Gewährleistung nach Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) bei digitalen Leistungen – Leistungsfrist und Recht auf Leistungsänderung

Regelungen ab 1.1.2022

Lesedauer: 6 Minuten

Allgemeines

Das Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) regelt neben der Gewährleistung für die Bereitstellung digitaler Leistungen (digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen) auch Fragen des Inhalts der Leistung (neueste Version), der Leistungsfrist sowie das Recht des Unternehmers auf Leistungsänderung. Die Rechtsfolgen einer verspäteten Leistung (Verzug) finden sich hingegen im Konsumentenschutzgesetz (KSchG). 

1. Neueste Version (§ 6 Abs 4 VGG) und Aktualisierungspflicht (§ 7 VGG) 

Bei digitalen Leistungen muss die neueste, bei Vertragsabschluss verfügbare Version bereitgestellt werden, sofern nichts anderes vereinbart wurde. Diese Bestimmung gilt nur bei Verträgen mit Verbrauchern (B2C).

Es ist möglich, von dem Grundsatz, dass die neueste verfügbare Version bereitgestellt werden muss, vertraglich abzugehen. Während ansonsten bei den wenigen zulässigen vertraglichen Abweichungen vom VGG immer verlangt wird, dass der Verbraucher von vertraglichen Abweichungen eigens in Kenntnis gesetzt werden muss und der Abweichung ausdrücklich und gesondert zustimmen muss (z.B. über eine Checkbox), ist dies bei der Verpflichtung zur Lieferung der neuesten Leistung nicht der Fall.

Außerdem kennt das VGG eine Aktualisierungspflicht (Update-Pflicht). Diese gilt aufgrund einer ausdrücklichen Anordnung des VGG auch für Geschäfte zwischen Unternehmern (B2B): Auch wenn Updates nicht extra vereinbart wurden, hat der Verbraucher/der Unternehmer das Recht, jene Updates zu erhalten, die notwendig sind, damit die digitale Leistung weiterhin dem Vertrag entspricht.

Verbrauchern gegenüber kann die Aktualisierungspflicht nur wie folgt vertraglich geändert werden: Nur wenn der Verbraucher bei Vertragsabschluss eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass von der Aktualisierungspflicht abgegangen wird und der Verbraucher dazu bei Vertragsabschluss ausdrücklich (aktiv und eindeutig) und gesondert (getrennt von anderen Erklärungen) zugestimmt hat, entfällt die Aktualisierungspflicht.

Tipp: Eine Möglichkeit online wäre das gesonderte Ankreuzen einer Checkbox. 

Die Aktualisierungspflicht besteht für den gesamten (befristeten oder unbefristeten) Zeitraum, für den die digitale Leistung nach dem Vertrag fortlaufend bereitzustellen ist. Wird die digitale Leistung nur einmal (oder mehrmals einzeln) bereitgestellt, dann besteht die Aktualisierungspflicht so lange, wie auf Grund der Art oder des Zwecks der digitalen Leistung vernünftigerweise damit gerechnet werden kann.

Wird gegen die Verpflichtung, die neueste Version bereitzustellen oder gegen die Aktualisierungspflicht verstoßen, so ist die Leistung mangelhaft und es kommen die Regeln der Gewährleistung zur Anwendung. 

2. Erfüllung und Leistungsfrist (§ 17 VGG) 

Der Unternehmer hat seine Leistung zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist zu erbringen. Besteht keine diesbezügliche Vereinbarung, so hat der Unternehmer seine Leistung gegenüber dem Verbraucher unverzüglich nach Vertragsabschluss zu erbringen.

Die Verpflichtung zur sofortigen Erfüllung nach Vertragsabschluss ist daher vertraglich abänderbar, indem ein anderer Leistungszeitpunkt oder eine andere Leistungsfrist vereinbart werden. 

Der Unternehmer hat seine Pflicht zur Bereitstellung einer digitalen Leistung (digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen) erfüllt, sobald

  • der digitale Inhalt oder ein für den Zugang zu ihm oder für sein Herunterladen geeignetes Mittel entweder dem Verbraucher oder einer vom Verbraucher zu diesem Zweck bestimmten körperlichen oder virtuellen Einrichtung zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht worden ist oder
  • die digitale Dienstleistung dem Verbraucher oder einer vom Verbraucher zu diesem Zweck bestimmten körperlichen oder virtuellen Einrichtung zugänglich gemacht worden ist.

Der Verbraucher muss die Möglichkeit haben, auf die digitale Leistung angemessen lange zugreifen zu können. 

3. Nachträgliche Änderung der digitalen Leistung (§ 27 VGG)

Wenn die digitale Leistung fortlaufend über einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum bereitzustellen ist, kann der Unternehmer, über die Aktualisierungspflicht hinaus, die digitale Leistung nach Vertragsabschuss ändern, wenn

  • im Vertrag eine solche Änderung sowie ein triftiger Grund (z.B. neue technische Umgebung, erhöhte Nutzerzahl) dafür vorgesehen sind und
  • die Änderung für den Verbraucher nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden ist (selbst dann, wenn die Änderung für den Verbraucher eine Verbesserung darstellt) und
  • der Verbraucher klar und verständlich über die Änderung informiert wird und
  • der Verbraucher bei einer nicht nur geringfügigen Beeinträchtigung in angemessener Frist im Vorhinein mittels eines dauerhaften Datenträgers (z.B. E-Mail) über die Merkmale und den Zeitpunkt der Änderung sowie über sein Vertragsauflösungsrecht bzw. über die Möglichkeit der unveränderten Beibehaltung informiert wird. 

Der Verbraucher hat das Recht zur kostenfreien Auflösung des Vertrags, wenn durch die Änderung sein Zugang zur digitalen Leistung oder deren Nutzung nicht nur geringfügig beeinträchtigt wird.

Ob eine nicht nur geringfügige Beeinträchtigung vorliegt, hängt von Art und Zweck der digitalen Leistung und der Qualität, der Funktionalität, der Kompatibilität und anderer wesentlicher Merkmale, wie sie bei digitalen Leistungen gleicher Art üblich sind, ab. Die Beeinträchtigung muss also objektiv mess- und fassbar sein, eine bloß subjektiv empfundene Beeinträchtigung, wie etwa eine farbliche Änderung der Benutzeroberfläche, stellt keinen Auflösungsanspruch dar.

Der Verbraucher muss sein Vertragsauflösungsrecht innerhalb von 30 Tagen nach dem Zeitpunkt der Änderung ausüben. Die Frist von 30 Tagen beginnt erst dann zu laufen, sobald der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen über die Änderung und über das Vertragsauflösungsrecht sowie die Möglichkeit der unveränderten Beibehaltung gegeben hat.

Kommt es zur Vertragsauflösung, so gelten die Regelungen zur Vertragsauflösung im Rahmen des VGG. Näheres dazu: Rechte des Verbrauchers aus der Gewährleistung

Kein Auflösungsrecht des Vertrages besteht für den Verbraucher, wenn ihm der Unternehmer die unveränderte Beibehaltung der digitalen Leistung ohne zusätzliche Kosten ermöglicht und die digitale Leistung weiterhin dem Vertrag entspricht.

Diese Regelungen über nachträgliche Änderungen gelten nicht, wenn die Leistung (ein Leistungspaket) Elemente eines Internetzugangsdienstes enthält oder Elemente nummerngebundener interpersoneller Kommunikationsdienste umfasst.

Ein Internetzugangsdienst ist ein öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienst, der unabhängig von der verwendeten Netztechnologie und den verwendeten Endgeräten Zugang zum Internet und somit Verbindungen zu praktisch allen Abschlusspunkten des Internets bietet.

Ein nummerngebundener interpersoneller Kommunikationsdienst ist ein interpersoneller Kommunikationsdienst, der entweder eine Verbindung zu öffentlich zugeteilten Nummerierungsressourcen, nämlich Nummern nationaler oder internationaler Nummerierungspläne, herstellt oder die Kommunikation mit Nummern nationaler oder internationaler Nummerierungspläne ermöglicht.

4. Verzug bei der Bereitstellung digitaler Leistungen (§ 7d KSchG) 

Hat der Unternehmer die digitale Leistung trotz Fälligkeit nicht bereitgestellt, kann der Verbraucher den Unternehmer zur Bereitstellung auffordern, wobei der Verbraucher dem Unternehmer dafür keine zusätzliche Frist einräumen muss.

Stellt der Unternehmer die digitale Leistung nicht unverzüglich nach Aufforderung bereit, so kann der Verbraucher vom Vertrag zurückzutreten. Das bedeutet freilich nicht, dass der Verbraucher schon zugleich mit der Aufforderung zur Bereitstellung den Rücktritt erklären könnte. Unverzüglich bedeutet, dass dem Unternehmer noch eine angemessene Zeitspanne zugestanden werden muss, um auf die Aufforderung des Verbrauchers zu reagieren. Diese Zeitspanne muss der Verbraucher abwarten, bevor er zurücktreten kann.

Tipp:
Die Vertragsteile können aber auch ausdrücklich eine Nachfrist vereinbaren. Das ist zu empfehlen, weil der Verbraucher sonst im Verzugsfall nach seiner Aufforderung nur eine angemessene Zeitspanne abwarten müsste, um vom Vertrag zurückzutreten. Erst durch die vorherige Vereinbarung einer Nachfrist ist klar, wie lange die Nachfrist konkret bemessen sein muss.

Ein sofortiger Rücktritt – ohne Aufforderung zur Leistung und ohne Abwarten einer angemessener Zeitspanne - ist nur möglich, wenn es sich um ein Fixgeschäft handelt. Bei einem Fixgeschäft ist die Bereitstellung binnen einer bestimmten Frist oder zu einem bestimmten Zeitpunkt für den Verbraucher von wesentlicher Bedeutung, z.B. Streamingdienst für ein bestimmtes Sportereignis, der danach nicht mehr gebraucht wird. Ein Anspruch auf sofortigen Rücktritt besteht ebenso, wenn der Unternehmer erklärt oder aufgrund der Umstände eindeutig zu erkennen gibt, dass er die Leistung nicht erbringen wird.

Macht der Verbraucher von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch, so gelten für die Rückerstattung der vom Verbraucher aufgrund des Vertrags geleisteten Zahlungen sowie für die sonstigen Pflichten der Vertragsparteien die Regelungen bezüglich der Vertragsauflösung im Rahmen des Gewährleistungsanspruches. Der Unternehmer hat dem Verbraucher die geleisteten Zahlungen (anteilig) längstens binnen 14 Tagen zurückzuerstatten, der Verbraucher kann die digitale Leistung nicht mehr nutzen oder Dritten zur Verfügung stellen. Näheres dazu: Rechte des Verbrauchers aus der Gewährleistung

Es hat immer der Unternehmer zu beweisen, dass die Bereitstellung einer digitalen Leistung rechtzeitig erfolgt ist.

Stand: 17.02.2023

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