Barbara Thaler, Präsidentin WK Tirol
© Patrick Saringer

„Die Zeit der leeren Versprechungen muss enden“

Interview. WK-Präsidentin Barbara Thaler über die derzeitigen Herausforderungen am Wirtschaftsstandort, ihre Vision zur Entschlackung der Bürokratie und einem klaren Appell an die Politik, Leistung und unternehmerische Ideen stärker zu fördern. Ihre Botschaft an die Unternehmer:innen im Land: „Wir hören euch zu und haben eure Erwartungen und Sorgen verstanden!“

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Aktualisiert am 31.01.2025

Frau Präsidentin, was macht für Sie Unternehmertum aus und warum ist es so wichtig, dass unternehmerische Ideen und der Leistungswille wieder mehr Platz in unserer Gesellschaft bekommen?

Unternehmertum bedeutet für mich, unabhängig zu sein, Chancen zu ergreifen und Herausforderungen mit Tatkraft zu meistern, um aktiv die Zukunft zu gestalten – ohne sich dabei auf den Staat in Form von Förderungen oder der sozialen Hängematte zu verlassen. Als Unternehmerinnen und Unternehmer eint uns dabei eines: Wir wollen, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne langes herumrechnen gerne ihre Stunden erhöhen. Wir wollen, dass ein Anruf vom Amt keine schlaflosen Nächste auslöst und wir wollen, dass unsere Budgetpläne wieder planbarer werden. Denn worin wir Unternehmerinnen und Unternehmer gut sind, ist Verantwortung zu übernehmen – für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unsere Kundinnen und Kunden sowie für unsere Familien. Dazu brauchen wir aber geeignete Rahmenbedingungen am Wirtschaftsstandort und ein starkes Netzwerk.

Beim Austausch im Zuge unserer gut besuchten Neujahrsempfänge in allen Tiroler Bezirken, aber auch in zahlreichen Einzelgesprächen, die ich vergangenes Jahr mit Unternehmerinnen und Unternehmern aus den verschiedensten Branchen geführt habe, wurde eines deutlich: Um die derzeitigen Herausforderungen zu meistern, brauchen wir dringend ein klares gesellschaftliches Bekenntnis zur Leistung und von der Politik mehr Raum für unternehmerische Ideen.

Wie bewerten Sie die aktuelle Wirtschaftslage in Tirol zu Beginn des neuen Jahres?

Der Wirtschaftsstandort Tirol hat im letzten Jahr einmal mehr seine ausgesprochene Balance zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen bewiesen. Während einige Branchen vor enormen Herausforderungen stehen, blicken andere auf ein solides Jahr zurück. Der Tourismus bleibt eine stabile Säule unserer Wirtschaft und auch der Dienstleistungsbereich hat sich in großen Teilen bewährt. Hinzu kommen top ausgebildete und hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Rückgrat unserer Unternehmen bilden. Diese Stärken gilt es zu nutzen und auszubauen

Auf der anderen Seite befindet sich derzeit aber besonders die Baubranche mit dem Rücken zur Wand. Auch die Industrie und die heimischen Produktionsbetriebe kämpfen mit hohen Arbeits- und Energiekosten, einer drückenden Steuerlast und unsicheren Rahmenbedingungen am Standort. Um Abwanderungen zu verhindern, muss die Politik hier dringend gegensteuern.

Die Zeit der leeren Versprechungen muss enden – jetzt brauchen wir echte Reformen.


Was muss sich ändern, damit sich die Situation der Unternehmen im Land wieder verbessert?

Die Zeit der leeren Versprechungen muss enden – jetzt brauchen wir echte Reformen. Ein zentrales Thema zur Entlastung der Unternehmerinnen und Unternehmer im Land ist die Senkung der Arbeitskosten. Leistung muss sich wieder lohnen. Dazu brauchen wir Überstunden, die steuerfrei sind, und eine Anpassung der Lohnnebenkosten, um Österreich im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiger zu machen. Nicht zuletzt, damit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wieder mehr von ihren Bruttolöhnen bleibt. Im EU-Vergleich liegt Österreich weit vorne, wenn es darum geht, mit Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen das Bruttoeinkommen zu schrumpfen. Ein trauriger Stockerlplatz für die heimische Wirtschaft.

Auch die qualifizierte Zuwanderung nach Österreich muss dringend erleichtert werden. Damit die Betriebe in Tirol ihr volles Potenzial entfalten können, braucht es eine Öffnung unseres Arbeitsmarktes. Wir müssen endlich Wege finden, um mehr Fachkräfte aus dem Ausland gezielt anzuwerben und langfristig in den heimischen Arbeitsmarkt einbinden zu können.

Auf Landesebene lege ich große Hoffnung in den Tirol-Konvent, der eine Vereinfachung und Modernisierung der Landesverwaltung anstoßen soll. Unsere Forderungen: Schnellere Verfahren mit verpflichtenden Deadlines und eine umfassende Digitalisierung von Prozessen.

Sie sprechen die Bürokratie an. Welche Rolle spielt sie für die Tiroler Wirtschaft?

Die ausufernde Bürokratie ist aktuell eine der größten Bremsen für unsere Betriebe. Gerade die fortschreitende Digitalisierung bietet hier enormes Potenzial, um Prozesse effizienter zu gestalten und den Arbeitskräftemangel abzufedern. Unser System ist bereit für ein Update, in manchen Bereichen arbeiten wir aber noch immer mit „Windows 95“. Wenn wir behördliche Abläufe flächendeckend modernisieren, entrümpeln und verschlanken, sparen wir nicht nur Papier und Amtswege, sondern schaffen auch Freiräume für Innovation und Wachstum.

Österreichs Unternehmerinnen und Unternehmer wenden durchschnittlich mehr als 9 Stunden pro Woche für administrativen Aufgaben auf. Bei KMU schlägt der Bürokratieaufwand im Schnitt sogar mit mehr als 19 Arbeitsstunden pro Woche zu Buche. Das sind rund 2,5 Arbeitstage. Würde manche Berichtspflicht nur alle zwei Jahre – statt jedes Jahr – anstehen, könnten viele dieser Betriebe wesentlich mehr Zeit in ihr Kerngeschäft investieren. Gleichzeitig würde eine Entschlackung des Verwaltungsapparates auch die Behörden entlasten. Das Motto muss lauten: So viel Administration wie nötig, so wenig wie möglich.
Mit gezielten Investitionen in eine digitalisierte Verwaltung und digitale Bildung können wir langfristig nicht nur den Standort stärken, sondern auch neue Wirtschaftsfelder erschließen. Es liegt an uns, diese Chancen zu nutzen.

Welche Botschaft möchten Sie den Tiroler Unternehmerinnen und Unternehmern mit auf den Weg geben?

Meine Bitte: Bleiben Sie engagiert und gehen sie mit gutem Beispiel voran. Als Interessenvertretung ist es unser Job zuzuhören und wir verstehen eure Erwartungen und Sorgen. Um die angesprochenen Herausforderungen zu bewältigen und den Wirtschaftsstandort Tirol auch 2025 weiterzuentwickeln, müssen wir gemeinsam Reformen einfordern und umsetzen.

Treten sie mit uns in Kontakt, nutzen Sie die Angebote der Wirtschaftskammer und stärken Sie Ihre Interessenvertretung bei der anstehenden Wirtschaftskammerwahl. Zusammen schaffen wir die Grundlage für ei erfolgreiches Jahr.