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Zeitraum 1980 bis 1989
© WKO Steiermark

Teil 15/2. Verstaatlichte Industrie: "Wir sind pleite, verstehen Sie doch, wir sind pleite!"

Vom Wirtschaftswunder ins Tal der Tränen und zurück auf den Weltmarkt: Die Geschichte der Verstaatlichten Industrie hat in der Steiermark tiefe Spuren hinterlassen, die bis ins Heute reichen.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 26.08.2025

Die Worte waren so eindringlich wie erschütternd: „Wir sind pleite, verstehen Sie doch, wir sind pleite!“, rief Hugo-Michael Sekyra den so besorgten wie aufgebrachten Arbeitern in Kapfenberg zu. Der Auftritt des Chefs der Verstaatlichten-Holding ÖIAG im Juli 1987 prägte das Schlusskapitel einer turbulenten Geschichte der staatseigenen Großindustrie – und markierte den Startpunkt einer spektakulären Transformation von Krisenunternehmen zu Weltmarktführern. Der Anfang war aber von einem Ende gekennzeichnet: Die Wachstumskurve der österreichischen Wirtschaft brach ab. Befeuert von der Ölkrise, schrumpfte 1975 das BIP das erste Mal seit Beginn der 1950er-Jahre wieder. 

Verstaatlichungsdemo in Leoben
© ÖVP-Archiv Demonstration 1986 mit der Landesspitze an vorderster Front.

Die unter der Chiffre „Austro-Keynesianismus“ gesetzten Maßnahmen einer expansiven Budgetpolitik sollten das von der Bundesregierung unter Bruno Kreisky ausgerufene Festhalten an der Vollbeschäftigung finanzieren und die Grundlage für eine Trendwende bilden. Zwar gelang es damit anfangs, die Arbeitslosigkeit nicht weiter steigen zu lassen. Zarte Auftriebstendenzen ließen aber schnell wieder nach und ab 1981 folgte eine rasante Talfahrt der Wirtschaft, Großpleiten und politisch motivierte Personalpolitik und Skandale (Intertrading, Lucona) inklusive. 

„Ein paar Milliarden Schulden bereiten mir weniger schlaflose Nächte als ein paar hunderttausend Arbeitslose mehr." 

Dem wachstumsverwöhnten Staat war durch Strukturdefekte seine ökonomische Stabilität verloren gegangen. Besonders die Steiermark verwelkte zu einer Krisenregion. Bis 1986 kletterte die lange deutlich unter drei Prozent gehaltene  Arbeitslosenrate in Österreich auf 5,5 Prozent, in der Steiermark auf 6,5 Prozent, bis 1993 gar auf 8,4 Prozent. In der Mur-Mürz-Furche – einst Rückgrat der florierenden verstaatlichten Industrie – erreichte sie sogar bis zu zwölf Prozent. Besonders ältere Arbeitnehmer waren betroffen: Auf bis zu 29 Prozent (!) explodierte die Arbeitslosenrate bei den über 50-Jährigen. Gleichzeitig sackte der Beschäftigungsstand um bis zu 14 Prozent ein. Am Erzberg, in der obersteirischen Stahlindustrie und in den weststeirischen Kohlerevieren gab es Massenkündigungen, der EUMIG-Konzern und der Bergbau in Fonsdorf mussten schließen, die Glasproduktion in Bärnbach stand kurz vor dem Aus, im Grazer Steyr-Daimler-Puch-Werk wurde die Zweiradproduktion eingestellt. Die Steiermark wies in der Bruttowertschöpfung pro Beschäftigtem die geringste Produktivitätsrate aller Bundesländer auf. Die Misere zwang zu einer radikalen Kehrtwende. 

Verstaatlichungsdemo in Leoben
© voestalpine 1986 gingen Beschäftigte der Voestalpine in Leoben auf die Straße.

Eine stufenweise und weitreichende Privatisierungswelle und Neuorientierung wurde eingeleitet. Betriebe bauten Entwicklungsabteilungen auf und gründeten zusammen mit den Universitäten anwendungsorientierte Forschungszentren. 

Weltmarktspitze

Ausgehend von der Automobilindustrie initialisierte man Cluster-Strukturen und legte damit das Fundament für ein Wiedererstarken dieses Indus­triezweiges und seiner Zuliefer-Landschaft in der Steiermark. Einstige Sorgenkinder des verstaatlichten Imperiums, wie die Voestalpine, ELIN oder das im Siemens-Konzern aufgegangene Simmering-Graz-Pauker-Werk in Graz, haben sich in ihren Geschäftsfeldern in der Weltspitze etabliert.

Eine endgültige Krisenimmunität hat diese erfolgreiche Transformation allerdings nicht gebracht. Verwerfungen und Neuentwicklungen am Weltmarkt haben den Wirtschaftsstandort Steiermark in jüngster Vergangenheit erneut auf die Rüttelplatte gestellt.

Schienen der Voest Alpine
© voestalpine Schienentechnologie aus der Obersteiermark ist heute Weltspitze.

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