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Clemens Pig
© APA-Fotoservice/Schedl

"KI ist Risiko und Chance gleichermaßen"

Um sauber recherchierte Artikel zu erkennen und Fake News und Desinformation entgegenzuwirken, setzt sich APA-Geschäftsführer Clemens Pig für ein Qualitätsgütesiegel für Nachrichten ein.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 25.10.2023

Wahlkämpfe, Corona-Pandemie und die aktuellen Kriege: Ein fruchtbarer Boden für Verschwörungstheorien oder Fake News. Welche Gefahr lauert darin für die Gesellschaft?

Clemens Pig: Was man sagen kann, ist, dass mit der Pandemie das Phänomen von Desinformation endgültig in Europa angekommen ist. Es sind Verschwörungstheorien nach Europa geschwappt, die wir schon länger aus Amerika kennen – unter Trump hatten sie Hochkonjunktur. Mit neuen Technologien funktionieren Manipulationen sehr einfach, über die Sozialen Medien kommen dann viele Menschen mit ihnen in Berührung.


Wie und was halten Qualitätsmedien dagegen? 

Sie stellen einen geordneten demokratischen Diskurs sicher. Das ist auch für die Wirtschaft wichtig.


Wie viel Fake News halten wir als Gesellschaft aus?

Echte Fake News sind eher die Ausnahme, oft handelt es sich um Halbwahrheiten, die Zweifel befeuern oder Personen diskreditieren. Fake News oder Desinformation sind so alt wie Chronisten, aber die Umstände haben sich dramatisch geändert. Jede gesunde Struktur kann Desinformation aushalten. Problematisch wird es im digitalen Raum, wo Fake News plötzlich zu schwingen beginnen. In einer komplexen Welt sind auch Antworten komplex, man kann nicht alles zu Tode simplifizieren. Wenn die Realität Antworten nicht bereit hält, finden sich im digitalen Raum Argumente, die scheinbar viele Fragen lösen. Mit Blick auf die Medien heißt das: Wir müssen sehr genau wissen, wie wir die Technologie einsetzen, um einen Gegenpol zu bilden.


Was kann man als Medium gegen Fake News tun?

Verschwörungstheoretiker sind verbissen – man kann sie nur ganz schwer zurückerobern, denn hier liegen die Problemlagen tiefer, als Medien sie lösen können. Wichtig ist, vor allem jene, die einen breiten Medienkonsum haben, abzuholen. Die APA hat dafür Fact-Checking-Angebote entwickelt. Damit kann man Themen aus den Sozialen Netzwerken holen, die Faktenlage überprüfen und die Ergebnisse präsentieren, um das Vertrauen zurückzubekommen.


Was ist so gefährlich an Texten, die von der neuen Generation von Künstlicher Intelligenz verfasst werden?

Derartige Texte sind Ergebnisse eines statistischen Prozesses. Man bekommt und liest als Konsument Ergebnisse, die nur aufgrund von Wortabfolge-Wahrscheinlichkeiten entstehen, aber nicht auf Basis von Fakten. Damit wird auch kein echtes Wissen vermittelt. ChatGPT hat dialogisches, aber kein Faktenwissen.


Ist das bewusste Konsumieren von Nachrichten eine Frage der Generation?

Ich erlebe die jüngere Generation nach wie vor politisch hochinteressiert. Allerdings ist die Medienbildung völlig ins Hintertreffen geraten. Die gehört unbedingt stärker ausgebaut, um die Qualität der Nachrichten unterscheiden zu lernen. Auf europäischer Ebene haben die unabhängigen Nachrichtenagenturen begonnen, an einem Qualitätsgütesiegel zu arbeiten, um Qualitätsnachrichten von Fake News abgrenzen zu können. Das soll künftig funktionieren wie im Supermarkt mit Bio-Siegeln. 


Ist Künstliche Intelligenz in diesem Zusammenhang eher Gefahr oder Chance?

Sie ist Gefahr und Chance gleichermaßen. Für die Prozessoptimierung ist Künstliche Intelligenz eine große Chance und birgt ein riesiges Potenzial. Wir müssen aber darauf achten, dass wir die Inhalte nicht absaugen lassen – das wäre eine Gefahr. Wichtig ist schließlich auch, dass wir an den Erlösen teilhaben.


Was heißt die Entwicklung für die ­Medienbranche?

Das Berufsbild wird sich definitiv verändern. Was ich nicht mag, ist, in diesem Zusammenhang von Roboter-Journalisten zu sprechen, die wird es nicht geben. Es braucht immer noch Menschen, die die journalistischen Kernaufgaben, etwa das Bewerten von Geschichten, erledigen. Die KI wird aber Prozesse hochgradig automatisieren, weshalb es neue Inhalte, für die bis dato keine Zeit war, geben wird. Für Journalisten heißt das aber auch, dass sie künftig die ganze Orgel der Technologien bedienen können müssen – für die junge Generation wird das ein attraktives Berufsfeld.

Zur Person
Clemens Pig (49), geboren in Innsbruck, engagierte sich schon während seines Studiums der Politikwissenschaft im Forschungsprojekt „mediawatch“, das den EU-Wahlkampf 1996 in Sendungen des ORF analysierte. Er gründete das Unternehmen MediaWatch, das 2001 von der APA (Austria Presse Agentur) gekauft wurde. 2008 wechselte Clemens Pig in die Geschäftsleitung der APA.
Heute ist er geschäftsführender Vorstand der APA sowie Präsident der Europäischen Nachrichtenagentur-Allianz EANA.