Teil 17/1. Regionale Strukturpolitik: Wiederentdeckung der regionalen Kraft
Nach Krieg, Wiederaufbau und Wirtschaftswunder rutscht die Steiermark in einen strukturellen Krisenmodus. Neuorientierung und Netzwerkstrukturen sorgen für den erfolgreichen Umbau zur Wissensregion.
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Es war alles angerichtet für das große Geburtstagsfest. Hundert Jahre, nachdem der altösterreichische Industriepionier Johann Puch das Unternehmen 1899 gegründet hatte, erfolgte am 26. Mai 1999 in den Werkshallen von Steyr-Daimler-Puch der Produktionsstart für die Mercedes M-Klasse. Für den symbolischen Akt waren der damalige Fabriksdirektor Siegfried Wolf, Bundeskanzler Viktor Klima und Mercedes-PKW-Chef Jürgen Hubbert (siehe Foto rechts) nach Graz gereist. Von Österreich aus sollte der europäische Markt mit dem SUV beliefert werden. Allein für das Daimler-Mercedes-Eurostar-Konglomerat wurden damit damals in Graz-Thondorf fünf Modelle gefertigt. Zu den fast 5.000 Beschäftigten kamen noch einmal rund 600 neue Arbeitsplätze dazu. Der Motor der steirischen Automobilindustrie lief auf Hochtouren. Es war das Ergebnis einer radikalen strategischen Neuausrichtung, die als Reaktion auf die tiefe Krise der heimischen Industrie in den 1980er-Jahren eingeleitet worden war.
Zu diesem Zeitpunkt kumulierten die wirtschaftlichen Probleme der von verstaatlichen Betrieben dominierten Industrie, die an eklatanten strukturellen Defiziten laborierte. Einer der Brennpunkte war die Obersteiermark mit ihren großteils in der Schwerindustrie angesiedelten Unternehmen. Die bestehenden Strukturprobleme wurden Anfang der 1970er-Jahre noch überdeckt. Nach einer Phase der „Stagflation“ stieß die lange gelebte Strategie des „Deficit spending“ durch den zweiten Ölpreisschock und die anschließende „Wellblechkonjunktur“ mit ihren unregelmäßigen, sich ausgleichenden Auf- und Abwärtsbewegungen aber an ihre Grenzen.
Image als Krisenregion
„Verwöhnt vom lange anhaltenden Boom der Nachkriegszeit, hatte man die internationale Wettbewerbsfähigkeit verloren“, analysiert Thomas Krautzer, Leiter des Instituts für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte an der Universität Graz. Anfang der 1990er-Jahre wuchs als Folge die Arbeitslosigkeit zügig an: Zwischen 1981 und 1991 gingen 11,4 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse verloren, mehr als 20 Prozent der Bevölkerung wurden zumindest einmal pro Jahr mit Arbeitslosigkeit konfrontiert. Trotz eines eilig eingeführten Frühpensionsmodells kletterte die Arbeitslosigkeit bei den über 50-Jährigen von sieben auf bis zu 29 Prozent. Parallel sank die Geburtenrate und florierte die Abwanderung – das Image einer Krisenregion verfestigte sich.
Erst eine Analyse des Grazer Ökonomen Gunther Tichy über die Ursachen und Folgen des wirtschaftlichen Absturzes in der Region Obersteiermark sorgte auf politischer Ebene für ein Umdenken. Er ortete zum einen eine zu starke Positionierung der Unternehmen in der produktzyklentheoretischen „Reifephase“. Zum anderen machte er die staatliche Interventionspolitik, die auf bedingungslosen und kostspieligen Verlustabdeckungen nicht mehr überlebensfähiger Strukturen aufsetzte, als Hauptursache für die fehlende Wettbewerbs- und Reformfähigkeit aus.
Endogene Erneuerung
Eine grundsätzlich anders akzentuierte regionale Strukturpolitik sollte den „Wachkomapatienten“ retten. Tichy riet zu einer „endogenen Erneuerung“: Die vor Ort ansässigen Betriebe sollten in die Lage versetzt werden, aus eigener Kraft forschungs- und facharbeitsintensive Verfahren zu entwickeln. Eine neue Forschungspolitik wurde aufgesetzt, deren Säulen neben den Universitäten auch neue Fachhochschulen und anwendungsorientierte Forschungszentren sein sollten. Um gezielte regionale Entwicklungsimpulse setzen zu können, wurde als politisches Steuerungsinstrument die Steirische Wirtschaftsförderungsgesellschaft (SFG) gegründet. Strategisch hatte man in der Etablierung von Netzwerken und Clustern ein neues Erfolgsmodell gefunden. Es trägt bis heute wie ein Skelett die Muskelstränge des Standorts.
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