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Betriebsansiedelung mitten in der Wüste
© Raid Laabi/stock.adobe.com

Vollgas in der Wüste

Marokko positioniert sich als Wachstumsmarkt vor der Haustüre Europas. Als wesentlicher Motor dient dabei die Automobilindustrie.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 26.09.2024

Während die Autoindustrie in Europa schwer in Schieflage geraten ist, ist sie für die Ökonomie Marokkos zu einem tragenden Ast gewachsen. Die Produktionskapazität hat sich in den vergangenen fünfzehn Jahren fast verachtfacht. Während 2009 noch 90.000 Fahrzeuge produziert wurden, sind es mittlerweile 700.000. Im Jahr 2030 will man die Million knacken. 80 Prozent dieser Produktion gehen nach Europa. So exportierte Marokko im vergangenen Jahr Fahrzeuge im Wert von insgesamt 12,3 Milliarden Euro – fast zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit hat man Südafrika als führende Automobilnation am afrikanischen Kontinent abgelöst.

Auch die Exportzahlen Richtung Österreich sind zuletzt massiv gestiegen. So lieferte Marokko 2012 Fahrzeuge im Wert von 12,1 Millionen Euro nach Österreich. 2022 stieg das Volumen auf 40 Millionen Euro und im vergangenen Jahr bereits auf über 60 Millionen Euro, rechnet Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Casa­blanca, Albrecht Zimburg, vor. 

Zu verdanken ist dieser Boom  unter anderem einem großzügigen Förderungsregime durch die Regierung und zwei Handelsabkommen mit der EU. 

Grazer Know-how

So sind mittlerweile mehr als 250 Unternehmen aus der internationalen Automotive-Branche in Marokko ansässig, die rund 220.000 Menschen beschäftigen. Renault ist überhaupt der größte private Arbeitgeber des Landes, auch Stellantis baut hier Fahrzeuge der Marken Fiat, Opel und Peugeot. Dazu kommt eine breit aufgestellte Zulieferindustrie, die unter anderem Sitze, Stoßdämpfer, Räder und Motoren produziert. Auch die Vorarlberger Hirschmann-Gruppe beliefert von Marokko aus die europäische Automobilindustrie mit Bordkabeln und Steckverbindungen. Das Geschäft floriert. Aktuell wird ein zweites Werk gebaut, dessen Inbetriebnahme für 2025 geplant ist.

Für den Wandel Richtung Elektromobilität ist man ebenfalls gerüstet. Das Land verfügt über Rohstoffe, die für die Batterieproduktion notwendig sind. Notwendige Energie kommt aus riesigen Sonnenkraftwerken. So wurde 2016 nahe der Stadt Ouarzazate das damals weltgrößte thermische Solarkraftwerk eröffnet. Das Abrechnungssystem der ersten Ausbaustufe Noor 1 lieferte VTU Energy aus Grambach bei Graz.

Gesamtwirtschaftlich hat Marokko nach der Pandemie und dem schweren Erdbeben 2023 wieder in die Spur gefunden. Nach einem Konjunkturminus von über sieben Prozent im Jahr 2020 hat sich die Entwicklung gedreht. 2022 gab es ein Plus von 1,3, im vergangenen Jahr einen Zuwachs um drei Prozent. Für heuer und 2025 prognostizieren der Internationale Währungsfonds (IWF) sowie die Afrikanische Entwicklungsbank Wachstumsraten von rund 3,5 Prozent.

Es gibt aber auch Schattenseiten. Zwar hat man die Inflation, die  – angeheizt durch die aufgrund von Wassermangel und Dürre gestiegenen Preise für Getreide und Gemüse – zeitweise auf über sechs Prozent gestiegen war, wieder im Griff. Sie ist auf knapp über zwei Prozent gesunken. Probleme bereitet allerdings die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit von 13,3 Prozent. Besonders hoch fällt sie mit 17 Prozent in städtischen Gebieten aus. Bei den 15- bis 24-Jährigen liegt die Arbeitslosenquote sogar bei 38,2 Prozent.

Fußball-WM als Chance

Potenzial für österreichische Exportunternehmen bietet sich vor allem im Bereich Infrastruktur. So hat Marokko strategisch wichtige Märkte für private Investoren, geöffnet. Ausländische Investoren will man speziell für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft gewinnen. Allein im Bereich der Meerwasserentsalzung sind in den nächsten zehn Jahren 53 Vorhaben bereits in Umsetzung beziehungsweise in Planung. Dazu kommt der Bau von Sportstätten, Verkehrsinfrastruktur sowie Unterbringungs- und Versorgungseinrichtungen für die Fußball-Weltmeisterschaft 2030.