Sparte Industrie

Schwierige Kollektivvertragsverhandlungen im Frühjahr 2024

Nach Warnstreiks konnte man sich nun auch in der chemischen Industrie auf einen KV-Abschluss einigen. Damit ist die Frühjahreslohnrunde 2024 so gut wie abgeschlossen

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24.06.2024

Die Kollektivvertragspartner aus Wirtschaft und Gewerkschaften sehen sich seit über zwei Jahren mit Rahmenbedingungen konfrontiert, die die kollektivvertraglichen Lohn- und Gehaltsvereinbarungen und das Finden eines Ausgleichs zwischen Kaufkraftstärkung und Standortsicherung enorm erschweren. Im Wesentlichen ist dies vor allem auf nachfolgende drei Faktoren zurückzuführen:

  • Teuerung: Eine bis dahin unvorstellbare Entwicklung der Inflationsrate, sowohl absolut als auch im Vergleich zu den Euro-Ländern und wichtigsten Handelspartnern. Aktuell hat sich die Teuerung zwar weiter verlangsamt, liegt aber mit 3,4 Prozent weiterhin über dem Schnitt der Eurozone. Dieser lag laut dem europäischen Statistikamt Eurostat mit 2,6 Prozent etwas höher als im April (2,4 Prozent).

  • Industrie-Rezession: Laut WIFO-Schnellschätzung stieg die österreichische Wirtschaftsleistung insgesamt im 1. Quartal 2024 um lediglich 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal. In der Industrie und im Bauwesen sank die Wertschöpfung abermals, womit die Rezession weiterhin anhielt.

  • Lohnstückkosten: Die Lohnstückkosten-Entwicklung in der Sachgütererzeugung zeigt innerhalb von zwei Jahren einen Anstieg von über 20 Prozent und eine gleichzeitig sinkende Produktivität.

Die Lohnstückkosten steigen in Österreich deutlich stärker als im EU-Schnitt. Die Zahlen der Europäischen Kommission sprechen eine klare Sprache: Mit einer Steigerung der Lohnstückkosten um 30,4 Prozent seit 2015 lag die Erhöhung bis zum Vorjahr um rund 10 Prozentpunkte über dem EU-27- und dem Euroraum-Schnitt. Verglichen mit den benachbarten Haupthandelspartnern lag der Anstieg um 5,4 Prozentpunkte über der Erhöhung in Deutschland und 17,1 Prozentpunkte über jener in Italien. Bis 2025 werden die Lohnstückkosten nach den Prognosen der Europäischen Kommission sogar um 43,5 Prozent gestiegen sein – und damit um rund 15 Prozentpunkte mehr als in den Ländern der EU-27 oder des Euroraums. Diese Entwicklung verschlechtert zusehends die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der exportorientierten heimischen Industrie. Weiter steigende Arbeitskosten in Österreich könnten die Wettbewerbsposition der österreichischen Unternehmen daher dauerhaft schädigen.

Trotzdem beharren die Gewerkschaften auf einer Abgeltung der rollierenden Inflation (12-Monatsschnitt), unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der jeweiligen Branche. Ein weiteres Indiz für die schwierige Situation ist darüber hinaus, dass die Kollektivvertragsverhandlungen zum Unterschied zu den Jahren mit relativ niedriger Inflation vor der Corona-Krise - deutlich mehr Verhandlungsrunden benötigen, bis ein Ergebnis erzielt werden kann. In der chemischen Industrie fanden nach der gescheiterten sechsten Verhandlungsrunde sogar Warnstreiks statt. In den Abendstunden des 17. Juni 2024 einigte man sich schließlich in der siebenten Verhandlungsrunde: Die Löhne und Gehälter in der Chemieindustrie steigen um 6,33 Prozent, maximal jedoch um 316,50 Euro. Mit dieser Deckelung der höheren Löhne und Gehälter ab Euro 5.000 konnte – erstmals im Rahmen eines einjährigen KV-Abschlusses – erreicht werden, dass die wirtschaftliche Auswirkung mit 5,54 Prozent im Gesamtergebnis doch deutlich unter der unter der rollierenden 12 Monatsinflation von 6,33 Prozent gehalten werden konnte. Insgesamt sind die Löhne und Gehälter in Österreich jedoch im EU-Vergleich am stärksten gestiegen.

Nachfolgend ein Auszug der bereits erfolgten Kollektivvertragsabschlüsse der Frühjahreslohn- und -gehaltsrunde 2024 innerhalb der Industrie:

  • Ledererzeugende Industrie (Arbeiter und Angestellte)
    Geltungsbeginn 1.1.2024
    IST Aufrechterhaltung der Überzahlung, KV 7,8 % ab 1.4.2024
  • Mineralölindustrie (Arbeiter und Angestellte)
    Geltungsbeginn 1.2.2024
    IST und KV zw. 8,5 und 7,8 (Ø 8,37 %)
  • PROPAK (Arbeiter und Angestellte)
    Geltungsbeginn 1.3.2024
    IST und KV 7,5 %, Mitarbeiterprämie EUR 200,- (IST: Ø 7,64 %, KV: Ø 7,98 %)
  • Textilindustrie (Arbeiter und Angestellte)
    2-Jahres-Abschluss
    Geltungsbeginn 1.4.2024
    IST 6,55 %, KV 7,1 %, Mitarbeiterprämie EUR 300,- (Lehrlinge: EUR 200,-), ab 1.6.2024
    Geltungsbeginn 1.4.2025
    IST und KV 0,3 % + Ø VPI 03/24 – 02/25
  • Holzindustrie (Arbeiter und Angestellte)
    2-Jahres-Abschluss 2023
    Geltungsbeginn 1.5.2024
    IST und KV 7,82 % (0,5 % + Ø VPI 2/23 – 1/24)
  • Bauindustrie (Arbeiter und Angestellte)
    2-Jahres-Abschluss 2023
    Geltungsbeginn 1.5.2024
    Arbeiter:
    IST Parallelverschiebung bleibt aufrecht, KV 7,15 % (0,35 % + Ø VPI 3/23 – 2/24)
    Angestellte:
    IST Parallelverschiebung bleibt aufrecht, KV 7,05 % - 0,25 % + Ø VPI 3/23 – 2/24
  • Stein- und keramische Industrie (Arbeiter)
    2-Jahres-Abschluss 2023
    Geltungsbeginn 1.5.2024
    IST 7,17 % (0,4 % + Ø VPI 3/23 – 2/24), KV 7,27 % (0,5 % + Ø VPI 3/23 – 2/24)
  • Elektro- und Elektronikindustrie (Arbeiter und Angestellte)
    Geltungsbeginn 1.5.2024
    IST 6,8 %, KV 7,5 %
    Verteilungsoption, Einmalzahlungsoption, Freizeitoption
  • Papierindustrie (Arbeiter und Angestellte)
    Geltungsbeginn 1.5.2024
    IST 6,6 %, KV 7,0 %, Mitarbeiterprämie EUR 400,- 
  • Chemische Industrie (Arbeiter und Angestellte)
    Geltunsbeginn 1.5.2024
    IST 6,33%, max. EUR 316,50; KV-Erhöhung der Lohntabelle um 6,33 %
    Erhöhung der Mindestgehälter in den VwGr I bis IVa, sowie in den Meistergruppen um 6,33 %; die Mindestgehälter der VwGr V bis VI um den Fixbetrag iHv EUR 316,50
  • Glashüttenindustrie und Glasbe- und -verarbeitende Industrie (Arbeiter) und Glasindustrie (Angestellte)
    Geltungsbeginn 1.6.2024
    IST 6,3 %, max. EUR 350,-, KV 6,5 %
  • Schuhindustrie (Arbeiter und Angestellte)
    2-Jahres-Abschluss 2023
    Geltungsbeginn: 1.6.2024
    IST und KV 6,13 % (VPI 05/23 – 04/24 + 0,3 %); Ang. VG V, VI: 6,03 % (VPI 05/23 – 04/24 + 0,2 %)
  • Lederwaren und Kofferindustrie (Arbeiter und Angestellte)
    2-Jahres-Abschluss 2023
    Geltungsbeginn: 1.6.2024
    Arbeiter:
    IST Aufrechterhaltung der Überzahlung, KV 6,18 % (VPI 05/23 – 04/24 + 0,35 %)
    Angestellte:
    IST und KV 6,18 % (VPI 05/23 – 04/24 + 0,35 %)

Autor:

Mag. Thomas STEGMÜLLER
E-Mail: thomas.stegmueller@wko.at