Strukturwandel in der Industrie: Dienstleistung als Wertschöpfungstreiber
Europas Industrie verändert sich grundlegend – Dienstleistungen gewinnen an Bedeutung, während die Produktion an Schlagkraft verliert
Lesedauer: 1 Minute
Die europäische Industrie steht seit mehreren Jahren sowohl vor konjunkturellen als auch zunehmend vor strukturellen Herausforderungen. Angesichts der anhaltenden Krisenphase stellt sich die Frage: Verliert Europas industrielle Basis allmählich an Gewicht?
Eine aktuelle Analyse von Lehmann et al. (2025) zeigt, dass eine solche Schlussfolgerung zu kurz greifen würde. Vielmehr gewinnen zunehmend hybride Geschäftsmodelle an Bedeutung, bei denen ein steigender Anteil der Umsätze aus produktbegleitenden Dienstleistungen erzielt wird.
Dieser Wandel lässt sich empirisch belegen: Neben dem Produktionsindex, der die Menge der produzierten Industriewaren misst, liefert die Bruttowertschöpfung (BWS) eine zusätzliche Perspektive, da sie auch Umsätze aus sonstigen nichtindustriellen Tätigkeiten wie Wartung, Beratung oder Softwarelösungen berücksichtigt.
Die Daten zeigen: Im EU-Durchschnitt stieg die BWS der Industrie um +14% – deutlich stärker als der Produktionsindex mit +8%.
Besonders kräftig haben beide Kennziffern in Dänemark zugelegt. Österreich zählt gemeinsam mit Slowenien und Zypern zu jenen Ländern, in denen beide Indikatoren in etwa gleich stark gestiegen sind. Bei den Ländern unterhalb der Geraden ist die Produktion stärker als die Bruttowertschöpfung gestiegen, wie etwa Irland, Belgien und einige osteuropäische Länder. Dementgegen verzeichnen Länder wie Deutschland und Luxemburg deutliche Rückgänge bei der Produktion, aber trotzdem eine steigende Bruttowertschöpfung.
Für Österreich könnte die traditionelle Rolle als Zulieferstandort, insbesondere in der Automobilindustrie, eine mögliche Erklärung dafür sein, dass die strategische Erweiterung industrieller Aktivitäten um Dienstleistungen (Servitisierung) bislang nur begrenzt erfolgte. Solche produktbegleitenden Services entstehen typischerweise vermehrt im Umfeld von ausgeprägten Endfertigungsstrukturen.
Fazit: Strukturpolitische Weichen stellen, drohende Deindustrialisierung abwenden
Die Industrie in Europa befindet sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Damit dieser nicht in eine Deindustrialisierung mündet, gilt es, die Unternehmen in diesem Transformationsprozess gezielt zu unterstützen.
Neben der Optimierung zentraler Standortfaktoren, wie einer modernen Infrastruktur, gut qualifizierten Arbeitskräften und geringen angebotsseitigen Kostenhemmnissen, kommt es gerade jetzt darauf an, die richtigen strukturpolitischen Weichen zu stellen. Die von der Bundesregierung angekündigte Industriestrategie für Österreich bietet dafür eine wichtige Chance.
Grafik downloaden