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Münzen, die sich immer höher stapeln, daneben ein weißer Netzstecker
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Wirtschaft fordert Netzgipfel mit Energieversorgern

Die hohen Energiekosten belasten die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und des Standorts. Die WKO schlägt daher einen Netzgipfel vor.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 13.11.2025

Sie liefern dieser Tage symbolträchtige Schlagzeilen: Die beiden vom Verbund betriebenen Pumpspeicherkraftwerke Limberg I und III in Kaprun werden aufgrund technischer Probleme bis zu zwei Jahre ausfallen. Durch die Havarie fällt fast ein Viertel der Leistung aller heimischen Verbund-Speicherkraftwerke weg.  Die Versorgungssicherheit in Österreich sei dadurch zwar nicht gefährdet, ist man um Kalmierung bemüht. Der Vorfall taugt aber als Blaupause für die Reparaturnotwendigkeiten in der heimischen Energielandschaft.

„Energie muss nicht nur erneuerbar sein, sie muss im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit auch leistbar sein.“

In der Steiermark wird diesbezüglich von Wirtschaftsvertretern vor allem auf die Netzkostenstruktur verwiesen. Sie wächst für Unternehmen zunehmend zum Standortnachteil. Im Gasbereich etwa steigen die Netztarife 2026 in der Steiermark in der für Betriebe hauptrelevanten Netz­ebene 2 um über 17 Prozent und sind zudem fast doppelt so hoch wie in Oberösterreich. Im Stromnetzbereich hat die Steiermark ebenfalls einen massiven Kostennachteil – und dieser droht weiter massiv zu steigen. Bis 2035 ist durch die Ausbaunotwendigkeiten im Bereich der erneuerbaren Energie (siehe rechte Spalte) mit Mehrkosten von 100 (!) Prozent zu rechnen, schlägt Ewald Verhounig, Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS), Alarm. 

In einer Studie hat das IWS die verschiedenen Netzebenen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Nicht nur beim Erdgas – für die heimische Industrie nach wie vor und auch mittelfristig eine zentrale Energiequelle – liegen die Kosten in der Steiermark über dem Österreich-Schnitt und sogar vier bis fünf Mal höher als in den USA. „Wenn der Gaspreis und zusätzlich die Netzkosten steigen, bedeutet das enorme Belastungen“, so die Studienautoren. Auch im Bereich der elektrischen Energie sind steirische Betriebe in Bezug auf die Systemnutzungstarife, die für die Versorgung zusätzlich zum reinen Energiepreis zu entrichten sind, mit signifikant höheren Kosten konfrontiert. 

Teurer auf allen Ebenen

Diese Nachteile bestehen seit Jahrzehnten und sind auf allen wirtschaftsrelevanten Netzebenen spürbar, teilweise sind die Tarife sogar beträchtlich. Die zwischenzeitige Entspannung aus der Liberalisierung heraus konnte über die Corona-Pandemie hinaus nämlich nicht prolongiert werden. So liegen die Kostensprünge aktuell bei den Netztarifen zwischen 15  und knapp 40 Prozent binnen eines Jahres. In der Netz­ebene 3 (Hauptkunden sind die Industrie und EVU-Stadtwerke) sind die Netzkosten in der Steiermark seit 2001 sogar um fast 80 Prozent gestiegen. In der Netzebene 4 gab es im selben Zeitraum Zuwächse von 50 Prozent, womit der Steiermark-Tarif ebenfalls im Spitzenfeld der energieintensiven Bundesländer liegt. Deutlich geringer fallen die Systemnutzungstarife beim Strom auf der Netzebene 5 aus, über die unter anderem auch Klein- und Mittelbetriebe versorgt werden.

In Kombination mit den hohen Lohnnebenkosten wirkt die teure Energie damit vor allem für die Industrie als zusätzlicher Standortnachteil. „Eine Abwanderung der Unternehmen droht“, warnt Herbert Ritter, Vizepräsident der WKO Steiermark, und schlägt in Richtung Energieversorger einen „Netzgipfel“ vor. Er soll zunächst Klarheit und in weiterer Folge eine Entlastung für die Betriebe bringen. Denn: „Die Energiewende kann nicht alleine von der energieintensiven Wirtschaft getragen werden“, so Ritter. 

„Was die Investitionen in die Netzinfrastruktur betrifft, braucht es Realismus und mehr Transparenz.“

Die Unternehmensvertretung drängt diesbezüglich daher unter anderem auf einen einheitlichen Netztarif. Derzeit gibt es in Österreich 114 Strom- und 19 Gas-Verteilernetzbetreiber. Entsprechend zersplittert sind die Tarifstrukturen – vor allem in der Steiermark, wo im Bereich der Stromnetze fast die Hälfte der Verteilnetzbetreiberunternehmen aktiv sind. „Vor dem Hintergrund steigender Netzgebühren darf im System der Anreizregulierung daher volle Kostentransparenz seitens der Netzbetreiber erwartet werden“, so die WKO-Spitze.

Keine Denkverbote

Generell aber sollten die steigenden Netzgebühren nicht ausschließlich von den Netznutzern getragen werden, fordert die WKO. Da es sich beim Stromnetz um eine Infrastruktur im öffentlichen Interesse handle, sollte es daher einen staatlichen Fonds für die Entwicklung und den Ausbau der Netzinfrastruktur geben. Angesichts der aktuell angespannten budgetären Situation, die keinen Spielraum eröffnet, müsse das neue Elek­trizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) einen Beitrag zur Kostensenkung leisten. Zudem wird ein gesetzlicher Rahmen für netzdienliches Verhalten urgiert, wodurch ein Netzausbau und damit einhergehende Kostensteigerungen hintangehalten werden könnten. Der Mehrbedarf durch PV-Einspeisungen, die steigende Zahl an E-Autos, aber auch KI-Anwendungen und Wärmepumpen machen einen Ausbau der Netzinfrastruktur notwendig. „Bezahlen soll diesen aber fast ausschließlich die Wirtschaft. Das führt zu einer Kostenumverteilung von vielen Verursachern auf wenige Zahler. Das geht so nicht“, kritisiert die WKO. 

Begleitend müsse das Potenzial der nur sehr volatil verfügbaren „Erneuerbaren“ realistisch eingeschätzt werden. Die notwendige Ausgleichsenergie müsse auf Basis von Technologieoffenheit gewährleistet werden. „Hier darf es künftig keine Denkverbote geben“, stellen Herbert Ritter und Josef Herk unisono klar.

Ausbauziele in der Steiermark 

Photovoltaik: Bis 2030 müssen zusätzlich zwei Terawattstunden (Status quo: 0,5 TWh) an Strom aus Photovoltaikenergie gewonnen werden. Dazu ist die Errichtung von Photovoltaikanlagen mit einer Fläche von rund 1.700 Hektar notwendig – das entspricht einer Fläche von ca. 2.500 Fußballfeldern (nur in der Steiermark!). 

Wasserkraft: Schon jetzt werden in der Steiermark etwa 4,5 TWh Strom aus Wasserkraft gewonnen. Um die fehlenden 0,5 TWh bis 2030 erzeugen zu können, sind weitere sechs durchschnittliche Murkraftwerke notwendig. In Oberösterreich wird dreimal mehr Energie aus Wasserkraft erzeugt. Dafür gibt es in der Steiermark das nach Tirol zweitgrößte Ausbaupotential in diesem Bereich.

Windenergie: Bis 2030 müsste die Steiermark ihre Erzeugungskapazität um weitere 1,5 TWh steigern (Status quo: 0,5 TWh). Um das zu schaffen, braucht es zu den bereits bestehenden 105 Windrädern weitere 140 Windräder mit einer Leistung von jeweils ca. sechs MW. Potential wäre vorhanden: Studien wiesen für die Steiermark bis zu 1.400 GWh/a (5,04 PJ/a) aus, die an 28 Eignungsgebieten in der Steiermark umsetzbar wären. Im Rahmen eines 2013 implementierten Entwicklungsprogrammes für den Sachbereich Windenergie wurde dem überwiegenden Teil dieser Eignungsgebiete allerdings der Eignungsstatus entzogen.

Hinweis
Internationaler Vergleich
Seit Beginn der Energiekrise 2021 entkoppelten sich die Strompreise in Europa deutlich von den Preisniveaus in China und den USA. Bereits damals lagen die Energiepreise in Österreich rund zehn Prozent über jenen der USA, seit 2021 sind sie um rund 90 Prozent höher.