Teil 14/2. Straßen- und Schieneninfrastruktur und die 1970er Jahre: Holprige Weichenstellungen in die Zukunft
Das steirische Schienennetz umfasst aktuell knapp 900 Kilometer. Seine Geschichte ist geprägt von kühnen Plänen und kapitalen Verzögerungen.
Lesedauer: 4 Minuten
1844 gilt als Geburtsjahr der Eisenbahn in der Steiermark: Die Strecke Mürzzuschlag–Graz wurde als Teil der neuen Verbindung von Wien über den Semmering nach Triest eröffnet. Es hätte aber auch ganz anders kommen können. Denn parallel zu der von Erzherzog Johann forcierten Streckenplanung über die Berge hatte der Grazer Techniker Franz Xaver Riepl eine alternative Trassierung projektiert – über Westungarn und die Südsteiermark (heutiges Slowenien).
Hätte man Riepls Pläne tatsächlich umgesetzt, hätte das allerdings enorme Nachteile für die Ober- und Mittelsteiermark bedeutet (auch Graz wäre nicht angebunden gewesen), galt die Eisenbahn zu dieser Zeit doch als einziger Hochleistungsverkehrsträger im Gütertransport. So aber führte der Infrastrukturausbau zu einem Erstarken der Eisen- und Stahlindustrie in der Mur-Mürz-Region.
Neben dem Bau der Semmeringbahn folgten weitere Hauptstrecken wie die Eröffnung der Kronprinz-Rudolf-Bahn von der Westbahn über die Steiermark nach Kärnten. Wichtig war zudem die eisenbahnmäßige Erschließung des Erzberggebietes sowie der Kohlereviere in der Weststeiermark.
Die in der Region Judenburg-Zeltweg-Knittelfeld florierende Schwerindustrie wurde zudem über die Lavanttalbahn versorgt. Umgekehrt gelang es nicht, eine Direktverbindung zwischen Knittelfeld und Voitsberg („Gleinalmbahn“) zu realisieren. Auch eine mögliche Pack-Querung zwischen Ligist und Wolfsberg – quasi ein Vorläufer der späteren Koralmbahn – blieb nach dem Ersten Weltkrieg im Planungsstadium hängen. Befürworter verwiesen erfolglos auf das touristische Potential: Man erhoffte sich einen „Semmering-Effekt“ durch ein entsprechendes Sommerfrischeangebot auf der Pack. Die Eisenbahn war zu dieser Zeit das dominante Verkehrsmittel im dank sich ausbreitendem Wohlstand anlaufenden Tourismus. Die Weltwirtschaftskrise machte dieses Bahn-Großprojekt allerdings zunichte.
Als Folge des Ersten Weltkriegs erlitt parallel die Südbahn durch das im Vertrag von Saint Germain festgeschriebene Abtreten der Untersteiermark einen nachhaltigen Bedeutungsverlust. Sie gipfelte in der Demontage des zweiten Gleises zwischen Graz und Maribor. Mittlerweile drängt man in der Steiermark seit Jahren wieder auf einen zweigleisigen Ausbau ab Werndorf. Allerdings setzte die aktuelle Bundesregierung dieses Projekt zuletzt auf der Prioritätenliste nach hinten (Inbetriebnahme erst 2039) und konterkarierte damit die Absichtserklärung von Bund, Land und ÖBB, die noch im Herbst 2024 einen Ausbau bis 2036 versprochen hatten.
Rückbau statt Ausbau hieß es in den 1960er-Jahren auch für andere Eisenbahnverbindungen, so zum Beispiel die Strecken von Birkfeld nach Ratten, von Kapfenberg nach Au-Seewiesen und von Mürzzuschlag nach Neuberg. Auch im höherrangigen Schienennetz rückten Graz und die Steiermark zunehmend ins Abseits. Das Angebot blieb schwerpunktmäßig Richtung Westeuropa ausgerichtet, der Süden und Osten blieben aufgrund der Nähe zum „Ostblock“ vernachlässigt – selbst als in den 1970er-Jahren wegen der Erdölkrise der Wunsch nach einem Hochleistungsnetz wieder wuchs. Zumindest im Europäischen Infrastruktur-Leitplan 1974 tauchen das Semmering- und Koralmbahn-Projekt damals allerdings bereits auf. Gestartet wurde deren Umsetzung aber erst Jahrzehnte später: 1999 begannen die Bauarbeiten an der Koralmbahn, 2008 jene des 33 Kilometer langen Tunnels, der im heurigen Dezember in Betrieb geht. Erst 2012 erfolgte nach politischen Querschüssen aus Niederösterreich der Spatenstich für den 27 Kilometer langen Semmeringbasistunnel, der Gloggnitz mit Mürzzuschlag verbinden wird. Die ursprünglich mit drei Milliarden Euro prognostizierten Kosten wurden mittlerweile um eine Milliarde nach oben korrigiert, auch der Fertigstellungstermin wurde von anfänglich 2027 um drei Jahre nach hinten verlegt.
Die Zentrale der Wirtschaftskammer Steiermark in Graz übersiedelt aus der Burggasse in den Neubau in der Körblergasse. Der bundesweite Konjunktureinbruch trifft die Steiermark besonders.
Der Tod des chinesischen Parteichefs Mao Tse-tung wird bekanntgegeben. In Kambodscha übernimmt Pol Pot, Generalsekretär der Roten Khmer.
Die Europäische Kommission als Organ der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) nimmt ihre Arbeit auf. Sie soll die europäische Einigung vorantreiben.
Jimmy Carter wird neuer US-Präsident. Elvis Presley stirbt in Memphis/Tennessee an einem Herzversagen, Schauspieler Charly Chaplin in der Schweiz.
Mit dem Krakauer Kardinal Karol Wojtyła wird erstmals ein Kirchenmann aus dem kommunistischen Ostblock Papst. Als Johannes Paul II. gilt er auch als Wegbereiter der späteren Ostöffnung. Bei der Fußballweltmeisterschaft in Argentinien siegt in Cordoba Österreich gegen Deutschland 3:2.
In Österreich lehnen bei einer Volksabstimmung 50,5 Prozent die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf ab. In Deutschland protestieren 40.000 Teilnehmer gegen die geplante Atommüll-Deponie Gorleben.
Im Iran stürzt Schiitenführer Ajatollah Khomeini den Schah, in Großbritannien wird Margret Thatcher Premierministerin, die Sowjetunion marschiert in Afghanistan ein.
In Graz beginnt die Fertigung des damaligen Puch/heutigen Mercedes G. Die Lufthansa fliegt erstmals Graz an.