Brücke zwischen IT und Infrastruktur
Weit weg vom Krieg und Energieabhängigkeiten, hat sich Portugal als IT-Hub mit ehrgeizigen Infrastrukturplänen etabliert.
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Ein zurückgetretener Regierungschef, ein ehemaliger Kabinettschef auf der Anklagebank, Hausdurchsuchungen bei ranghohen Politikern, an die Öffentlichkeit geleakte Handykommunikation, Vorwürfe wegen vermeintlicher informeller Absprachen: Nein – es geht hier nicht um Österreich. Auch in Portugal hat die Politik zuletzt für wenig imagefördernde Schlagzeilen gesorgt.
Als Folge der aktuellen Korruptionsermittlungen, Festnahmen und wilden politischen Attacken trat im vergangenen November António Costa als Ministerpräsident zurück, seine sozialistische Alleinregierung ist seither nur noch geschäftsführend und mit Ablaufdatum im Amt. Am 10. März kommt es zu vorgezogenen Parlamentswahlen. Das Land im Westen der iberischen Halbinsel hat Talent für Turbulenzen. Mit José Sócrates wurde vor zehn Jahren bereits ein portugiesischer Ex-Ministerpräsident wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Korruption verhaftet.
Den politischen Krisen steht eine profunde Konjunkturentwicklung gegenüber. Vor allem nach der Corona-Krise gab es einen kraftvollen Aufschwung weit über dem EU-Durchschnitt. Man hat aus den Fehlern der Wirtschaftskrise 2011 gelernt und seither eine disziplinierte Haushaltspolitik verfolgt. „Eine Senkung der Staatsverschuldung auf unter 100 Prozent ist ein direktes Ergebnis dieser Politik“, analysiert Österreichs Wirtschaftsdelegierte in Lissabon, Esther Maca. Mit einer Kursänderung rechnet sie auch nach der Wahl nicht. Zu eng sei das Korsett internationaler Regeln.
Kren für Lissabon
Geschadet hat es der portugiesischen Wirtschaft nicht. So wuchs das Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen Jahren – 2021 um 5,7 Prozent, 2022 um 6,8 Prozent, 2023 um 2,3 Prozent – und damit jeweils deutlich über dem EU-Schnitt. 2024 soll es laut EU-Kommission zumindest ein Plus von 1,3 Prozent geben.
Die wachstumstreibenden Pläne sind jedenfalls ehrgeizig. So entstehen um den natürlichen Atlantik-Tiefseehafen Sines ein milliardenschwerer Cluster zur Erzeugung von grünem Wasserstoff und ein Hochleistungsdatenzentrum. Schon seit 2018 hat sich das Land als Hub für Servicecenter etabliert. Laut portugiesischer Standortagentur AICEP betreiben mittlerweile Großunternehmen wie Microsoft, Bosch, Siemens, Continental oder Mercedes Kundenservice- beziehungsweise IT-Entwicklungseinrichtungen mit insgesamt 80.000 Beschäftigten. Zudem nutzen viele Firmen Portugal als Brücke zu Infrastrukturprojekten in Afrika und Lateinamerika.
Auch mit Österreich prosperieren die Wirtschaftsbeziehungen. Sowohl Import- als auch Exportvolumen steigen kontinuierlich. In Portugal selbst aktiv ist beispielsweise der steirische Kettenhersteller Pewag mit einem mobilen Service-Trailer, auch Krenwurzeln aus der Steiermark findet man in Lissabon.
Erfolgreiche Suche nach Arbeitskräften
Das allgemeine Potential ist groß. Zulieferer könnten im Infrastruktursektor von der Sogwirkung der milliardenschweren Investitionen der portugiesischen Regierung in die Infrastruktur (allein für Bahnprojekte 10,7 Milliarden Euro), im Energie-, Gesundheits- und Wohnbausektor profitieren. Zuletzt waren heimische Unternehmen auch bei ihrer Suche nach Arbeitskräften im Rahmen von Anwerbeinitiativen erfolgreich. „Bei der größten Maschinenbaumesse konnten binnen kürzester Zeit hundert Interessierte gefunden werden“, berichtet Maca. Gegen den Arbeitskräftemangel im eigenen Land wehrt sich die portugiesische Bauwirtschaft indes mit Ausbildungsprogrammen in Afrika, gegen den drohenden akademischen Braindrain bietet der Staat Rückkehrern Steuerboni.