Unsere EM-Gruppe als Exportmarkt
Ein Gewinner der Fußball-EM steht fest: die UEFA. Aber wie steht es um die wirtschaftlichen Stärken und Schwächen von Österreichs Gegnern.
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Der Ankick zur Fußballeuropameisterschaft am 14. Juni ist der Startschuss für einen Sommer der Sportgroßereignisse: Nach dem EM-Finale in Berlin ist vor den Olympischen Spielen in Paris. Derartige Sportgroßereignisse gelten zumindest für die veranstaltenden Verbände als Gelddruckmaschinen. So kommen in „Normaljahren“ 85 Prozent der Einnahmen des Europäischen Fußballverbands UEFA aus den Klub-Wettbewerben, in EM-Jahren sind es nur 55 Prozent. Allein im Jahr der letzten EM (2020/21) nahm die UEFA aus Medienrechten, Sponsoring und Ticketverkäufen 5,7 Milliarden Euro ein.
So leidenschaftlich in den kommenden Wochen gegeneinander gespielt wird, so intensiv haben sich die Staaten im Rahmen der EU auf ein umfassendes Miteinander verständigt. Gerade mit seinen Gruppengegnern unterhält Österreich wirtschaftlich prosperierende Außenhandelsbeziehungen. Ginge es im direkten volkswirtschaftlichen Vergleich nach der um die Kaufkraftparität bereinigten BIP-pro-Kopf-Quote (siehe Grafik rechts oben), würde Österreich den Aufstieg schaffen. Trotz einer schweren Niederlage bei der Konjunkturentwicklung und Mittelmaß bei der Inflation.
Frankreich: Aufholbedarf als Chance
Sie gelten bei der EM als einer der Favoriten. Und auch ökonomisch spielt die „Grande Nation“ in Europa im Spitzenfeld. Als zweitgrößte Volkswirtschaft innerhalb der EU ist das Land auch für die österreichische Exportwirtschaft eine lohnende Zieladresse. Wobei die Konkurrenz – wie im Fußball – nicht klein ist: Nicht nur Deutschland, Italien und Spanien bespielen diesen Markt, auch Belgien und die Schweiz matchen sich mit österreichischen Unternehmen um Marktanteile. Besondere Chancen ortet Christian Miller, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Paris, unter anderem im Bereich Smart- und Green-Building sowie allgemein bei grünen Industrielösungen, da Frankreich Aufholbedarf im Bereich Dekarbonisierung hat. „Deren Schwäche ist unsere Stärke“, fasst Miller die Situation zusammen. Chancen ergeben sich für österreichische Unternehmen auch bei Infrastrukturausbauten (Eisenbahn).
Die eigene französische Innovationskraft ist aber nicht zu unterschätzen: Frankreich hat nicht nur am Spielfeld kreative Offensivspieler: So gibt es allein rund eine Million Start-ups und Scale-ups. Die Mehrheit sind in IT, FinTech, Gesundheit und Biotechnologie, Energie, Mobility und eCommerce tätig. Knapp 30 Unicorns haben ihren Sitz in Frankreich. Die Olympischen Spiele im Sommer haben zudem zu einem starken Wachstum in der SportTech-Branche geführt. Umgekehrt leidet der Sektor auch in Frankreich an Finanzierungsengpässen: Wurden 2022 noch über 13 Milliarden Euro in französische Start-ups investiert, so wurde 2023 zur Herausforderung. Im ersten Halbjahr ist das Fundraising um 50 Prozent gesunken und die Anzahl der Konkurse gestiegen.
Tipp des Wirtschaftsdelegierten für das EM-Match am 17. Juni: Österreich vs Frankreich 0:1
Niederlande: Die Hafen-Großmacht Europas
Die Niederlande sind nicht nur im Fußball ein starker Gegner mit ausgeprägter Offensivkraft. Auch wirtschaftlich ist die konstitutionelle Monarchie eine Supermacht. So gilt man als zweitgrößter Agrarexporteuer der Welt hinter den USA. Geschuldet ist das dem größten Hafen Europas in Rotterdam. Allein 2023 erwirtschaftete er direkt 22,1 Milliarden Euro. 200.000 Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt an diesem wichtigen Logistikhub, mit dem 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet werden. Trotz dieser führenden Rolle sieht Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Den Haag, Michael Spalek, Potential für österreichische Lebensmittel- und Getränkehersteller. „Auch im Bereich der erneuerbaren Energien bestehen gute Chancen“, so Spalek. Und er verweist – neben der Logistikbranche (Knapp AG) – auf eine weitere Stärke, mit der Österreich in den Niederlanden punktet: die heimischen Berge. Ihre Anziehungskraft macht die Flachlandbewohner aus dem Nordwesten der EU zum zweitwichtigsten Tourismusmarkt für Österreich.
Punkte sammeln die Niederlande wiederum als eines der innovativsten Länder der Welt. Und sie wollen an der Spitze bleiben. So werden über einen Nationalen Wachstumsfonds bis 2025 zwanzig Milliarden Euro für innovative Projekte in den Bereichen Infrastruktur, künstliche Intelligenz und grüner Wasserstoff bereitgestellt. Allein in den „Brainport Eindhoven“ werden 2,5 Milliarden Euro investiert, um die Halbleiterindustrie auszubauen. Geld der öffentlichen Hand fließt aber auch in den Immobilienmarkt, wo bis 2030 rund 900.000 neue Wohnungen entstehen sollen.
Tipp des Wirtschaftsdelegierten für das EM-Match am 25. Juni: Österreich vs Niederlande 2:1
Polen: Neue E-Automarke geplant
Der am Papier schwächste Gruppengegner der Österreicher ist weltweit der sechstwichtigste und innerhalb der EU sogar der viertwichtigste Exportmarkt für den österreichischen Außenhandel. Das Exportvolumen stagnierte zuletzt zwar, das Potential ist aber enorm. „Polen hat seit dem Beitritt zur EU eine stetige Aufwärtsentwicklung geschafft, das Bruttoinlandsprodukt wird sich bis 2029 im Vergleich zu 1990 verzehnfachen“, berichtet Österreichs Wirtschaftsdelegierter Christian Lassnig aus Warschau. Besonders aktiv ist man beispielsweise im Segment E-Mobilität: Polen ist eines der führenden EU-Länder im Bereich Batterie- und Komponentenproduktion. Ausländische Firmen investieren aber vermehrt auch in die Produktion von Elektroautos selbst. Und: „Es existieren Pläne für eine neue polnische Elektroautomarke“, so Lassnig.
Es gibt aber auch Schattenseiten. Die hohe Inflation hat das Wachstum zuletzt deutlich gebremst. Dazu kommen stark steigende Löhne und Gehälter, die zwar den Wohlstand heben, jedoch preissensible Produktionen teilweise unrentabel machen. Nachdem die Inflation zuletzt wieder sanft rückläufig war, wurde mit 1. April die für zwei Jahre auf Null gesetzte Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel auf fünf Prozent angehoben. Das soll dem Staat Einnahmen von rund 2,8 Milliarden Euro bringen.
Potential für österreichische Exportunternehmen gibt es beispielsweise im Energiesektor. 60 Prozent der elektrischen Energie werden in Polen noch mit Stein- oder Braunkohle erzeugt. Um die Klimaziele der EU zu erreichen, muss das Land in den nächsten Jahren massiv in den Ausbau erneuerbarer Energiequellen investieren. Hier könnte Österreich mit Technologieexporten punkten.
Tipp des Wirtschaftsdelegierten für das EM-Match am 21. Juni: Österreich vs Polen 1:1