Widmungsänderung im Wohnungseigentum
Änderung der Nutzung eines im Wohnungseigentum bestehenden Objektes
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Viele Unternehmer üben ihre unternehmerische Tätigkeit in Räumlichkeiten aus, an denen Wohnungseigentum begründet wurde, also in sog. Wohnungseigentumsobjekten (WE-Objekten). Dabei stellt sich manchmal die Frage, ob die Art der Nutzung dieser WE-Objekte als Geschäftsräumlichkeiten rechtlich überhaupt zulässig ist.
Ob der Nutzer des WE-Objekts selbst Wohnungseigentümer (WE) dieses Objektes ist oder ob er dieses bloß anmietet, macht hinsichtlich der Zulässigkeit einer geänderten Verwendung einen großen Unterschied. Dazu weiter unten.
Was ist Wohnungseigentum überhaupt?
Unter dem Begriff Wohnungseigentum versteht man das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, ein bestimmtes WE-Objekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen, es z.B. zu belasten oder zu verkaufen. Wohnungseigentum ist für jedermann ersichtlich im Grundbuch eingetragen. Alle anderen Teile der Liegenschaft oder des Gebäudes, die nicht dazu bestimmt sind, dass sie ausschließlich nur von einem Miteigentümer benützt werden, dienen der allgemeinen Nutzung durch alle Miteigentümer dieser Liegenschaft.
WE-Objekte sind Wohnungen, selbständige Räumlichkeiten (z.B. Geschäftsräume), Abstellplätze für KFZ oder eine Garage.
Zu welchem Zweck können WE-Objekte verwendet werden?
In der schriftlichen Vereinbarung aller Miteigentümer, dem sog. Wohnungseigentumsvertrag, dem ein entsprechendes Nutzwertgutachten zugrunde liegt, wird festgehalten, zu welchem Zweck das jeweilige WE-Objekt genutzt werden darf. Diese wohnungseigentumsrechtliche Widmung kann z.B.
- zu Wohnzwecken,
- zu Wohnzwecken und zu Geschäftstätigkeiten, die gewöhnlich in einer Wohnung ausgeübt werden,
- zu (allgemeinen) Geschäftszwecken,
- zu bestimmten Geschäftszwecken,
- als Garage oder als KFZ-Abstellplatz erfolgen.
Der Zweck der Nutzung kann dem Grundbuchauszug entnommen werden. Die Verträge dazu können im Grundbuch des jeweiligen Bezirksgerichts, in dem die Liegenschaft gelegen ist, eingesehen werden.
Stellt jede Änderung der Nutzung auch gleich eine genehmigungspflichtige Widmungsänderung des WE-Objektes dar?
Vorauszuschicken ist, dass die Widmung eines WE-Objekts zu einer bestimmten Nutzung und das Festhalten an dieser Nutzung ein absolut zu schützendes Recht jedes WEs darstellt. Daher ist die Vereinbarung zwischen den WEn, zu welchem (konkreten) Zweck die WE-Objekte verwendet werden dürfen, maßgeblich für die Frage, ob eine geänderte Verwendung ohne weiteres möglich ist oder nicht. Es kommt zunächst auf die konkrete Formulierung im WE-Vertrag an. Jeder WE hat das Recht, auf seine Kosten Änderungen am WE-Objekt selbst (z.B. geringfügige Änderungen im Inneren des WE-Objekts, die weder allgemeine Teile noch andere WE-Objekte berühren wie die Entfernung einer nicht tragenden Innenwand des WE-Objekts, die keine Versorgungsleitungen enthält, Einschlagen von Nägeln, Anbohren von Wänden) aber auch in der Nutzung vorzunehmen. In folgenden Fällen war eine Änderung ohne weiteres möglich:
- Wurde im WE-Vertrag die Befugnis eingeräumt, die Wohnung „zu einer solchen geschäftlichen Tätigkeit, die üblicherweise in einer Wohnung ausgeübt wird“ zu verwenden, darf die Wohnung ohne Weiteres z.B. für eine Arztpraxis oder ein Künstleratelier verwendet werden.
- Wurde im Vertrag nur unspezifisch die Verwendung als „Geschäftslokal“ vereinbart, liegt keine bewilligungspflichtige Widmungsänderung vor, wenn statt z.B. einer Bäckerei ein Café mit etwas längeren Öffnungszeiten geführt wird.
- Haben die Eigentümer bereits im WE-Vertrag die Zustimmung zur geänderten Verwendung erteilt, kann der betroffene Eigentümer sein WE-Objekt ohne Weiteres auch zu diesem geänderten Zweck verwenden.
Die Änderung von der Nutzung „Wohnung“ auf sonstige selbständige Räumlichkeiten, stellt aber jedenfalls eine bewilligungspflichtige Umwidmung dar. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob durch die geänderte Nutzung schutzwürdige Interessen anderer WE beeinträchtigt werden.
Ist dies der Fall (wozu eine bloße Möglichkeit der Beeinträchtigung schon genügt), muss eine ausdrückliche Zustimmung aller WE eingeholt werden. Die Regeln über eine Zustimmungsfiktion - die in ein paar anderen Bereichen des WEG gelten – kommen hier nicht zur Anwendung.
In folgenden Beispielen lag eine Widmungsänderung vor:
- Institut für Nuklearmedizin in einer Wohnung
- Arztpraxis in einer Wohnung
- Bürotätigkeit in einer Wohnung
- Lager in einer Büroräumlichkeit
- Keller in einem Lagerraum
- Verkaufsraum in einem Restaurant
- Lebensmittelgeschäft in einem Gasthaus
- Imbisslokal in einem Barbetrieb
- Kino in einem Supermarkt
Dieselben Überlegungen (gar keine Widmungsänderung oder genehmigungspflichtige und genehmigungsfähige Widmungsänderung) sind auch anzustellen, wenn der WE in dem WE- Objekt (weiterhin) wohnt und zusätzlich auch sein Gewerbe dort anmelden bzw. sein „Homeoffice“ einrichten möchte. Nicht vergessen werden darf aber die Verpflichtung, diese Betriebsstätte auch als solche außen zu bezeichnen.
Gibt es Formvorschriften für die Zustimmung?
Die Widmungsänderung beruht ausschließlich auf einer privatrechtlichen Einigung. Im Gegensatz zum WE-Vertrag ist die Widmungsänderung nicht formgebunden, sondern formfrei, d.h. sie kann mündlich (aber ev. ein Beweisproblem), schriftlich, oder auch konkludent bzw. stillschweigend erfolgen. Wurde eine zu Wohnzwecken gewidmete Wohnung jahrelang und unwidersprochen faktisch als „Büro mit Kundenbetrieb“ genutzt, führt dies zu einer Umwidmung zu diesem bestimmten Geschäftszweck, nicht aber zu jeglicher anderer Geschäftsraumwidmung.
Beispiel: Ein als Wohnung gewidmetes WE-Objekt wurde jahrelang als Büro mit Kundenbetrieb und Abstellplatz verwendet. Dann wird es jedoch als Kinderbetreuungseinrichtung für 12 Kleinkinder genützt. Zwar liegt die stillschweigende Zustimmung der übrigen WE zur ursprünglichen Änderung (Büro mit Kundenbetrieb) vor, nicht aber zur Verwendung als Kinderbetreuungseinrichtung. Dafür benötigt der WE wiederum eine Zustimmung aller anderen WE, da sich Gegenstand und Betriebsform damit ändern.
Kann ein WE sein WE-Objekt dennoch anders als im WE-Vertrag vereinbart benützen, auch wenn ihm die Zustimmung verweigert wird?
Eine Zustimmung zur Widmungsänderung darf dann nicht verweigert und kann durch Entscheidung eines Gerichts ersetzt werden, wenn:
- weder eine Schädigung des Hauses
- noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Eigentümer
- besonders auch keine Beeinträchtigungen der äußeren Erscheinung des Hauses
- noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben.
Alle diese genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.
Was versteht man unter Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer WE?
Dazu gehören u.a. Lärmentwicklung, erhöhte Kundenfrequenz, Änderungen der Sperrstundenbeschränkung, Inbetriebnahme einer Be- und Entlüftungsanlage, intensivere Nutzung in den Sommermonaten, potentielle Beeinträchtigung der Privatsphäre durch erweiterten Einblick, intensivere Nutzung des Stiegenhauses durch hausfremde Personen oder rechtliche Probleme als Folge der geänderten Nutzung. Eine Interessenabwägung hat hier nicht stattzufinden.
Wann wird die äußere Erscheinung des Hauses nicht beeinträchtigt?
Wird das äußere Erscheinungsbild des Hauses durch die Umwidmung wertneutral (d.h. objektiv betrachtet) nicht verschlechtert, liegt keine Beeinträchtigung vor. Relevant dabei ist, ob die Gestaltung des Gebäudes bisher schon einer bestimmten architektonischen Gestaltung gefolgt ist. Dieser unbestimmte Gesetzesbegriff bietet dem WE, der umwidmen möchte, daher einen weiten Spielraum.
Wann besteht eine Gefahr für Sicherheit von Personen, des Hauses oder anderer Sachen?
Eine Gefahr besteht dann, wenn diese konkret ist und nicht nur befürchtet wird (z.B. durch einen Sturm könnte die Markise andere Personen verletzen). Ein ausgewiesener Fluchtweg darf z.B. aber nicht durch eine zum Gang hin aufschlagende Türe eingeengt werden im Hinblick auf Brandgefahr und Rollstuhltauglichkeit.
Was ist zu beachten, wenn durch die Widmungsänderung auch allgemeine Teile des Hauses in Anspruch genommen werden sollen?
Erlangt der WE keine Zustimmung aller übrigen WE, hat er im Fall, dass er auch noch allgemeine Teile des Hauses (z.B. Fenster, Hausflur, Außenfassade, Freiflächen) in Anspruch nehmen möchte, neben den bereits oben genannten Voraussetzungen auch noch zu behaupten und zu beweisen, dass die von ihm angestrebten Änderungen entweder verkehrsüblich sind oder seinem wichtigen Interesse dienen. Das Durchbrechen von Geschoßdecken und der Durchbruch von tragenden Mauern ist nicht verkehrsüblich.
Was kann ein WE, der sein WE-Objekt vermietet hat, unternehmen, wenn sein Mieter das gemietete WE-Objekt zu einem anderen als im Vertrag vereinbarten Zweck verwendet?
Ein WE (= Vermieter) sollte bei Abschluss eines Mietvertrags darauf achten, dass der mit dem Mieter vereinbarte Verwendungszweck der Widmung laut WE-Vertrag entspricht.
Im Anwendungsbereich (Vollanwendung und Teilanwendung) des Mietrechtsgesetzes (MRG) – und das wird idR bei WE-Objekten der Fall sein - ist eine Kündigung durch den Vermieter an das Vorliegen eines im MRG genannten Kündigungsgrundes gebunden. Eine bloße widmungswidrige Verwendung ist in der Regel kein Kündigungsgrund. Es ist zwar möglich, einen zusätzlichen Kündigungsgrund vertraglich zu vereinbaren, jedoch wird von der Rechtsprechung diesbezüglich ein sehr strenger Maßstab angelegt. Ein vereinbarter Kündigungsgrund müsste gleich schwer wiegen, wie ein gesetzlicher Kündigungsgrund; dies wird in der Regel aber nicht der Fall sein. Vor allem ist nach der Rechtsprechung eine Kündigung dann unzulässig, wenn auch eine Klage auf Einhaltung des Vertrages bzw. Unterlassung der vertragswidrigen Verwendung erhoben werden kann. Eine solche Klage ist aber möglich.
Unterliegt das Mietverhältnis nicht dem MRG (Vollausnahme), dann kann der Vermieter kündigen.
Welche vorbeugenden Maßnahmen kann ein WE-Vermieter setzen, um nicht zwischen die Fronten der übrigen Eigentümer einerseits und seinem Mieter andererseits zu geraten?
Der WE-Vermieter sollte die erlaubte Verwendung jedenfalls vertraglich vereinbaren und jede andere Verwendung unter Hinweis auf den WE-Vertrag verbieten, damit gegebenenfalls eine Unterlassungsklage durchgesetzt werden kann.
Was kann der WE-Vermieter tun, wenn sich die anderen WE gegen die (widmungswidrige) Verwendung wie im Mietvertrag mit dem Mieter vereinbart aussprechen?
Der WE-Vermieter sollte sich zuerst Klarheit über die Rechtslage verschaffen. Liegt überhaupt eine Widmungsänderung vor, oder liegt zwar eine bewilligungspflichte aber dennoch genehmigungsfähige Änderung, die die anderen Eigentümer hinnehmen müssen, vor? Im ersten Fall besteht kein Handlungsbedarf. Im zweiten Fall muss er sich unverzüglich um die Zustimmung aller übrigen WE bemühen oder die Zustimmung durch eine Entscheidung des Gerichts ersetzen lassen. Dies kann er auch nachträglich erwirken.
Könnte auch der Mieter vorzeitig aus dem Mietvertrag aussteigen und allenfalls Schadenersatzansprüche gegen seinen WE-Vermieter erheben?
Denkbar wäre, dass der Mieter den Mietvertrag aus wichtigem Grund vorzeitig beendet, weil der Mietgegenstand für ihn untauglich (geworden) ist und eventuell Schadenersatzansprüche geltend macht, wenn den WE-Vermieter ein Verschulden daran trifft, dass der Mietgegenstand - nicht wie mit dem Mieter vereinbart - verwendet werden darf.
Problematik: kurzzeitiges Vermieten von Wohnungen an Touristen
Ein beliebtes „Geschäftsmodell“ für manche WE von Wohnungen besteht darin, Wohnungen, die zu Wohnzwecken gewidmet sind, nicht langfristig an Wohnungsmieter, sondern kurzfristig (zwei bis ca. 30 Tage) an Touristen zu vermieten. Diese möblierten Wohnungen werden zumeist zu einem Pauschalpreis pro Nacht inklusive Strom, frisch bezogener Bettwäsche, frischen Handtüchern und deren Reinigung sowie einer Endreinigung angeboten.
Bei der Vereinbarung zwischen WE und Tourist handelt es sich oft nicht um einen Mietvertrag, sondern um einen Beherbergungsvertrag, der Elemente eines Dienstvertrags, Werkvertrags, Mietvertrags und Kaufvertrags enthält. Durch den ständigen Wechsel der hausfremden Personen kommt dies einem Beherbergungsbetrieb sehr nahe. Dadurch besteht jedoch die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Interessen anderer WE und Hausbewohner. Daraus folgt, dass diese Verwendung eine Änderung der Widmung darstellt und daher genehmigungspflichtig ist. Die übrigen WE können - wenn keine Zustimmung aller WE vorliegt - die Unterlassung dieser Nutzung erwirken.
Ob diese geänderte Verwendung auch genehmigungsfähig ist, d.h. ob keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer WE konkret gegeben ist, ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Dazu kann der vermietende WE das Gericht anrufen und eventuell eine Genehmigung erwirken.
Stand: 08.10.2025