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Zeitraum 1940 bis 1949
© WKO Steiermark

Teil 11/2. Wiederaufbauhilfen: Milliarden für den Neustart Europas

Der „Marshall-Plan“ war Basis des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. „In Österreich wirkt er bis heute nach“, erklärt Historiker Thomas Krautzer. 

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 06.06.2025

Mit dem offiziellen Kriegsende im Mai 1945 startete für Österreich ein mühsamer Weg zurück in die Normalität. Das Land war in vier Besatzungszonen aufgeteilt, die Zerstörung enorm, die Not groß. Der wirtschaftliche Wiederaufbau des Landes lief zweigeteilt: Während die Sowjetunion in ihrer Besatzungszone – wozu ein Großteil der Steiermark bis Juli 1945 gehörte – über Demontagen und Enteignungen für die erlittenen Kriegsschäden Kompensation suchte, schlugen die Westalliierten angesichts von Zerstörungen, Not und Elend bald einen anderen Weg ein: Sie setzten umfassende Hilfsprogramme in Gang, letztlich auch, um Österreich im Kalten Krieg nicht in die Machtsphäre der Sowjetunion kippen zu lassen.

Bombenabwurf auf Graz. Aufnahme außer der Luft mit Blick auf die Stadt.
© KK Die letzten Bomben fielen 1945 auf die Steiermark. Im Bild: Ein Bombenabwurf auf Graz.

Mit ersten Sachspenden konnten Hungersnöte und schwere soziale Unruhen vermieden werden. „Bis 1946 versorgten die Besatzungsmächte ihre eigenen Zonen, was insofern wichtig war, als Österreich nur 40 Prozent jenes Bedarfs decken konnte, der Menschen etwa 1.000 Kalorien am Tag (!) ermöglichte“, erinnert Thomas Krautzer, Leiter des Instituts für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte an der Universität Graz, an die prekäre Ausgangslage. 

Ab 1946 übernahm die UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Organisation) die Hilfslieferungen: 135 Millionen US-Dollar für Österreich, die sich vorwiegend aus Nahrungsmitteln zusammensetzte. Allerdings fiel die Ernte 1946 in Österreich schwach aus, was bei der heimischen Politik Panik hervorrief. In vielen Ländern Europas sah es nicht besser aus.

13 Milliarden Dollar

Um Europa zu stabilisieren, wurde das sogenannte European Recovery Program (ERP) im Auftrag von US-Außenminister George Marshall entwickelt und am 5. Juni 1947 an der Harvard-Universität vorgestellt. Im Rahmen des Marshall-Plans sollten demnach rund 13 Milliarden Dollar als Hilfsgelder in den europäischen Wiederaufbau gepumpt werden.

Briten am Hauptplatz von Graz.
© Landesmuseum Joanneum Britische Besatzungssoldaten am Grazer Hauptplatz

Bis das Programm in Österreich schließlich am 2. Juli 1948 anlief, musste allerdings eine Überbrückung für ein Jahr gefunden werden. „Die Briten schenkten sieben Millionen Pfund, die USA organisierten die sogenannte Kongresshilfe, die Hilfslieferungen im Gesamtwert von 156 Millionen Dollar nach Wien leitete“, so Krautzer. Damit sollte das Land für die folgenden erp-Mittel aufnahmebereit gemacht werden.

„Um diesen Marshall Plan ranken sich bis heute viele Mythen“, weiß der Historiker: „Für die einen ist er das Fundament, auf dem das westliche Nachkriegseuropa gebaut wurde, andere sehen vor allem den politischen Nutzen, den die USA langfristig aus ihrer Hilfeleistung gezogen haben.“

Schenkung mit Auflage

Tatsächlich fußte die ERP-Hilfe auf einem internationalen Planungssystem. Die 18 Teilnehmerländer verpflichteten sich, die OEEC (Organisation for European Economic Cooperation) mit Sitz in Paris zu gründen und eng zusammenzuarbeiten. „Für Österreich war das eine wichtige Weichenstellung in Richtung Markt und weitere Westintegration“, betont Krautzer. Das Angebot zur Teilnahme erging zwar auch an die „Ostblock-Staaten“, diese mussten unter dem Druck der Sowjetunion ihre Teilnahme aber absagen. 

Im Kern bestand die ERP-Hilfe aus US-amerikanischen Schenkungen. Entlang von Planungen, die über die OEEC und Detailplanungen in den österreichischen Ministerien bis hin zu den Bundesländern liefen, wurden in der Folge günstige Kredite für die österreichischen Projekte bereitgestellt. Während die ERP-Hilfe 1948/49 vor allem der Lebensmittelproduktion dienen sollte, wurden in den Folgejahren bis 1951 vor allem die Grundstoffindustrien und die Energieversorgung ausgebaut. Im Endstadium 1952/53 lag der Fokus auf Fertigwaren, der Exportindustrie und dem Fremdenverkehr. Insgesamt wurden an Österreich rund 960 Millionen Dollar ausgeschüttet. Das ergab den zweithöchsten Pro-Kopf-Anteil aller teilnehmenden Länder.

Durch einen Eigenfinanzierungsanteil wurden reine Mitnahmeeffekte vermieden, über die Kredit-Rückzahlungen gab es kontinuierlich Rückflüsse in den ERP-Fonds, der so (bis heute) weitere Projekte finanzieren konnte, so Historiker Krautzer.  Der  Fonds wurde 1962  – bei einem damaligen Wert von 11,3 Milliarden Schilling – von den USA an Österreich geschenkt: Einzige Bedingung: Sämtliche erp-Mittel und deren Rückflüsse mussten in einem eigenen, vom Budget getrennten Fonds gebündelt werden. So wirkt der ERP-Fonds – im Rahmen des aws – bis heute als zentrales Förderinstrument für Investitionen. Er arbeitet weiterhin mit dem Kapital und den Zinsen der damaligen Mittel und hat derzeit ein Volumen von etwa zwei Milliarden Euro, rechnet Thomas Krautzer vor.

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