SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz
Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 2.7.2025
Lesedauer: 6 Minuten
Inhaltsübersicht
- Fehlzeitenreport 2025: Anhaltend hohe Krankenstände
- Gesetzliche Änderungen ab 1.7.2025
- Quoten für Ältere sind unnötig und schädlich
- Symposium zur Entgelttransparenz-Richtlinie am 22. September 2025
- Rekord-Löhne in Österreich: Erfolg oder Alarmsignal für unsere Wirtschaft?
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
nicht die Hitzewelle bringt die heimischen Unternehmen aktuell ins Schwitzen, sondern die derzeit noch schwache Konjunktur, steigende Arbeitskosten, internationale Unsicherheit, aber auch hohe Krankenstände: Diese waren 2024 erneut auf historisch hohem Niveau: 15,1 Tage waren die Österreicher 2024 krank, abgesehen vom Rekordjahr 2023 der höchste Wert seit 30 Jahren. Hintergründe und Details im Fehlzeitenreport, der heuer den Schwerpunkt Langzeitkrankenstände hat.
Endspurt im Nationalrat vor der Sommerpause: Da fast 60 % der Staatsausgaben auf Soziales und Gesundheit entfallen, ist der Bereich für die Budgetkonsolidierung zentral. Wir haben die – diesmal besonders zahlreichen – gesetzlichen Änderungen zusammengefasst.
Gefordert wird ein Bonus-Malus-Modell für Betriebe, die genug bzw. zu wenige Ältere beschäftigen. Unnötig und bürokratisch, wie Fakten und Zahlen zeigen.
Die EU-Lohntransparenz-Richtlinie verunsichert Betriebe, noch bevor sie gilt. Daher ein Symposium am 22.9. von WU und WKÖ.
Alles Gute!
Rolf Gleißner
Fehlzeitenreport 2025: Anhaltend hohe Krankenstände
2022 sind die Krankenstände abrupt gestiegen und bleiben seitdem auf hohem Niveau. Langzeitkrankenstände fallen immer stärker ins Gewicht. Die Ursachen sind nicht eindeutig.
Laut Fehlzeitenreport 2025 (erstellt vom WIFO im Auftrag von Dachverband, WKÖ und Bundesarbeitskammer) verbrachten unselbstständig Beschäftigte 2024 durchschnittlich 15,1 Kalendertage im Krankenstand – ein leichter Rückgang im Vergleich zum Rekordjahr 2023 mit 15,4 Tagen. So hohe Werte wurden zuletzt 1993 gemessen. In den 10 Jahren vor Covid waren die Österreicher zwischen 12,3 und 13,3 Tage pro Jahr krank. Besonders auffällig ist der wachsende Anteil der Versicherten, die mindestens einmal im Jahr krankgeschrieben waren, von 57,4 % vor Covid auf 70,1 % im Jahr 2024.
Der Trend zu mehr Krankenständen seit Covid ist international und betrifft die Mehrheit der OECD-Länder inkl. Deutschland. Die Ursachen sind nicht eindeutig – Faktoren sind u.a. Covid als neue Krankheit, der Einfluss von Covid auf das Immunsystem, höhere Sensibilität in Bezug auf mögliche Ansteckungen, die Zunahme psychischer Erkrankungen. Dem entspricht, dass die meisten Ausfälle mit einem Anteil von 24 % auf Atemwegserkrankungen entfielen, eine deutliche Zunahme. Rückläufig waren hingegen Ausfälle durch Verletzungen.
Zunahme bei Langzeitkrankenständen
Schwerpunkt des Fehlzeitenreports waren heuer Langzeitkrankenstände, die stärker ins Gewicht fallen als früher. Ihr Anteil an den Fällen macht zwar nur 3,1% aus, ihr Anteil an den Krankenstandstagen stieg aber stetig von 31,6% im Jahr 1990 auf 39,2% 2024. Eine Ursache dürfte die Zunahme an diagnostizierten psychischen Erkrankungen sein, die meist zu langen Ausfällen führen. Die Hauptursachen für Langzeitkrankenstände sind Muskel-Skelett-Erkrankungen, Verletzungen und Vergiftungen (Nr. 1 bei Männern) sowie psychische Erkrankungen (Nr. 1 bei Frauen).
Krankenstände belasten Betriebe massiv: Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen reduzierte sich 2024 dadurch um 4,1 %. Ein Anstieg um 3 Krankenstandstage entspricht fast 1% des Arbeitsvolumens. 1% können über (leichtes) Wachstum oder Rezession entscheiden!

Ein Krankenstandstag kostet mindestens 250 Euro
Jeder Krankenstandstag kostet Betriebe im Schnitt grob geschätzt mindestens 250 Euro – durch Entgeltfortzahlung, Überstunden von Kollegen bzw. verlorene Wertschöpfung. Die tatsächlichen Verluste hängen auch von der Auslastung ab. 100 % Entgeltfortzahlung sind übrigens die Ausnahme und gebühren nur in Österreich, Deutschland, Belgien und der Schweiz.
Chronische Erkrankungen stellen auch international eine wachsende Herausforderung für das Gesundheitssystem dar, wie die aktuelle PaRIS-Umfrage der OECD zeigt. Dabei haben einige Länder wirksame Maßnahmen ergriffen: Die Schweiz investiert in lange Konsultationszeiten und regelmäßige Medikationsüberprüfungen, die USA setzen auf integrierte Versorgungsmodelle und digitale Gesundheitswerkzeuge, und Kanada fördert die Selbstmanagement-Unterstützung sowie die Einbindung der Patienten in Entscheidungsprozesse. Auch das Programm der österreichischen Regierung sieht u.a. Maßnahmen im Bereich Rehabilitation und die Weiterentwicklung von Prävention und Gesundheitskompetenz vor.
Fazit
Krankenstände belasten Betroffene und Betriebe. Betriebe können zur Gesundheit beitragen durch ein gutes Betriebsklima, Rückkehrgespräche, Vorbildwirkung von Vorgesetzten, gesundheitsfördernde Maßnahmen, etc. Da wir aber maximal 10 % der Lebenszeit am Arbeitsplatz verbringen, können Betriebe die Gesundheit nur begrenzt steuern. Dem entspricht, dass das Kuratorium für Verkehrssicherheit 2024 804.500 Unfälle zählte, die im Spital behandelt werden mussten, darunter nur 112.000 im Bereich Arbeit und Schule. Entscheidend sind Gesundheitskompetenz und -verhalten des Einzelnen.
- Fehlzeitenreport 2025
- Does healthcare deliver? Results from the patient reported indicator surveys (PaRIS), OECD, 2025
von Mag. Dr. Rolf Gleißner; Mag. Maria Cristina de Arteaga
Gesetzliche Änderungen ab 1.7.2025
Da fast 60 % der Staatsausgaben auf Soziales und Gesundheit entfallen, ist der Bereich für die Budgetkonsolidierung zentral. Daher ergeben sich diesmal besonders zahlreiche gesetzliche Änderungen in den Bereichen, die wir zusammengefasst haben. Die Gesetzwerdung ist vielfach abzuwarten, da am 9./10.7. noch der Nationalrat tagt.
Gesetzliche Änderungen ab 1.7.2025
Quoten für Ältere sind unnötig und schädlich
AK und ÖGB fordern ein Quotensystem für Arbeitnehmer ab 60 Jahre. Die Fakten zeigen, dass die Forderung an der Realität vorbei geht. Der Hebel dafür, Ältere länger im Erwerb zu halten, liegt nicht bei Quoten, sondern im Pensionssystem.
Um das faktischen Pensionsantrittsalter, das in Ö aktuell (wie vor 50 Jahren) bei 61 Jahren liegt, anzuheben, bringen aktuell Arbeiterkammer und ÖGB ein Quotensystem für ältere Arbeitnehmer ab 60 Jahren in Diskussion. Demnach müssten Unternehmen, die weniger Beschäftigte 60+ haben als der Branchenschnitt, höhere Lohnnebenkosten zahlen.
Die Wirtschaft lehnt einen solchen dirigistischen Eingriff aus guten Gründen strikt ab: Ein Blick auf die Lage Älterer auf dem Arbeitsmarkt zeigt, dass Ältere auf dem Arbeitsmarkt gut positioniert sind. Die Arbeitslosigkeit der Altersgruppe 50 plus ist gering. Ihre nationale Arbeitslosenquote ist annährend gleich hoch wie die Arbeitslosenquote im Durchschnitt aller Altersgruppen. Probleme auf dem Arbeitsmarkt weisen eher die Jüngeren (15 bis 24 J) auf. Laut Eurostat ist die Arbeitslosenquote Jüngerer dreimal so hoch wie jene Älterer. Eurostat zählt dabei auch Jugendliche, die eine Arbeit suchen, aber mangels Arbeitslosengeld nicht beim AMS registriert sind.

Vor allem Frauen sind bis zum Pensionsantritt sehr gut im Arbeitsmarkt integriert. Von Jänner bis April 2025 erfolgten die Übertritte ins Pensionssystem bei Frauen zu 75 % (Männer zu 66,3 %) unmittelbar aus vorhergehender Beschäftigung. Nur 6 % der Frauen sind aus Arbeitslosigkeit (Männer zu 14,7 %) in Pension gegangen. 4,2 % der Frauen wechselten aus gesicherter erwerbsferner Position (u.a. Rehageldbezug, Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung, etc.) und 10 % aus sonstiger erwerbsferner Position (u.a. Mitversicherung mit dem Partner, sonstige Versicherungszeiten, Versicherungslücke) in die Pension (Quelle AMS Erwerbskarrierenmonitoring).
Eine Analyse der Endigungsgründe von Dienstverhältnissen von Personen 50 plus zeigt, dass rund 75 % aller Dienstverhältnisse von Arbeitnehmern 50 plus durch Pensionierung, einvernehmliche Lösung, Zeitablauf, Auflösung in der Probezeit oder Dienstnehmerkündigung endet. Nur 9 % endeten durch Arbeitgeberkündigung (Quelle AMS, Sonderauswertung 30.6.2025).
Der Hebel für die Beschäftigung Älterer liegt im Pensionssystem
Die schrittweise Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalter der Frauen ab 1.1. 2024 hatte eine äußerst positive Auswirkung auf die Erwerbsbeteiligung der Frauen 60 plus.
Absolut hat sich das Arbeitskräftepotenzial der Frauen 60+ von Mai 2023 bis Mai 2025 um 38.400 Frauen auf 88.800 erhöht. Nur 7 % davon sind arbeitslos, 93 % sind beschäftigt.
Fazit
Frauen 60+ sind vom Arbeitsmarkt sehr gut aufgenommen worden, was zeigt, dass das Pensionsantrittsalter die stärkste Auswirkung auf die Beschäftigung Älterer hat. Es brauchte dazu kein bürokratisches Quotensystem. Stattdessen sollte man auf bewährte und erfolgreiche AMS-Instrumente für die Älterenbeschäftigung setzen, insbesondere die Eingliederungsbeihilfe (= befristeter Lohnkostenzuschuss für Betriebe, die ältere Arbeitslose einstellen).
von Mag. Maria Kaun
Symposium zur Entgelttransparenz-Richtlinie am 22. September 2025
Entgelttransparenz-Richtlinie ist bis Juni 2026 umzusetzen und bringt zahlreiche Verpflichtungen für Unternehmen. Wirtschaftsuniversität Wien und WKÖ veranstalten daher ein Symposium, das die wichtigsten Fragen der Richtlinie beleuchtet: Was ist gleichwertige Arbeit, wie ist die Rechtsdurchsetzung, Informations- und Transparenzpflichten, etc. Im Anschluss diskutieren Praktiker und Vertretern der Sozialpartner die Umsetzung.
Zeit: 14:00 - 17:45
Ort: Am Campus WU Wien (Learning Center, LC.2.400 Clubraum)
Anmeldungen bis 15. September 2025 unter: arbeitsrecht.sozialrecht@wu.ac.at
Rekord-Löhne in Österreich: Erfolg oder Alarmsignal für unsere Wirtschaft?
Warum eine hohe Lohnquote nicht automatisch etwas Gutes ist und wie Unternehmen dennoch zukunftsfähig bleiben können, erfährst du hier. Wie kann Österreich den Spagat zwischen sozialem Anspruch und wirtschaftlicher Realität schaffen?
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