Marktbeherrschung im österreichischen Kartellrecht

Es ist Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung verboten, ihre Marktmacht zu missbrauchen; auch ein Zusammenschluss zwischen Unternehmen kann untersagt werden, wenn durch den Vorgang eine marktbeherrschende Stellung hergestellt oder verstärkt wird.

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Der Begriff „Marktbeherrschung“ spielt im Kartellrecht eine zweifache Rolle: Erstens ist es Unternehmen mit marktbeherrschender (auch: beherrschender) Stellung verboten, ihre Marktmacht zu missbrauchen; zweitens kann ein Zusammenschluss zwischen Unternehmen untersagt werden, wenn durch den Vorgang eine marktbeherrschende Stellung hergestellt oder verstärkt wird.

Obgleich Marktbeherrschung ein rechtlicher Begriff ist, kommt seinem Inhalt vor allem wirtschaftliche Bedeutung zu. Üblicherweise wird in der Wirtschaftstheorie von Marktbeherrschung gesprochen, wenn ein Unternehmen unabhängig von Wettbewerbern und anderen Marktkräften seine Preis- und Produktionsvorstellungen am Markt durchsetzen kann. Diese mächtige Position am Markt hängt neben vielen anderen Parametern wesentlich von den Marktanteilen des Unternehmens und dem Konzentrationsgrad am jeweiligen Markt ab. 

Es ist wichtig festzuhalten, dass es dem natürlichen Streben eines jeden Unternehmens entspricht, durch sein strategisches und operatives Marktverhalten möglichst viel positive Unterscheidungskraft gegenüber dem Mitbewerb aufzubauen, um Gewinne zu erwirtschaften. Daher ist Marktmacht per se noch nicht negativ; sie muss aber unter besondere staatliche Aufsicht gestellt werden, um keinen weiteren Schaden für die Marktstruktur bzw. weitere Unternehmen und Konsumenten herbeizuführen. Jedenfalls ist aber der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten, wenn der Marktbeherrscher versucht, andere Unternehmen am Markt zu behindern (insbesondere Konkurrenten) oder auszubeuten (z.B. abhängige Vertragspartner).

Im österreichischen Kartellrecht wird nicht zwischen einer Marktbeherrschung bei der Untersuchung eines Sachverhaltes im Hinblick auf einen allfälligen Missbrauch oder die Zwecke der Zusammenschlusskontrolle unterschieden; es gelten daher die ähnliche Überlegungen hier wie dort.

Relevanter Markt

Unerlässlich, aber komplex ist die Beantwortung der Vorfrage, welcher Markt für die Betrachtung im Einzelfall geboten ist. Man spricht dabei vom „relevanten Markt“ und trennt diesen in eine sachliche und eine räumliche, manchmal sogar eine zeitliche Komponente. Betrachtungsobjekt für die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung ist daher gewöhnlich der sachlich und räumlich relevante Markt. Das österreichische Kartellrecht geht dabei vom sogenannten „Bedarfsmarktkonzept“ aus; das bedeutet, dass alle betrachteten Waren bzw. Dienstleistung dann dem selben Markt angehören, wenn sie aus Sicht der Nachfrager unter den gegebenen Marktverhältnissen der Deckung desselben Bedarfs dienen. 

Faustregel

Aus der Sicht eines einzelnen Unternehmens kommt man zu einer groben Markteinschätzung durch die Betrachtung, mit welchen Produkten bzw. Dienstleistungen die eigenen Produkte bzw. Dienstleistungen unmittelbar in Konkurrenz stehen und in welchem räumlichen Einzugsbereich aktuell wirtschaftliche Austauschbeziehungen stattfinden. Also:

  1. Wenn der Kunde nicht mein Produkt kauft, auf welche Alternative kann er ausweichen, wenn er den gleichen Bedarf decken will?
  2. Innerhalb welcher Vertriebsgebiete werden die eigenen wie die Konkurrenzprodukte abgesetzt?

Das Bedarfsmarktkonzept ist im österreichischen Kartellgesetz nicht näher ausgeführt; für nähere Erläuterungen zur Abgrenzung des sachlich und räumlich relevanten Marktes kann auch hilfsweise auf die von der EU Kommission erlassene Bekanntmachung zum relevanten Markt zurückgegriffen werden.

Tipp:

Zur Bekanntmachung der Kommission

Einzelmarktbeherrschung

Marktbeherrschend im Sinne des österreichischen Kartellrechtes ist ein Unternehmen, welches keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist (z.B. Monopolunternehmen) oder ein im Verhältnis zu anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat; dabei sind insbesondere die Finanzkraft, die Beziehungen zu anderen Unternehmen, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten, die Bedeutung seiner Vermittlungsleistungen für den Zugang anderer Unternehmen zu Beschaffungs- und Absatzmärkten, der Zugang zu wettbewerblich relevanten Daten, der aus Netzwerkeffekten gezogene Nutzen sowie die Umstände zu berücksichtigen, die den Marktzutritt für andere Unternehmen beschränken. 

Zur leichteren Feststellung dieser qualitativ schwierig nachzuweisenden Marktmacht, wird die Beweislast ab den nachfolgend genannten Schwellenwerten zu Ungunsten des potentiellen Marktbeherrschers geändert, aber er kann den Gegenbeweis führen, nicht marktbeherrschend zu sein. 

Quantitative Schwellenwerte

  • Marktanteil von mind.30 %, oder
  • Marktanteil von über 5 %, wenn max. 2 weitere Unternehmen am Markt sind, oder
  • Marktanteil von über 5 %, wenn die vier größten Unternehmen am Markt einen gemeinsamen Marktanteil von mind. 80 % halten.  

Kollektive Marktbeherrschung

Zwei oder mehr Unternehmen können gemeinsam auch dann (gemeinsam) marktbeherrschend sein, wenn nicht jedes Unternehmen für sich aber die Gesamtheit aller betroffenen Unternehmen die Definition der Einzelmarktbeherrschung erfüllt. 

Quantitative Schwellenwerte:

  • zwei oder drei Unternehmen verfügen über einen gemeinsamen Marktanteil von mind. 50%, oder
  • vier oder fünf Unternehmen verfügen über einen gemeinsamen Marktanteil von mind. 2/3.

Relative Marktmacht

Auch wenn ein Unternehmen den oben erklärten Begriff der Marktbeherrschung nicht erfüllt, kann er im Verhältnis zu seinen Abnehmern oder Lieferanten trotzdem eine überragende Marktstellung einnehmen. Eine solche liegt insbesondere vor, wenn die abhängigen Unternehmen zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, welche Bedeutung der Entfall des Umsatzes für das Unternehmen hat, welche Möglichkeiten der Ersatzbeschaffung in wirtschaftlich zumutbarer Weise vorgenommen werden können, etc. 

Ein Unternehmer, der als Vermittler auf einem mehrseitigen digitalen Markt tätig ist, gilt auch als marktbeherrschend, wenn die Nachfrager seiner Vermittlungsleistung auf die Begründung einer Geschäftsbeziehung zur Vermeidung schwerer betriebswirtschaftlicher Nachteile angewiesen sind. 

Bei der Anwendung der europäischen Rechtsvorschriften gelten die Regeln für die Beweislastumkehr grundsätzlich nicht; im EU-Wettbewerbsrecht gibt es keine klaren gesetzlichen Vorgaben, wann eine beherrschende Stellung vorliegt. Dies ist entsprechend den Umständen des Einzelfalles zu untersuchen. 

Erst wenn einer der genannten Fälle vorliegt müssen die weiteren Rechtsfragen, ob ein Missbrauch dieser Marktbeherrschung vorliegt oder ob eine allfällige Rechtfertigung für die Herstellung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung gegeben ist, geprüft werden.

Stand: 24.02.2023