Grafik zu Speicherkraftwerk-Kapazitäten
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Sparte Industrie

Netzausbau- und Speicher­projekte

Dashboard Energie-Zukunft

Lesedauer: 8 Minuten

04.03.2024

Allgemeines

Die Energiewende geht einher mit einem Zuwachs des Strombedarfs – im Bereich Raumwärme für Wärmepumpen, im Verkehr für Elektro-Fahrzeuge. Auch in Industrie und Gewerbe ist der Umstieg auf Erneuerbare Energien stark an die Elektrifizierung von Prozessen geknüpft, dazu kommen Elektrolyseure zur Wasserstofferzeugung. Im Transition-Szenario des Umweltbundesamts wird davon ausgegangen, dass der Strombedarf in Österreich von 74 TWh im Jahr 2021 auf 93 TWh für 2030 und 125 TWh für 2040 steigen wird.

Um gleichzeitig das im Regierungsprogramm verankerte Ziel von 100 % Stromversorgung aus erneuerbaren Quellen (national bilanziell) bis 2030 zu erreichen, ist – bezogen auf das Basisjahr 2020 – gemäß dem Entwurf des Integrierten nationalen Energie- und Klimaplan ein Zubau von 34 TWh an erneuerbarer Stromerzeugung notwendig. Davon entfallen 5 TWh auf Wasserkraft und 1 TWh auf Biomasse, der größere Teil auf Photovoltaik (17 TWh) und Windkraft (11 TWh).

PV und Windkraft können relativ kostengünstig und schnell ausgebaut werden. Allerdings ersetzen diese volatilen, von Sonneneinstrahlung und Wind abhängigen Quellen (fossile) thermische Kraftwerke, die einfach bei Bedarf hochgefahren werden können. Nachdem große Teile unserer Infrastruktur zunehmend von Strom abhängen, sind daher umso mehr Investitionen notwendig, die eine verlässliche und stabile Energieversorgung absichern, damit Österreich – mit einer Stromnetz-Verfügbarkeit von über 99,99 % – auch weiterhin im weltweiten Spitzenfeld bleibt.

Die dazu benötigten großen, schnell abrufbaren Energiereserven können vor allem durch Pumpspeicherkraftwerke bereitgestellt werden. Ebenso entscheidend ist ein belastbares Stromnetz, um die volatile Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen einerseits und die steigende Nachfrage an Strom andererseits in Einklang zu bringen.

Stromspeicher

Durch den Ausbau von volatilen erneuerbaren Stromerzeugungstechnologien steigt der Bedarf an Speicherkapazitäten gemäß Studien (z.B. Studie der Johannes Kepler Universität Linz) in einer Größenordnung von bis zu 10 TWh und der Jahresflexibilitätsbedarf bis 2030 um bis zu 11 GW an. Vor diesem Hintergrund wird es notwendig sein, jegliche verfügbaren Formen der Stromspeicherung zu nutzen. Batteriespeicher werden in unserem Energiesystem als dezentrale, kleinere Einheiten wichtig sein, die etwa PV-Überschüsse für kürzere Zeitperioden speichern können.

Die größere Herausforderung ist es, den im Sommer anfallenden überschüssigen Strom längerfristig zu speichern, sodass er in den ertragsarmen Wintermonaten zur Verfügung steht. Für diesen saisonalen Ausgleich wird längerfristig auch Power-to-Gas zur Anwendung kommen, beispielsweise der Einsatz von Überschuss-Strom für Elektrolyseure zur Erzeugung von grünem Wasserstoff. Derzeit sind die Investitionskosten dafür recht hoch, und der Wirkungsgrad liegt aufgrund der Transformationsverluste bei etwa 30 %.

Pumpspeicherkraftwerke

Pumpspeicher können flexibel Überschussstrom speichern oder Elektrizität erzeugen, dazu haben sie Wirkungsgrade in der Größenordnung von 75 % und mehr. Auf absehbare Zeit werden sie die mit Abstand wichtigste großtechnische netzgebundene Speicher-technologie bleiben (vgl. Arge Alpine Wasserkraft (2018): Wasserkraft & Flexibilität, S. 84)

Der Stand an großtechnischen Stromzwischenspeichern in Österreich liegt derzeit bei etwa 4,2 bis 4,3 GW – im Wesentlichen sind das Pumpspeicherkraftwerke. Die derzeit in Bau oder in Planung befindlichen bzw. konzipierten Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke bringen einen Leistungszuwachs von insgesamt rund 5,9 GW.

Grafik zu Speicherkraftwerk-Kapazitäten
© EIW Zubau von Pumpspeicher- und Speicherkraftwerken in Österreich (aktuell umgesetzt, in Bau, in Planung). Grafik: EIW

Eine Hürde für einen raschen Ausbau der Potenziale sind bei der Wasserkraft allgemein die langen Verfahrensdauern aufgrund der ökologischen Vorgaben zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie.

Gesamtkosten des Umbaus

Für den nachhaltigen Umbau des Stromversorgungssystems besteht groben Schätzungen zufolge für die österreichische E-Wirtschaft in Summe ein Gesamt-Investitionsbedarf von rund 50 Mrd. Euro, wobei ungefähr zu gleichen Teilen Kosten 1) für den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, 2) für Speicher inklusive Pumpspeicherung und 3) für notwendige Netzinvestitionen auf allen Netzebenen anfallen. (Quelle: Oesterreichs Energie, Green Deal – zukunftsfähige Lösungen schaffen; S 4f)

Eine Studie der JKU geht bei einem Ausbau von 3,6 GW an Pumpspeicherkraftwerken von 4 Mrd. Euro an Kosten aus. Beim eingangs genannten Leistungszuwachs von 5,9 GW Kraft-werksleistung kann die Investitionssumme somit auf 6,6 Mrd. Euro hochgerechnet werden.

Netzausbau

Stromnetze können elektrische Energie nicht speichern, ihre Aufgabe ist es vielmehr, Balance zu halten zwischen Stromerzeugung und den Verbrauchern, damit es zu keinen Schwankungen oder gar Unterbrechungen kommt. Aufgebaut ist das Stromnetz ähnlich wie das Straßennetz:

Das Übertragungsnetz ist gleichsam die Autobahn, auf der große Energiemengen überregional über alle Bundesländer und auch über die Staatsgrenzen hinweg transportiert werden können. Mit Entfernung und Leistung steigen die Verluste, daher ist Höchstspannung im Übertragungsnetz notwendig, um Strom möglichst verlustarm über weite Strecken transportieren zu können. Zuständig für Österreichs Übertragungsnetze ist die Austrian Power Grid (APG) als Übertragungsnetzbetreiber (auch TSO – Transmission System Operator). Als Regelzonenführer ist die APG auch verantwortlich für die Sicherstellung des Leistungs-gleichgewichts, also den Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch in Österreich.

Das Stromnetz ist in sieben Netzebenen gegliedert. Das Übertragungsnetz der APG auf Höchstspannung mit 380 und 220 Kilovolt (kV) bildet dabei die Netzebene 1. In österreichweit 65 Umspannwerken gibt die APG Strom ab in die nachgelagerten Verteilernetze in den Bundesländern. Von Ebene 3 (Hochspannung – 110 kV) distribuieren die Verteilernetz-betreiber den Strom auf Ebene 5 (Mittelspannungsnetz – 10 bis 35 kV) bis hinunter zum Niedrigspannungsnetz mit 400 Volt (Ebene 7). Umspannwerke auf den Ebenen 2, 4 und 6 verbinden die unterschiedlichen Netzebenen miteinander, indem sie den Strom auf niedrigere Spannung transformieren. Rund 130 österreichische Verteilernetzbetreiber managen die flächendeckende Stromversorgung.

Ausschlaggebend für die Resilienz der Stromnetze ist deren Auslegung auf die Leistung und nicht die (transportierte) Energiemenge, weshalb auch das Netzentgelt von Gewerbe- und Industriekunden sich nicht nach dem in Summe bezogenen Strom richtet (kWh), sondern nach der maximal abgerufenen Leistung (kW). Weil im Zuge der Energiewende der Transportbedarf für Strom weiter ansteigen wird, ist zur Vermeidung struktureller Engpässe der nachhaltige Ausbau des Übertragungsnetzes ein vorrangiges Ziel der Energiewende.

Wie die vorhergehende Grafik zum Ausbau der (Pump-)Speicherkapazitäten anschaulich zeigt, konzentrieren sich die großen Anlagen ausschließlich in der alpinen Westhälfte Österreichs – wegen der günstigen topographischen Rahmenbedingungen ebenso wie ob des Wasserreichtums. Im Osten Österreichs gibt es aufgrund höherer Bevölkerungs- und Industriedichte mehr Verbrauch, außerdem wird dort weitaus mehr Photovoltaik- und vor allem Windstrom erzeugt, wie aus der folgenden Grafik ablesbar ist:

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© APG Verteilung der Erzeugungsleistung (MW) von Photovoltaik und Windkraft in Österreich. Grafik: APG

Hohe Speicherkapazitäten im Westen, große Produktionsmengen aus erneuerbaren Quellen im Osten[RF|W1] : Die Folgen dieser ungleichen Verteilung wurden im Mai 2023 besonders deutlich, als Österreich den eigenen Stromverbrauch bilanziell zu 100 % durch Erneuerbare decken und sogar Überschüsse erzielen konnte. An 16 Tagen musste jedoch in die Einsatzplanung der Pumpspeicherkraftwerke im Westen eingegriffen werden, weil die Netze zu schwach waren, um den Stromüberschuss aus dem Osten gen Westen zu transportieren. Dadurch gingen 18.320 MWh an potenzieller Speicherkapazität verloren (vgl. Artikel)

Die Kapazität des Übertragungsnetzes muss an die Spitzenlasten angepasst werden, und dieses sind bei einer volatilen erneuerbaren Produktionsanlage wie etwa einem burgenländischen Windpark beinahe dreimal so hoch bei einem Laufwasserkraftwerk an der Donau mit relativ gleichmäßiger Lastverteilung, wie folgende Grafik zeigt:

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© APG Vergleich Laufwasserkraftwerk und Windpark – Leistungsverteilung (links) bei vergleichbarer jährlicher Stromproduktion (rechts). Grafik: APG Netzentwicklungsplan 2023

Bei gleicher jährlicher Erzeugung von 1600 GWh erreicht das Laufwasserkraftwerk an der Donau über 5.400 Volllaststunden, während diese bei der Windenergie nur rund 2.000 Stunden pro Jahr betragen. Für dieselbe im Jahr erzeugte Energiemenge ist daher für den Windpark in etwa die dreifache installierte Anlagenleistung erforderlich. Die Spitzenlast in Österreich wird durch die volatile Produktion aus Erneuerbaren von 11 GW auf 20 GW steigen. Durch die gleichzeitige Aufstockung der Pumpspeicher-Leistung im Westen ist es notwendig, die Kapazität des Übertragungsnetzes so auszulegen, dass es nicht mehr zu eklatanten Engpässen im Flaschenhals zwischen West- und Ostösterreich kommt.

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Das Rückgrat der heimischen Stromversorgung ist der Ausbau eines Rings mit 380-kV Spannung. Durch den aktuellen Ausbau der Salzburgleitung von 220 auf 380 kV zwischen dem Netzknoten St. Peter am Hart (Oberösterreich) zum Netzknoten Tauern bei Kaprun (Salzburg) wird dieser für die Versorgungssicherheit wesentliche Ring im Westen Österreichs geschlossen. Bis 2033 folgt noch die 380-kV-Verbindung zwischen Lienz und Obersielach in Kärnten, um den Ring auch im Süden Österreichs zu schließen.

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© APG Netzentwicklungsplan 2023 der APG: Projekte für Leitungen und Umspannwerke. Grafik: APG

Die im Netzentwicklungsplan 2023 für das Übertragungsnetz der Austrian Power Grid AG dokumentierten Ausbauvorhaben umfassen unter anderem rund 400 km neue Leitungen im Übertragungsnetz, die Aufrüstung von 110 km bestehender Leitungen auf höhere Spannungsebenen sowie die Generalerneuerung von 340 km Leitungen. Bis 2033 sollen auch 25 neue Umspannwerke zur Verstärkung der Anbindungen der Verteilernetze sowie Ausbauten bestehender Umspannwerke mit zusätzlichen Umspannern folgen (Quelle: APG: „Netzentwicklungsplan 2023“)

Eine Vernachlässigung des Netzausbaus würde zu einem Mangel an Flexibilität führen, und diese wird für die Stabilität der Versorgung immer entscheidender: Für 2030 gehen Modelle für kürzere Zeiträume (Tag/ Woche) von einem Flexibilitätsbedarf in der Größenordnung von etwa 4 TWh aus, im Zeitraum eines Jahres prognostizieren die Szenarien 7,5 bis 10 TWh (Quelle: AIT-Studie: „Versorgungssicherheit“, 2019)

Folgen zu geringer Netzkapazitäten sind Engpässe bei überregionalen Stromtransporten, unter anderem auch von vertraglich gesicherten Importen, denn aktuell schon werden am liberalisierten Strommarkt Volumina gehandelt, die häufig über den physikalischen Transportkapazitäten der Netze liegen. Wenn der erzeugte Strom nicht abtransportiert werden kann, können Erzeugungsanlagen gezwungen sein, ihre Leistung zu drosseln oder vom Netz zu gehen. Wenn die Anschlussleistung fehlt, kann dies sogar die Realisierung geplanter Kraftwerksprojekte verhindern.

Die APG muss auf solche Situationen nahezu täglich mit Notfallmaßnahmen reagieren, dem so genannten Redispatch: Wenn der Strommarkt an die physikalischen Grenzen der Transportmöglichkeiten stößt, müssen zur Stabilisierung des Netzes (günstigere) Kraftwerke vom Netz genommen werden und dafür geographisch näher gelegene (oftmals fossile) Kraftwerke mit einem höheren Erzeugerpreis hochgefahren werden.

Zwischen 2017 bis 2022 waren der Einsatz von Redispatch bzw. von Netzreserveleistung an bis zu 300 Tagen pro Jahr erforderlich. Die damit verbundenen Kosten betrugen in diesem Zeitraum zwischen 92 und 149 Mio. Euro jährlich. Diese Kosten haben letztendlich die Netzkunden über die Netztarife zu tragen.

Kosten Netzausbau

Die APG hat 2023 Investitionen in Höhe von 490 Mio. Euro getätigt (2022 waren es 370 Mio. Euro) und plant insgesamt bis 2032 rund 3,5 Milliarden Euro in den Aus- und Umbau des Übertragungsnetzes zu investieren. In Summe wird die E-Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren 18 Milliarden Euro in die Netzinfrastruktur investieren (Quelle: APG News 20.12.2023).