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Vergabe­recht warum?

Die wichtigsten Rechts­grund­sätze

Lesedauer: 2 Minuten

Welche Ziele sollen mit dem Vergaberecht erreicht werden?

Das Recht der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, kurz Vergaberecht genannt, hat in Österreich eine noch sehr kurze Tradition; in der Europäischen Union eine etwas längere. Das Vergaberecht greift in einen Problembereich ein, dessen wirtschaftliche Bedeutung etwas klarer wird, wenn man folgendes berücksichtigt:

Im Jahr 2022 wird die Staatsquote in Österreich laut der Prognose voraussichtlich bei rund 50,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Damit würde sie gegenüber dem Vorjahr sinken. Die Staatsquote bezeichnet das Verhältnis der Staatsausgaben zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). 

Österreich - Staatsquote 2020 | Statista – Staatsquote in Österreich

Sie liegt auch in den anderen europäischen Ländern durchschnittlich nicht wesentlich darunter. Mit dieser geballten Finanzkraft tritt der Staat in Gestalt des Bundes, der Länder sowie der Gemeinden und aller Gesellschaften, an denen diese Gebietskörperschaften einen Mehrheitsanteil halten, als Nachfrager von Waren und Dienstleistungen auf dem Markt auf.

Wenn den Entscheidungsträgern auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene sowie in den von diesen beherrschten Gesellschaften eine rein willkürliche Vergabe der öffentlichen Aufträge möglich wäre, so könnten die durch sie repräsentierten Gebietskörperschaften aus zwei wichtigen Gründen schweren Schaden nehmen: 

1. Persönliche Gründe

Es könnte die Gefahr bestehen, dass Entscheidungsträger das Instrument der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und damit eine riesige nicht in ihrem Eigentum stehende Geldmenge zum Zwecke der unrechtmäßigen Bevorzugung Einzelner benützen. Selbst wenn den Gebietskörperschaften dadurch noch kein unmittelbarer Schaden entsteht, wie anschließend erläutert, so bestünde dadurch doch eine unzulässige weil unbegründete Bevorzugung von gewissen Auftragnehmern zu Lasten anderer gleich guter oder besserer und leistungsfähigerer Unternehmen.

2. Ökonomische Gründe

Es könnte den Gebietskörperschaften (Bund, Ländern, Gemeinden und den mehrheitlich in deren Eigentum stehenden Gesellschaften) und damit letztlich dem Staat durch nicht marktkonforme Vertragsbedingungen sowie durch mangelhafte Leistungserbringung seitens der Warenlieferanten, nicht zuletzt wegen der vorher erwähnten unrechtmäßigen Bevorzugung durch deren Organe, schwerwiegender ökonomischer Schaden entstehen.


Hinweis:
Die übergeordnete und zentrale Forderung an ein Vergabeverfahren ist daher jene nach einem freien und lauteren Wettbewerb. Diese Forderung nach einem echten Wettbewerb entspricht marktwirtschaftlichen Grundsätzen und gilt für alle nach dem Vergabegesetz ausgerichteten Vergabearten.   


Ziel des Vergaberechts:

Ziel des Vergaberechtes ist die Vergabe von öffentlichen Liefer- und Leistungsaufträgen an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen zu marktgerechten Preisen.

Die Generalklausel dazu lautet:

Aufträge über Leistungen sind nach einem im Bundesvergabegesetz vorgesehenen Verfahren, entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu vergeben.

Die wichtigsten Rechtsgrundsätze des Vergaberechts

Aus dem Bundesvergabegesetz und aus der Bundesverfassung in Verbindung mit der Kontrolle durch den Rechnungshof lassen sich die folgenden Grundsätze für das Recht der Vergabe entnehmen. Wenn sich bei der Auslegung einzelner Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes zwei oder mehrere Möglichkeiten ergeben, so können diese Grundsätze zusätzlich herangezogen werden und dies kann im Einzelfall zu einer klaren Interpretation führen.

Die wichtigsten Grundsätze des Vergaberechts

  • Freier und lauterer Wettbewerb
  • Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter – Diskriminierungsverbot
  • Angemessenheit der Preise
  • Auftragsvergabe an rechtlich befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer
  • Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen
  • rein sachliche Beurteilung der Bieter und der Angebote
  • Transparenz im Vergabeverfahren
  • Absicht zur tatsächlichen Leistungsvergabe
  • Bedachtnahme auf die Umweltgerechtigkeit der Leistung

Ergänzend dazu kommt noch die Notwendigkeit einer effektiven Bekämpfbarkeit von Vergabeentscheidungen. So hat der Verfassungsgerichtshof erkannt, dass auch unterhalb der EU-Schwellwerte des Vergaberechts nicht nur die Schadenersatzklage bei Gericht ausreicht, sondern ein effektiver Vergaberechtsschutz geschaffen werden muss, so wie dies in den Jahren zuvor oberhalb dieser Schwellwerte durch die Anfechtungsmöglichkeit von Entscheidungen der vergebenden Stelle vor dem Bundesvergabeamt bestanden hat.

Dieser Vorgabe des VfGH nach einer Ausdehnung des Rechtsschutzes wurde durch das Bundesvergabegesetz 2006 i.d.g.F. Rechnung getragen.

Stand: 01.01.2024

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