Steiermark verzeichnet trotz Konjunkturflaute 78 Mangelberufe
Der Personalmangel verschärft sich trotz Konjunkturflaute: Das zeigt die aktuelle Auswertung des Fachkräfteradars in der Steiermark. Die WKO Steiermark fordert daher neue Leistungsanreize – und ein Anheben des Pensionsantrittsalters.
Lesedauer: 4 Minuten
Die Lage bleibt angespannt. Mit Stand Ende Jänner waren beim AMS Steiermark 44.081 Personen als arbeitslos vorgemerkt – das ist gegenüber dem historisch äußerst niedrigen Vorjahreswert ein deutlicher Zuwachs von 3.933 Personen oder 9,8 Prozent. Damit setzt sich ein konjunkturbedingt trauriger Trend aus dem letzten Jahr fort.
Trotz dieser Negativentwicklung ist der Mangel an qualifiziertem Personal aber nicht kleiner geworden, wie die Auswertung des aktuellen Fachkräfteradars der Wirtschaftskammer zeigt. So liegt die sogenannte Stellenandrangsziffer – also die Zahl der Arbeitslosen pro offener Stelle – bei nur 1,53. „Das zeigt, wie groß die strukturellen Herausforderungen am Arbeitsmarkt sind“, warnt der steirische WKO-Präsident Josef Herk. „Da droht ein echter Flaschenhals für jeden künftigen Aufschwung.“ Tatsächlich lag der Wert 2019 noch bei 2,34. Zwar gab es zuletzt wieder eine leichte Verbesserung gegenüber 2022 (1,19), Entwarnung geben Ökonomen aber nicht. „Jeder Wert unter 1,5 ist als Mangel einzustufen“, erklärt Johannes Absenger vom Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS). Aus dessen Berechnungsmodell ergibt sich für die Steiermark eine Liste von aktuell 78 Mangelberufen.
Trotz steigender Arbeitslosigkeit ist der Fachkräftemangel in vielen Branchen weiterhin stark spürbar.
Johannes Absenger
IWS
30-Stunden-Woche
Bei der Ursachenforschung für diese anhaltend prekäre Lage stößt man auf ein breitgefächertes Spektrum. Zum einen schlägt die demographische Entwicklung weiter voll durch. Durch geburtenschwache Jahrgänge fehlt auch dem Arbeitsmarkt der Nachwuchs (siehe Artikel rechts). Mit einer Entspannung ist diesbezüglich in naher Zukunft nicht zu rechnen. Dazu kommt die weiterhin sinkende Zahl an insgesamt geleisteten Arbeitsstunden – auch das ein Trend, der sich fortsetzen wird. Schon jetzt unterläuft man durch eine im internationalen Vergleich auffällig hohe Teilzeitquote die teils politisch geforderte 32-Stunden-Woche deutlich: So liegt die durchschnittlich geleistete Wochenarbeitszeit aktuell bei 30 Stunden. Noch vor zwanzig Jahren waren es knapp 34 Stunden. Prognosen der Synthesis Forschung weisen für 2040 einen Wert von nur noch 28,3 Stunden aus
Der Forderungskatalog der Unternehmensvertreter, die vor standortgefährdenden Entwicklungen warnen, ist entsprechend lang. Er beinhaltet ein Bündel an Anreizen, die längeres Arbeiten attraktiver machen sollen – von steuerlichen Anreizen für Überstunden beziehungsweise für das Arbeiten in der Pension bis zu einer deutlich spürbaren fiskalen Attraktivierung des Umstiegs von Teilzeit auf Vollzeit. Aktuell bekommt eine Teilzeitkraft, die ihr Wochenarbeitszeitpensum um 50 Prozent erhöht, nur 34,2 Prozent mehr Nettolohn. „Das ist der drittschlechteste Wert in der EU“, kritisiert Herk: „Wir schlagen daher einen Vollzeitbonus in Form eines Steuerfreibetrags oder Absetzbetrags vor.“ Als Antwort auf das Faktum, dass allein in der Steiermark bis 2040 über 50.000 Beschäftigte fehlen werden, steht eine qualifizierte Zuwanderung ebenfalls auf der Agenda. „Anders wird man die Lücke an fehlenden Fachkräften nicht schließen können“, so Herk. Alles andere sei „Realitätsverweigerung“, moniert er mit Blick auf die demographische Entwicklung.
Die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal wird zum Flaschenhals.
Josef Herk
WKO Steiermark
Die Unternehmen selbst behelfen sich indes mit dem „Horten“ von Arbeitskräften trotz lauer Konjunktur. So plant laut IWS-Daten jedes achte Unternehmen trotz erwartetem Produktions- und Auftragsrückgang seinen Beschäftigungsstand stabil zu halten. „Sie wissen, wie schwer es sein würde, wieder geeignetes Personal zu finden, wenn die Konjunktur wieder anzieht“, begründet Absenger.
Steigende Überalterung heizt den Arbeitskräftemangel an
Die Demographie nimmt den Standort in die Zange: Zum einen sorgen geburtenschwache Jahrgänge für immer weniger Jugendliche, die auf den Arbeitsmarkt drängen. Der Anteil der 25-Jährigen sank in den letzten zwanzig Jahren von 72.000 auf 63.000. Zum anderen stieg die Zahl der über 50-jährigen unselbständig Beschäftigten in der Steiermark im selben Zeitraum von 69.000 auf 155.000.
Parallel scheiden ältere Beschäftigte in Österreich aber deutlich früher aus dem Berufsleben aus als anderswo in Europa. So waren zuletzt nur 56,4 Prozent der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig. Zum Vergleich: Im EU-Schnitt sind es 60,5 Prozent, in Schweden sogar 77,7 Prozent. Würde diese Quote auch hierzulande erreicht werden, würde sich das inländische Arbeitskräfteangebot laut Berechnungen der Nationalbank um rund 184.000 erhöhen. Noch dramatischer ist der Unterschied bei den 60- bis 64-Jährigen, von denen in Deutschland noch 65,3 Prozent im Berufsleben stehen, in Österreich dagegen nur 33,6 Prozent. So lag das Pensionsantrittsalter bei den Männern zuletzt bei 62,1 Jahren, bei den Frauen bei 60,1 Jahren – und damit annähernd auf demselben Niveau wie in den 1970er-Jahren.
„Pensionsantrittsalter gehört erhöht“
Vor diesem Hintergrund drängt der steirische Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk in einem ersten Schritt auf eine deutliche Annäherung Richtung gesetzlichem Pensionsantrittsalter. In weiterer Folge werde es aber auch zu einer Anhebung des gesetzlichen Alterslimits kommen müssen, so Herk. „Ein Jahr später bringt dem Arbeitsmarkt ein Potential von bis zu 70.000 Beschäftigten“, rechnet er vor.
Die steirischen Top-20 Mangelberufe im Jahr 2023:
- Diplomingenieur:in und Techniker:in für Elektrotechnik 0,10
- Dachdecker:in 0,19
- Diplomingenieur:in und Techniker:in für Maschinenbau 0,22
- Diplomingenieur:in und Techniker:in für Datenverarbeitung 0,24
- Dipl. Krankenpfleger, -schwestern 0,24
- Elektroinstallateur/-monteur:in 0,31
- Spengler:in 0,37
- Diplomingenieur:in für Wirtschaftswesen 0,37
- Rohrinstallateur, -monteur:in 0,40
- Dreher:in 0,41
- Schlosser:in 0,42
- Augenoptiker:in 0,43
- Kraftfahrzeugmechaniker:in 0,45
- Schweißer:in 0,47
- Lackierer:in 0,47
- Medizinisch-technische Fachkräfte 0,50
- Arzt/Ärztin 0,60
- Buchhalter:in 0,62
- Elektromechaniker 0,64
- Gaststättenkoch/-köchin 0,73