand: 01.08.2025

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