
"Der Ernst der Lage wird nicht erkannt"
Markus Ritter tritt als neuer Obmann der Sparte Industrie in die Fußstapfen seines Vorgängers Max Oberhumer. Wo er Akzente setzen will, erklärt er im Interview.
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Sie übernehmen die Sparte Industrie im dritten Rezessionsjahr. Wie sind die Industriebranchen aufgestellt?
Markus Ritter: Das hängt von der Branche ab. Während sich für die Dekarbonisierung und Elektrifizierung ein guter Markt bietet, sind das Metallergeschäft und der Baubereich schwer unter Druck. Die energieintensiven Betriebe hat es besonders getroffen – und die Steiermark ist hier sehr stark vertreten.
Wie resilient ist die steirische Industrie?
Das lässt sich nicht pauschal sagen. Fest steht jedenfalls, dass es die längste Rezession in der Geschichte der Zweiten Republik ist. Ich fürchte, dass der Ernst der Lage nicht erkannt wird, es werden leider schwere Fehler gemacht. Die Industrie wird im Regen stehen gelassen.
Wo liegen die größten Herausforderungen?
Das sind die Bereiche Personalkosten, Energie und Bürokratie. Die Probleme sind hinlänglich bekannt. Leider wurde uns viel versprochen, aber es folgten keine Taten. Nun wurde eine Industriestrategie angekündigt, das wird aber zu spät kommen. Statt die Industrie zu vertrösten, bräuchte es rasche industriepolitische Maßnahmen.
Wo liegen die Versäumnisse?
Bei den Lohnnebenkosten geschieht zu wenig, die KV-Partner müssen alte Rituale hinter sich lassen und neue Wege suchen. In der Energiepolitik wird nicht gehandelt und zum Stromausgleichsgesetz kann ich nur sagen: Ein Wahnsinn, was man der Industrie da umhängt.
Mit welchen Folgen?
Langfristig sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig – auch nicht gegenüber EU-Ländern. Im Bereich Carbon Leakage bekommen die Industrien der anderen Staaten Unterstützung – nur wir nicht. Ein unfairer Wettbewerb, das kann man auf Dauer nicht durchhalten.
In Österreich muss gespart werden. Wie passt das mit Ihrer Forderung zusammen?
Natürlich kostet das viel Geld, aber es wäre sehr wirksam. Aus der Industrie kommen 35 Prozent der Wertschöpfung, jeder vierte Job hängt daran. Die Transformation wird hier nicht genug gefördert.
Fehlt hier der Wille – oder die Mittel?
Auf Seiten der Betriebe ist der Wille da, wir sind schon sehr weit. Aber wenn die Sicherheit fehlt, werden sich die Unternehmen schon fragen, ob Investitionen noch Sinn machen.
Auch der internationale Handel ist mit der US-Zollpolitik ins Wanken geraten. Wie gehen Betriebe damit um?
Es ist fast unmöglich, sich auf etwas einzustellen, weil sich die Nachrichtenlage laufend ändern kann. Die Antwort muss ein multipolarer Freihandel sein – Stichwort Mercosur. Ein exportstarkes Land wie Österreich muss sich an anderen Märkten und Möglichkeiten orientieren können.
Welche Maßnahmen braucht es jetzt besonders? Und wo möchten Sie Akzente setzen?
Jedenfalls im Bürokratieabbau sowie im Lobbying auf Bundes- und EU-Ebene. Und das Stromausgleichsgesetz wird noch bis zum Jahr 2030 ein Riesenthema bleiben.
Markus Ritter ist Geschäftsführer des Stahl- und Walzwerks Marienhütte sowie der AVI Alpenländische Veredelungsindustrie GmbH. Seit 20 Jahren in der Interessensvertretung in der WKO, IV und Eurofer aktiv. Seit April Spartenobmann Industrie.