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Die beiden Rektoren im Porträt
© MONTANUNIVERSITÄT/REISINGER, LUNGHAMMER

„Wir brauchen die Kreativität und Neugier der Jugend“

Sowohl die Montanistische Universität in Leoben als auch die Technische Universität Graz beginnen das aktuelle Studienjahr unter neuer Führung. Die beiden Rektoren Peter Moser (MUL) und Horst Bischof (TU) über schrumpfende Hörerzahlen, wachsende Herausforderungen und gemeinsame Forschungsprojekte mit der und für die Wirtschaft.

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 09.10.2023

Sie waren die letzten zwölf Jahre Vizerektor der TU Graz. Was soll sich unter Ihnen als Rektor jetzt ändern?

Bischof: Es geht nicht um radikale Umbaumaßnahmen, wir stehen gut da. Aber es geht um eine Weiterentwicklung. 

Sie haben an der Montanuniversität durchaus umgebaut und das Vizerektorat von zwei auf vier Personen aufgestockt. Warum?

Moser: Mir geht es um eine massive Neupositionierung. Wir sind in Österreich, aber auch weltweit vielfach noch immer nur als Bergbau- oder Erdöl-Uni bekannt, die – überspitzt formuliert – Löcher in die Erde gräbt und die Umwelt zerstört. Das entspricht aber weder unserem Selbstverständnis noch unserem Tun. Unsere großen strategischen Forschungsschwerpunkte umfassen vielmehr die großen globalen Themen von der Klimaveränderung über CO2-Reduktion und Energiebereitstellung bis zu Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft. Dieses Profil müssen wir schärfen und dafür braucht es ein starkes Team mit entsprechenden Zuständigkeiten. Mein Tag hat nur 24 Stunden.

Österreichs Universitäten kommen in internationalen Rankings so gut wie nicht vor. Warum?

Moser: Das liegt nicht an fehlenden Forschungs- und Lehrleistungen, sondern im Fall der Montanuniversität daran, dass wir uns bisher zu wenig um Rankings gekümmert haben.

Ist die fehlende internationale Sichtbarkeit ein Grund, dass die Studierendenzahlen in den letzten Jahren von rund 4.000 im Jahr 2015 auf knapp über 3.000 eingebrochen sind?

Moser: Heuer dürfen wir uns wieder über einen massiven Anstieg freuen, aber es stimmt, dass wir noch nicht da sind, wo wir hinwollen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen sind allein in den letzten drei Jahren mit dem Lockdown in China, dem Krieg in Russland und den politischen Verwerfungen mit dem Iran die drei wichtigsten Herkunftsländer unserer ausländischen Studierenden weggebrochen. Zum anderen konkurrieren wir mit anderen Universitäten um dieselben Jahrgangskohorten, die in Österreich aus demografischen Gründen kleiner werden und wo die Zahl jener, die sich für eine technische Studienrichtung entscheiden, zusätzlich begrenzt ist. Da werden wir von den Jugendlichen offensichtlich nicht als jene wahrgenommen, die technologische Lösungen für die brennenden Fragen der Zukunft liefern – beispielsweise haben wir ein Forschungsteam mit 120 Leuten zum Thema Wasserstoff. Ich habe Verständnis für die Klimaproteste. Aber unsere Botschaft muss sein: „Kommt, macht mit und leistet nach dem Aufzeigen der Probleme einen Beitrag für deren Lösung!“ Wir brauchen die Kreativität, die Neugier und den Gestaltungswillen der Jugend. 

Was wäre bei den Hörerzahlen Ihr Ziel?

Moser: Eine Verdoppelung in den kommenden fünf Jahren.

Wie sieht es an der Technischen Universität aus?

Bischof: Wir hatten zuletzt 14.000 Studierende und erwarten kein großes Plus. Daher bemühen wir uns, eine Willkommenskultur zu schaffen, eine möglichst flache Rampe zu bauen, die Studierenden den Anfang leichter macht und zu weniger Frühabbrüchen führt. Rund ein Drittel der Studierenden wechselt nach den ersten beiden Semestern das Studium oder hört gänzlich auf. Die Drop-out-Rate über die gesamte Studiendauer liegt bei 50 Prozent. Die wollen wir senken.

Welche Rolle sehen Sie für Ihr Haus im Wettstreit der steirischen Universitäten?

Bischof: Als älteste technische Universität Österreichs sehen wir uns als Taktgeber im regionalen Ökosystem der Universitäten und wollen – im Gleichklang mit den anderen Universitäten – sagen, wie es weitergeht. Wir sind auch im europäischen Netzwerk der Technischen Universitäten sehr aktiv und fühlen uns dort wohl. Es braucht aber eine kritische Masse, um Anziehungspunkt für herausragende Studierende und Lehrende aus aller Welt zu sein. 

Wie soll das gelingen?

Bischof: Wir wollen beispielsweise am Campus in der Inffeldgasse die Ansiedlung von Start-ups und Unternehmen weiter forcieren und Wirtschaftskooperationen und Wissenstransfer durch gemeinsame Forschungsinfrastruktur intensivieren. Unser Entwicklungsplan wird eine Mischung aus dem Fortführen arrivierter Disziplinen und gänzlich neuen Themen, zum Beispiel künstlicher Intelligenz.

Dass Sie als Techniker nichts gegen Digitalisierung haben – geschenkt. Aber welche Chancen sehen Sie?

Moser: Wir werden morgen Dinge tun und Antworten finden, die wir heute noch nicht kennen und können, weil wir die großen Datenmengen noch nicht managen können. Die KI kann das. Wir brauchen aber keine Angst haben, ersetzt zu werden. Neue Ideen lassen sich nicht durch Maschinen ersetzen.

Angesichts des Personalmangels in den Krankenhäusern wurde zuletzt vom Bundeskanzler abwärts die Idee ventiliert, dass ausländische Studierende, die bei uns eine Medizinausbildung machen, verpflichtet werden, nach dem Studium eine gewisse Zeit in Österreich zu arbeiten. Wäre ein derartiges Modell für Techniker für Sie vorstellbar?

Bischof: Das würde bei Technikern nicht funktionieren. Unser Markt folgt anderen Mechanismen. Aber unser Fokus liegt abseits von Zwängen tatsächlich darauf, dass Studierende, die beispielsweise aus dem südosteuropäischen Raum zu uns kommen, auch bleiben, weil ihnen aufgrund ihrer guten Ausbildung die Wirtschaft gute Angebote machen kann. Zudem wollen wir Akzente bei Weiterbildungsangeboten für die Wirtschaft setzen.

Ihre Universitäten sind beide sehr stark im Lukrieren von Drittmitteln aus der Wirtschaft. Glauben Sie, dass die aktuell trübe Konjunkturlage die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in die Forschung bremsen wird?

Moser: Ich sehe eher das Gegenteil. Geld ist natürlich immer ein Thema, aber dort, wo es um große Veränderungen geht, ist es immer vorhanden. Uns verbindet eine starke Forschungspartnerschaft mit der Industrie, die sonst keine Chance am Weltmarkt hätte.

Bischof: Natürlich gibt es Bereiche, wo Finanzierungen zurückgehen, aber auch andere, in denen die Investitionen zunehmen. Insgesamt bin ich diesbezüglich nicht pessimistisch. Wenn die Konjunktur nachlässt, wird häufig nach neuen Lösungen gesucht und dafür Universitäten beauftragt.

Apropos Auftragsforschung: Wie stellt man da die wissenschaftliche Unabhängigkeit sicher?

Bischof: Sie ist enorm wichtig. Wir liefern sicher keine Ergebnisse „auf Bestellung“. Der Vorteil von Auftragsforschung ist, dass wir so sehr direkt an den Problemstellungen der Unternehmen dran sind. Grundsätzlich kommt es aber auf einen guten Mix an. 

Und der wäre?

Bischof: Ein Drittel Grundlagenforschung, ein Drittel Antragsforschung, ein Drittel Auftragsforschung. Es geht darum, diesen USP nicht zu verlieren und auf Projekt- und strategischer Ebene für langfristige Finanzierungssicherheit zu sorgen.

Für die Finanzierung der Universitäten ist auch der Bund zuständig. Es stehen Verhandlungen für die Finanzierungsperiode von 2025 bis 2027 an – was erwarten Sie?

Bischof: Wir müssen das von der Abfederung für die laufenden Teuerungen trennen und aufpassen, dass uns die Politik für die neue Leistungsvereinbarungsperiode da nicht jeden Euro doppelt verkauft.  


Zu den Personen

Peter Moser ist seit 1. Oktober neuer Rektor der Montanuniversität Leoben. Er hat dort selbst Bergwesen studiert. Seit 2008 ist er Professor am Lehrstuhl für Bergbaukunde, Bergtechnik und Bergwirtschaft, ab 2011war er als Vizerektor für Internationale Beziehungen zuständig. Auf sein Betreiben wurde das Resources Innovation Center (RIC) in Leoben angesiedelt und EURECA-PRO (European University on Responsible Consumption and Production) mit der Montanuniversität als Koordinatorin etabliert

Horst Bischof war die letzten zwölf Jahre bereits Vizerektor der Technischen Universität Graz und ist seit 1. Oktober Rektor. Der Obersteirer studierte an der TU Wien Informatik und war zwischenzeitlich wissenschaftlicher Mitarbeiter an der BOKU Wien. Bischof hat knapp 800 wissenschaftliche Arbeiten publiziert. Als Vizerektor war er für die strategische Forschungsausrichtung sowie Forschungs- und Wirtschaftskooperationen zuständig. Die TU ist aktuell in 28 Kompetenzzentren involviert.