
Barrierefreiheitsgesetz im E-Commerce – FAQs
Diese FAQs ergänzen das Webinar „Barrierefreiheit im E-Commerce“ vom 19.02.2025
Lesedauer: 7 Minuten
Nein. Das BaFG knüpft eigentlich gar nicht an Webseiten an. Es gilt für bestimmte Produkte und Dienstleistungen, darunter Dienstleistungen, die an Verbraucher (also B2C) im elektronischen Geschäftsverkehr erbracht werden. Dazu zählen alle Webseiten (und auch Apps), auf denen oder mit deren Hilfe Waren oder Dienstleistungen B2C vertrieben werden oder gebucht werden können (Webshops, Webseiten mit Buchungsmöglichkeit).
Nein. Das BaFG gilt nur für Webshops und Buchungsplattformen, die sich an Verbraucher richten (B2C). Nicht erfasst sind Webseiten, die sich ausschließlich an Unternehmen richten (B2B) sowie private Webseiten (C2C).
Ja, unter den selben Voraussetzungen wie sie für Webseiten gelten.
Nein. Für reine Infoseiten ohne Webshop, auf denen auch sonst keine Dienstleistungen erbracht werden und auch keine Bestell- oder Buchungsmöglichkeiten bestehen, gilt das BaFG nicht.
Diese Frage ist leider strittig.
Nach einer sehr strengen Rechtsansicht reicht ein interaktives Kontaktformular aus, um das BaFG für die gesamte Website anwendbar zu machen. Begründet wird dies damit, dass ja zumindest theoretisch über das Kontaktformular ein Vertrag abgeschlossen werden könnte oder ein Verbraucher eine Kaufanfrage stellen könnte.
Es wird aber auch die Rechtsansicht vertreten, dass ein bloßes Kontaktformular noch nicht ausreicht, um die gesamte Website in den Anwendungsbereich des BaFG zu bringen. Begründet wird dies damit, dass das Kontaktformular in der Regel ja gerade nicht zu einem sofortigen Vertragsabschluss führen wird, sondern dass die Anfrage des Verbrauchers erst „händisch“ bearbeitet werden muss (z.B. E-Mail-Verkehr), um zu einem Vertragsabschluss zu führen. Dieses Argument würde umso mehr gelten, wenn im Kontaktformular klargestellt wird, dass über das Formular nur Anfragen, aber keine verbindlichen Bestellungen abgegeben werden können.
Welche Rechtsansicht sich bei behördlichen Kontrollen in Österreich und in weiterer Folge in der EU durchsetzen wird, kann derzeit nicht beantwortet werden.
Da diese Frage dzt. auch von der zuständigen Behörde nicht abschließend beantwortet werden kann, gehen wir davon aus, dass bei Kontrollen nach dem Grundsatz „Beraten statt Strafen“ vorgegangen wird.
Tipp: Bis zur endgültigen Klärung dieser Frage könnte (nur) das Kontaktformular selbst barrierefrei gestaltetet werden.
Nein. Bei den Angaben im Impressum handelt es sich um in der Regel gesetzlich vorgegebene Pflichtinformationen. Die Umsetzung dieser gesetzlichen Verpflichtungen führt noch nicht zur Anwendbarkeit des BaFG. Kritisch wird es erst, wenn zusätzlich ein Kontaktformular verwendet wird (siehe Frage 5).
Unterliegt die Website dem BaFG, dann muss auch das Impressum (so wie alle anderen gesetzlichen Pflichtinformationen) barrierefrei gestaltet sein. Unterliegt die Website nicht dem BaFG, dann muss auch das Impressum nicht nach dem BaFG barrierefrei gestaltet sein.
Ja. Das BaFG gilt nicht für Dienstleistungen von Kleinstunternehmen, das sind Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern und höchstens 2 Mio. Jahresumsatz bzw. einer Bilanzsumme von höchstens 2 Mio. Diese Grenze gilt aber für das Unternehmen, nicht für den Webshop.
Die Mitarbeiterzahl wir nach der Empfehlung der EU-Kommission betreffend die KMU-Definition ermittelt. Die Mitarbeiterzahl entspricht der Zahl der Jahresarbeitseinheiten, das heißt der Zahl der Personen, die in dem betroffenen Unternehmen während des gesamten Jahres einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen. Teilzeitkräfte und nicht ganzjährig Beschäftigte zählen anteilig nach Arbeitsausmaß. Lehrlinge zählen nicht.
Für Webshops und Websites mit Bestell- und Buchungsmöglichkeit gibt es keine Übergangsbestimmungen. Das BaFG gilt für alle Dienstleistungen, die nach dem 28.06.2025 in Verkehr gebracht werden. Damit gilt das BaFG für alle Bestellungen oder Buchungen nach dem 28.06.2025 und damit auch für die Website, auf der die Bestellung oder Buchung ausgeführt wird.
Ja. Auf Grund des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG) dürfen Personen mit einer Beeinträchtigung nicht diskriminiert werden. Das BGStG gilt auch für Websites, die der Versorgung von Gütern und Dienstleistungen dienen, also für z.B. für Webshops. Solche Websites sind daher auch nach diesem Gesetz barrierefrei zu gestalten. Das BGStG kennt jedoch ähnlich wie das BaFG eine wesentliche Ausnahme, die allerdings nicht an so strenge Voraussetzungen gebunden ist wie im BaFG (siehe Frage 12). Das BGStG ist nämlich insoweit nicht anwendbar, wenn die Gleichbehandlung (Barrierefreiheit) eine unverhältnismäßige (i.d.R. finanzielle) Belastung für das Unternehmen darstellt; dabei ist auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen des BGStG ist außerdem nicht strafbar, sondern zieht zivilrechtliche Konsequenzen (Schlichtungsverfahren, evtl. Schadenersatzansprüche) nach sich.
Wenn dokumentiert (Dokumentationspflicht!) werden kann, dass die Umsetzung des BaFG eine unverhältnismäßige (i.d.R. finanzielle) Belastung darstellt, dann kann die Umsetzung jener Teile der Website, für die dieses Kriterium zutrifft, aufgeschoben werden. Hier wird von der Behörde voraussichtlich ein strenger Maßstab angelegt werden. Die Dokumentation ist der Behörde vorzuweisen. Außerdem ist darauf im Rahmen der „Information über die Konformität gemäß BaFG“ auf der Website hinzuweisen (siehe Frage 15).
Das BaFG kennt hier keine Fristen, allerdings muss dieser Umstand zumindest alle 5 Jahre evaluiert und neu dokumentiert werden.
Ja. Dokumente, die nicht in erster Linie für die Verwendung im Internet gedacht sind (sog. “Büroanwendungen”), aber dennoch im Webauftritt integriert sind (z.B. pdf-Dateien) und Videodateien, die bereits vor dem 28.06.2025 veröffentlicht wurden, dürfen weiterverwendet werden.
Dabei handelt es sich um eine Erklärung zur Barrierefreiheit auf Basis des Webzugänglichkeits-Gesetzes (WZG); dieses gilt nur für Webauftritte öffentlich-rechtlicher Organisationen (Behörden). Das BaFG spricht von “Informationen über die Konformität der Dienstleistung”. Das ist eine textliche Darstellung mit gesetzlich vorgegebenen Mindestinhalten, die einen Überblick gibt, wie bzw. wie weit und nach welchen Kriterien die Website die Anforderungen des BaFG erfüllt.
Nur dann, wenn sie in den Anwendungsbereich des BaFG fällt. Die Website eines Kleinstunternehmens benötigt also keine Information, in der auf die Ausnahme für Kleinstunternehmen hingewiesen wird.
Das BaFG gibt keinen technischen Standard vor. Es enthält nur die Vermutung, dass eine Website dann barrierefrei ist, wenn sie europäische Normen einhält. Das ist aktuell die EN 301 549, die ihrerseits auf die WCAG 2.1. verweist. Es wird aber empfohlen, die aktuelle Variante WCAG 2.2. zu verwenden.
Viele IT-Dienstleister haben bereits Erfahrung mit der Barrierefreiheit, weil Seiten öffentlicher Stellen schon länger barrierefrei sein müssen und auch dort die EN 301 549 gilt.
Spezialisierte Unternehmen finden sie im Firmen A-Z unter dem Stichwort „Certified WebAccessibility Expert“
Weitere FAQs zu Detailfragen aus dem gemeinsam mit dem Sozialministeriumsservice (SMS) gehaltenen Webinar zum Barrierefreiheitsgesetz (Aufzeichnung vom 10.4.2025) finden Sie hier.
Stand: 10.06.2025