Zum Inhalt springen
Zeitraum 1990 bis 1999
© WKO Steiermark

Teil 16/1. Integration Österreichs: Der lange Weg nach Europa

Vor 30 Jahren trat Österreich der Europäischen Union bei: Schlusspunkt einer jahrzehntelangen Entwicklung mit vielen Hürden und Umwegen.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 29.09.2025

Ein vom Krieg gezeichnetes Land, wirtschaftlich abhängig von Hilfen und politisch in einer pikanten Lage zwischen den Blöcken des Kalten Krieges: So präsentierte sich Österreich 1945. 

80 Jahre später ist das Land Teil der Europäischen Union und wirtschaftlich hoch entwickelt. Dazwischen liegt ein Weg, der im Widerstreit von Neutralität, wirtschaftlicher Neuorientierung und dem Wunsch nach Sicherheit die logische Konsequenz einer immer enger werdenden Verflechtung mit Europa ist. Sie beginnt bereits 1920, als Österreich als eine Bedingung des Friedensvertrags von Saint Germain Gründungsmitglied des Völkerbundes – der Vorgängerorganisation der UNO – wird.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg zwingen äußere Umstände zu multilateralen Kooperationen: So mitbegründet Österreich 1948 die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa (OEEC, ab 1961 OECD). Sie wurde von den USA als Instrument zur Abwicklung der Marshallplanhilfe eingefordert. Vor allem auch dank der Expertise von Margarethe Ottilinger, einer Spitzenbeamtin im Wirtschaftsministerium, bekommt Österreich nach Norwegen damals die höchste Pro-Kopf-Zuteilung aus diesem Wiederaufbauprogramm. 

Sackerl mit dem Eurostarterpaket der Nationalbank aus dem Jahr 2002
© OeNB Kennenlernaktion der Nationalbank: Euro-"Starterpaket" 2002

Nach der durch den Staatsvertrag im Mai 1955 erlangten Souveränität und der beschlossenen Neutralität tritt Österreich bereits im Dezember desselben Jahres auch der UNO bei. Dennoch bleiben seine außenpolitischen Handlungsspielräume begrenzt. „Man ist formell zwar unabhängig und frei, steht aber unter Beobachtung der Sowjetunion“, analysiert Historikerin Anita Ziegerhofer (siehe Teil 16/2) von der Universität Graz.

Die geografische Lage an der Nahtstelle zwischen Ost und West und seine Kriegs- und Nachkriegsgeschichte als vierfach besetztes Land verleihen der jungen Republik eine besondere Stellung. Während Deutschland und Frankreich gemeinsam mit Italien und den Benelux-Staaten bereits 1950 als friedenssichernde Maßnahme nationale Souveränitätsrechte an eine supranationale Organisation (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, EGKS) abtreten, kann Österreich daran nicht teilnehmen. Eine Mitgliedschaft wird unter anderem als unvereinbar mit der Neutralität interpretiert.

So entscheidet sich Österreich für einen anderen Weg der Anbindung: Zunächst wird es 1956 Mitglied des Europarats. Dieser wurde 1949 auf Initiative von Großbritannien gegründet. Die Briten präferieren einen „Rat“ in Form eines Staatenbundes und keine – rechtlich stärker bindende – Union. Auch als 1957 in den Römischen Verträgen eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) als Zollunion festgeschrieben wird, versuchen die Briten diese in eine Freihandelszone nach Vorbild des Commonwealth of Nations umzuwandeln, bei der die Zölle untereinander abgebaut werden, nach außen hin die Staaten aber keine politischen Kompetenzen abgeben müssen. Sie scheitern allerdings mit dieser Idee, weshalb die European Freetrade Association (EFTA) 1960 gegründet wird. Österreich ist mit an Bord.

Großbritannien stellt in den Folgejahren wie auch Österreich zwar Anträge auf ein Assoziationsabkommen mit der EWG. Beide scheitern aber: Die Briten am Veto der Franzosen, Österreich an jenem Italiens aufgrund seines angespannten Verhältnisses in der Südtirol-Frage.

Queen Elizabeth und der damalige Landeshauptmann Josef Krainer im Jahr 1969
© STVP Britisch-österreichisch/steirischer Gleichschritt: Queen Elizabeth und der damalige Landeshauptmann Josef Krainer 1969.

1972 kommt es dennoch zu einem Freihandelsabkommen. Es bildet die Basis für die Gründung des Europäischen Wirtschaftsraumes 1990 zwischen der EG und der EFTA und dieser ist auch für den österreichischen Integrationsprozess von Bedeutung, weil er als Vorstufe für den Beitritt zur späteren Europäischen Union (EU) 1995 gilt.

Die 1980er-Jahre markieren eine neue Phase. Mit der Vertiefung der Europäischen Gemeinschaft, der Vollendung des Binnenmarkts und der wachsenden Bedeutung gemeinsamer Politiken wurde die Asymmetrie für Österreich immer deutlicher. 

Der Zerfall des Ostblocks und die geopolitischen Veränderungen geben schließlich den entscheidenden Anstoß zur Initiative:  Am 17. Juli 1989 übergibt Außenminister Alois Mock in Brüssel offiziell den Antrag für eine EG-Vollmitgliedschaft. Österreich beruft sich darauf, dass Neutralität und EG-Mitgliedschaft vereinbar seien, da es sich um keine Militärallianz handle.

Alois Mock und Gyula Horn durchschneiden 1989 den Eisernen Vorhang
© picturedesk Die Außenminister Alois Mock und Gyula Horn durchschneiden 1989 den Eisernen Vorhang.

Die entsprechenden Verhandlungen über den Beitritt beginnen 1993 und erleben 1994 ihren Schluss- und Höhepunkt im Rahmen von „Jumboverhandlungen“, die mehrfach an der Kippe stehen. Am 12. Juni 1994 findet schließlich die Volksabstimmung über den EG-Beitritt statt. Bei einer Beteiligung von über 80 Prozent stimmen 66,6 Prozent mit „Ja“. Am 1. Jänner 1995 tritt Österreich damit gemeinsam mit Schweden und Finnland der Europäischen Union bei. Zum ersten Mal nach 1945 gibt das Land damit einen Teil seiner Souveränität bewusst und freiwillig an eine supranationale Organisation ab.

In Südafrika endet die Apartheid, Neslon Mandela wird freigelassen. In der Sowjet-union wird Michail Gorbatschow zum ersten Präsidenten gewählt.

Nach den massiven Bürgerprotesten in der DDR und dem schrittweisen Öffnen der Grenze kommt es zur Wiedervereinigung von BRD und DDR. Der 3. Oktober wird seither als „Tag der Deutschen Einheit“ gefeiert. Parallel erklären sich die drei baltischen Staaten für unabhängig.   

Thomas Klestil wird zum Bundespräsidenten gewählt, Jörg Haider in Kärnten als Landeshauptmann abgewählt. In Jugoslawien beginnt der Zerfallskrieg, die USA starten den Golfkrieg.

Bill Clinton wird zum US-Präsidenten gewählt. Mit dem Vertrag von Maastricht wird aus der Europäischen Gemeinschaft (EG) die heutige Europäische Union (EU). 

Die Veitscher Magnesit und die Radex Heraklith fusionieren. Das Liberale Forum spaltet sich von der FPÖ ab. Tschechien und die Slowakei trennen sich.

Österreichs Beitrittsverhandlungen mit Brüssel beginnen. Im Beitrittsvertrag werden auch Austriazismen festgeschrieben. Es gelten weiterhin unter anderem die Bezeichnungen Vogerl- statt Feldsalat, Schlagobers statt Sahne, Karfiol statt Blumenkohl oder Marille statt Aprikose. Was komisch klingt, hat den ernsten Hintergrund, am europäischen Markt nicht Opfer von Handelshemmnissen zu werden.

In Österreich führt ein Ausländervolksbegehren zum „Lichtermeer“ und erschüttert eine Attentatsserie mit Briefbomben. Als Täter wird Franz Fuchs ausgeforscht.