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Rechtswirkungen einer Insolvenz auf noch nicht erfüllte Verträge

Sonderbestimmungen für Miet- und Arbeitsverträge

Lesedauer: 2 Minuten

Allgemeines zur Erfüllung von Verträgen

Hat der Vertragspartner des insolventen Schuldners vor Insolvenzeröffnung seine Leistung aus einem zweiseitigen Vertrag (z.B. Kauf- oder Werkvertrag) bereits vollständig erfüllt, die Gegenleistung (z.B. Zahlung) jedoch noch nicht erhalten, so ist er Insolvenzgläubiger. Er erhält daher nur die entsprechende Quote, wenn seine Forderung nicht z.B. durch Bankgarantie, Pfandrecht oder Eigentumsvorbehalt insolvenzfest gesichert ist.

Wenn hingegen der insolvente Vertragspartner seine Leistung schon vollständig erbracht hat, muss auch die Gegenleistung bzw. der vor Insolvenzeröffnung noch nicht geleistete Teil davon an die Insolvenzmasse erbracht bzw. bezahlt werden.

Besonderheiten bei beiderseits nicht (vollständig) erfüllten Verträgen

Wenn beide Vertragspartner den Vertrag zur Zeit der Insolvenzeröffnung noch nicht oder nicht vollständig erfüllt haben, gelten spezielle Regeln. Diese sind z.B. dann anwendbar, wenn auf beiden Seiten nur Teilleistungen erfolgt sind, wenn noch Gewährleistungsansprüche zu erfüllen sind und die Leistung nicht vollständig bezahlt wurde oder wenn wegen eines vereinbarten Eigentumsvorbehaltes mangels Kaufpreiszahlung das Eigentum noch nicht übergegangen ist. In diesen Fällen muss sich der Insolvenzverwalter zum weiteren Schicksal des Vertrages äußern, er kann

  • entweder an Stelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und im Gegenzug auch vom Vertragspartner dessen Leistung verlangen
  • oder vom Vertrag zurücktreten.

Gibt der Insolvenzverwalter nicht (formlos) zu erkennen, dass er am Vertrag festhalten will, wird angenommen, dass er vom Vertrag zurücktritt.

Der Gläubiger kann aber auch beim Insolvenzgericht einen Antrag auf Festsetzung einer Frist für die Erklärung des Insolvenzverwalters stellen. Die Erklärungsfrist darf frühestens drei Tage nach der Berichtstagsatzung enden, weil die Entscheidung häufig mit der Frage der Unternehmensfortführung verknüpft ist. Eine kurze Frist von fünf Arbeitstagen ist allerdings vorgesehen, wenn der insolvente Schuldner zu einer nicht in Geld bestehenden Leistung (etwa im Falle von Werkverträgen) verpflichtet ist, mit deren Erfüllung er in Verzug ist. Äußert sich der Insolvenzverwalter innerhalb dieser kurzen Frist nicht, dann wird angenommen, dass er vom Vertrag zurücktritt.

Tritt der Insolvenzverwalter in einen Vertrag ein, so erhält der Vertragspartner nicht nur die Quote, sondern die vollständige Gegenleistung. Im Falle des Rücktrittes kann der Vertragspartner den Ersatz des ihm verursachten Schadens – allerdings nur als Insolvenzforderung − verlangen.

Zurückbehaltungsrecht des Vertragspartners

Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages und ist der Vertragspartner zur Vorausleistung verpflichtet, so kann dieser seine Leistung bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung verweigern, wenn ihm bei Vertragsabschluss die schlechten Vermögensverhältnisse des nunmehr insolventen Schuldners nicht bekannt sein mussten.

Der Insolvenzverwalter kann zwischen Erfüllung und Sicherstellung der Gegenleistung wählen.

Teilbare Leistungen

Besonderes gilt, wenn die geschuldeten Leistungen auf beiden Seiten teilbar sind und der Gläubiger seine Leistung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits teilweise erbracht hat. Das können z.B. Energielieferverträge oder Versicherungsverträge sein.

In diesem Fall wird „gesplittet“: Hinsichtlich der Gegenleistung des insolventen Schuldners für die schon erfolgte Teilleistung besteht eine Insolvenzforderung. Für den auf beiden Seiten noch unerfüllten Teil des Vertrages gilt das Wahlrecht des Insolvenzverwalters.

Beispiel:
Es wird die Lieferung von 500 Einheiten eines Rohstoffes vereinbart. Vor Insolvenzeröffnung werden 300 Einheiten geliefert, aber noch nicht bezahlt. Der Lieferant hat hinsichtlich des Kaufpreises für die gelieferten 300 Einheiten eine Insolvenzforderung. Hinsichtlich der restlichen 200 Einheiten hat der Insolvenzverwalter das Wahlrecht, ob er am Vertrag festhält und den Kaufpreis dafür zur Gänze bezahlt oder ob er vom Vertrag zurücktritt.

Stand: 04.08.2022

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