„Die Balltradition muss man pflegen“
Ende Jänner steuert die Ballsaison auf ihren Höhepunkt zu. Designerin Eva Poleschinski über Mode in Krisenzeiten und wieso sie gerne riskiert, weniger Geschäft zu machen.
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Die Opernredoute ist gerade über die Bühne gegangen. Am 27. Februar folgt mit dem Opernball das nächste große Event. Wie kurz sind derzeit Ihre Nächte?
Eva Poleschinski: Gerade ist für mich die stressigste Zeit des Jahres. Die Ballsaison startet bei mir aber schon sehr früh: Im Jänner 2024 habe ich mit dem Entwurf des ersten Kleides für die heurige Ballsaison begonnen. Kurzfristige Aufträge sind spärlich gesät. Das ist mir aber recht. Kleider mit vielen Stickereien sind sehr zeitaufwendig. Da ist viel Handarbeit gefordert. Wie jedes wirtschaftlich denkende Unternehmen muss auch ich den Workflow optimal organisieren. Da ist es natürlich toll, wenn man diese auffälligen Kleider nicht in letzter Minute machen muss.
Wie viele Branchen steckt auch die Modeindustrie in der Krise. Erst im Herbst schlitterte die Modemacherin Lena Hoschek in die Insolvenz. Wie geht es Ihnen?
Ich habe bereits jetzt erste Bestellungen für die Saison 2026 erhalten. Dass die Kunden weniger werden, merke ich also zum Glück nicht. Aber ich mache nicht nur Ballmode. Was Preis und Stil betrifft, bin ich breit aufgestellt. Zwar bin ich für große und opulente Röcke bekannt, aber ich habe auch Kleider oder Kostüme im Portfolio, die deutlich reduzierter im Stil sind.
Ist diese breite Aufstellung auch das Geheimnis Ihres Erfolges?
Ich habe den entscheidenden Vorteil, dass ich mich seit 2014 auf den individuellen Bereich spezialisiert habe. Auf wirtschaftliche Veränderungen kann ich sehr rasch reagieren. In der Konfektionsmode ist das anders. Hier wird ein halbes bis ein Jahr im Voraus produziert. Zeitlich ist man so sehr gebunden.
Nichtsdestotrotz: Wie wichtig sind Bälle als wirtschaftlicher Faktor für Ihr Unternehmen?
Absolut wichtig! Das sind sie aber nicht nur für mich, sondern generell für die österreichische Wirtschaft. Allein in Wien finden jährlich mehr als 450 Bälle statt. Da hängt nicht nur das Abendkleid dran, sondern auch die Location, die Gastro oder auch die Hotellerie. Ich war noch nirgends im Ausland, wo ähnliche Veranstaltungen stattfinden würden. Auf diese Tradition können wir wirklich stolz sein. Welche Folgen es hat, wenn es eine Vollbremsung in diesem Bereich wie auf der Autobahn gibt, haben wir während der Covid-Pandemie gesehen. Nicht von ungefähr sind da auch leider viele Existenzen in die Brüche gegangen. Ich glaube also schon, dass wir uns der wirtschaftlichen Bedeutung von Bällen bewusst sein müssen. Von daher ist es nur gut, wenn die Balltradition auch gepflegt wird.
Eva Poleschinski
Nicht für jeden Ball braucht es aber unbedingt ein neues Kleid. Vintagemode und Second Hand sind beliebt. Schlecht für Ihr Geschäft?
Ich finde es großartig, wenn wir von der Wegwerfgesellschaft wegkommen und gehe da auch proaktiv ran. 90 Prozent meiner Designs sind mehrteilig – genau aus diesem Grund, denn ich möchte, dass man meine Kleider öfter trägt. Wenn ich ein Abendkleid konzipiere, das aus einem Body und einem Rock besteht, dann kann ich den Body auch noch zu einer Hochzeit oder zur Opernvorführung tragen, indem ich ihn mit einem einfacheren Rock oder mit einem Kostüm kombiniere. Wer sagt, dass man Lieblingsteile nur einmal tragen kann? Dadurch, dass ich zugeschnitten designe, bin ich auch nicht so von Trends abhängig und befürworte das auch gar nicht. Wenn ich als Frau oder Mann meinen eigenen Stil gefunden habe, muss ich nicht ständig, nur weil es mir die Modeindustrie sagt oder ein Promi es gerade auf Instagram postet, jeden Trend mitmachen. Und ja, natürlich kann man jetzt sagen, dass ich durch häufigeres Tragen weniger Geschäft mache, aber ich finde es einfach schön, wenn das Kleidungsstück, in dem viel Handarbeit steckt, nicht nur einmal ausgeführt wird, sondern öfter Aufmerksamkeit bekommt.
Aufmerksamkeit bekommen aber nicht nur Ihre Abendroben, sondern auch Jobuniformen. Zuletzt haben Sie 2024 für das Hotel Beethoven in Wien eine Workwear kreiert. Worauf kommt es da an?
Jeder kennt’s: Wenn man sich in der eigenen Kleidung wohlfühlt, ist der Tag gleich lässiger. Wenn ich schon eine Uniform tragen „muss“, ist es wichtig, dass man sie gerne anhat. Die Uniformen des Hotels Beethoven bestehen aus Einzelkomponenten, damit jeder Beschäftige auch seinen eigenen Stil miteinfließen lassen kann. Das finde ich wichtig. Wir haben einzelne Produktgruppen für einzelne Tätigkeitsbereiche kreiert, denn ein Stubenmädchen hat andere Anforderungen an die Uniform als eine Rezeptionistin oder jemand, der im Service in der Gastro arbeitet. Vorab haben wir Gespräche mit den Angestellten geführt, um herauszufinden, wer welche Bewegungsfreiheit braucht. Das ist Mode, die Funktion hat und toll aussieht. Ich liebe solche Herausforderungen!
Interview: Andrea Jerković