Win-win-win für die Gesellschaft und Unternehmen
arbas Tirol kümmert sich mit über 150 Mitarbeitenden darum, Menschen mit Unterstützungsbedarf in den und im ersten Arbeitsmarkt zu begleiten. Für Unternehmen bedeutet das breite und dynamische arbas-Angebot, Menschen mit Behinderung sinnvoll, wertvoll und ohne ökonomische Nachteile in das Unternehmen integrieren zu können. Im Interview mit der Tiroler Wirtschaft erzählt arbas Tirol-Geschäftsführer Harald Schneider von der Vielfalt der Möglichkeiten und weiß: „Es gibt da ein großes Potenzial an Arbeitskräften.“
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Im Jahr 2026 feiert arbas Tirol das 30-jährige Jubiläum. Was war der Hintergrund für die Gründung der Arbeitsassistenz Tirol?
Harald Schneider: Der EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995. Die EU hat das Thema Arbeit und Behinderung als Entwicklungsgebiet im Bereich der Europäischen Sozialfonds gesehen und so hat das Thema Fahrt aufgenommen. Die Idee war, dass das sozialpartnerschaftlich durchgeführt wird. Die Wirtschaftskammer, die Arbeiterkammer und teilsoziale Organisationen waren Gründungsmitglieder. Darum haben wir auch so einen neutralen Namen und heißen, wie die erste Dienstleistung – die Arbeitsassistenz.
Die Antwort auf die Frage, wie man Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt bringen kann, ist so etwas wie ein Leitthema von arbas. Hinzu kommt die Unterstützung von Personen in einem aufrechten Dienstverhältnis. Eine komplexe Geschichte?
Ja. Uns ist vom Personal her immer wichtig, dass man beide Welten kennt – die der sozialen Begleitung und die betriebswirtschaftlichen Logiken in Firmen. Nur so ist eine dauerhaft nachhaltige Integration möglich. Unser Ziel ist immer eine win-win-Situation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herzustellen. In den ersten Jahren lag der Fokus darauf, Arbeitsplätze für erwachsene Personen zu finden. Also diese Akquise durchzuführen, Firmen zu sensibilisieren und ihnen die Vorteile bekannt zu geben, die bestehen.
In Menschen mit Behinderung steckt großes Potenzial. Das ist ein Schatz, der mit unserer Unterstützung gehoben werden kann.

Harald Schneider
Zum Beispiel?
Dass vom Sozialministeriumservice beispielsweise eine Arbeitsplatz-Adaptierung finanziert wird, wenn eine Person mit einer körperlichen Beeinträchtigung dies benötigt. Es gibt auch Lohnkos-tenförderungen bei Minderleistungen, also die Unterstützung für das Unternehmen, damit es keine ökonomischen Nachteile hat.
Es ist also keine Goodwill-Aktion der Unternehmen?
Genau. Und die Firma spart sich die Zahlung der Ausgleichstaxe, die für Betriebe fällig ist mit mehr als 25 Mitarbeiter:innen. Ab einem Grad der Behinderung von 50 sind die Personen begünstigt Behinderte und können für die Ausgleichstaxe angerechnet werden.
Können Sie sagen, wie viele Menschen betroffen beziehungsweise potenzielle Klient:innen von arbas Tirol sind?
Man sagt, dass 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung eine Behinderung haben. Wobei es viele Behinderungen gibt, die nicht sichtbar sind – wie etwa chronische Erkrankungen. Auch Menschen nach einer Krebserkrankung oder einer Organtransplantation sind Menschen mit Behinderung, die man nicht so klassisch sehen würde. Es ist natürlich eine riesen Bandbreite, darum lässt es sich schwer definieren, weil es von körperlicher Beeinträchtigung über Sinnesbeeinträchtigung über kognitive Einschränkungen oder Lernbeeinträchtigung bis zur psychischen Erkrankung geht. Da ist auch ganz unterschiedlich, was es für das Unternehmen bedeutet.
Sie haben eingangs erwähnt, dass der Fokus zu Beginn auf erwachsenen Menschen mit Behinderung lag. Hat sich das geändert?
Ja, mittlerweile begleiten wir zu 80 Prozent Junge und junge Erwachsene. Da hat sich, was die Integration betrifft, sehr viel verbessert. Junge Menschen, die sich für eine Lehre in einem Unternehmen entscheiden, können diese beispielsweise in einer verlängerten Form machen – beispielsweise vier statt drei Jahre. Sie werden in dieser Zeit über die Berufsausbildungsassistenz von uns begleitet, damit es gut zu einem Lehrabschluss kommt.
In dem Zusammenhang gibt es drei Formen. Sie haben die erste beschrieben, wie sind die anderen zwei geregelt?
Die zweite ist eine Teilqualifizierung. Wenn sich jemand bei der Lehre zur Einzelhandelskauffrau, zum Einzelhandelskaufmann in einem Lebensmittelgeschäft aufgrund seiner kognitiven Fähigkeiten schwer mit Mathematik tut, dann sagt man einfach, man nimmt die Kassa und die Feinkost raus. Alles andere wird ganz normal beschult. Man schaut, dass die Person so viel wie möglich vom Berufsbild erledigen kann und sie macht dann eine Teilqualifizierungsprüfung bei der Wirtschaftskammer. Die dritte Form ist die Lehre in Teilzeit – für Personen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigungen keinen Vollzeitjob machen können. Die Modelle sind sehr angepasst an die Personen und wir unterstützen sie über die ganze Ausbildungszeit.
Das heißt, diese Personen werden persönlich begleitet?
Genau, die Personen werden einzeln begleitet. Dabei sind wir Ansprechpartner für die Person selber, Angehörige, Unternehmen und Berufsschule. Wir sind damit sehr erfolgreich und die Unternehmen schätzen diese Lehrlinge auch sehr, bei denen die Wahrscheinlichkeit, dass sie beim Unternehmen bleiben, höher als bei regulären Lehrlingen ist.
Wann haben Ihre Mitarbeiter:innen erste Kontakte mit den Jugendlichen?
Wir gehen mit dem Jugendcoaching in die Pflichtschulen. Bei uns gilt ja die Ausbildungspflicht bis 18 und da kümmern wir uns darum, dass diese Personen nicht verloren gehen. Das heißt, wir warten nicht, bis die Personen arbeitslos werden, sondern versuchen, dass sie nahtlos von der Pflichtschule in die höhere Schule oder in die duale Ausbildung übergehen können. Wichtig ist natürlich, dass in den Menschen mit Behinderung ein großes Arbeitskräftepotenzial steckt. Das ist ein Schatz, der mit unserer Unterstützung gehoben werden kann.
Eine Win-win-win-Situation also?
Ganz genau. Auch volkswirtschaftlich ist das natürlich ein großer Vorteil. Und es ist gesellschaftlich von Vorteil, wenn Behinderung nicht als negativ betrachtet wird. Es gibt da ein großes Potenzial an Arbeitskräften, die zukünftig Dinge abfedern können, wenn die Boomer in Pension gehen.
Breites Angebot, beeindruckende Zahlen
Im Jugendcoaching wurden im Jahr 2024 1.578 Jugendliche im letzten Pflichtschuljahr begleitet, um einen positiven Schulabschluss zu erreichen, eine Berufsorientierung durchzuführen oder bei der Wahl eines Lehrplatzes oder weiterführenden Schule zu unterstützen.
Auftrag der Arbeitsassistenz ist es, Menschen mit Behinderung dabei zu unterstützen, einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz in einem Unternehmen zu finden. 2024 wurden 856 Jugendliche und erwachsene Personen begleitet. 67 Prozent konnten einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz finden. Für 12 Prozent konnte eine Alternative zum Arbeitsplatz gefunden werden.
Das Betriebsservice unterstützt Unternehmen zum Thema Inklusion von Menschen mit Behinderung und macht Beratung zu Einsatz- und Fördermöglichkeiten. 2024 wurden 29 Stellen in Unternehmen mit Menschen mit Behinderungen besetzt.
Wenn sich Jugendliche für eine Lehrausbildung interessieren, können sie diese in Form der verlängerten Lehre oder Teilqualifizierung durchführen. Während der Ausbildungszeit werden sie von der Berufsausbildungs-assistenz begleitet. 2024 wurden 744 Jugendliche begleitet. 80 Prozent absolvierten eine Verlängerte Lehre und 20 Prozent eine Teilqualifizierung.
Mit Jobcoaching können Unternehmen am Arbeitsplatz des Menschen mit Behinderung unterstützt werden, um die anstehenden Aufgaben besser bewältigen zu können. 124 Begleitungen fanden 2024 statt.
Technische Assistenz ist eine Beratungsleistung, um den Arbeitsplatz des Menschen mit Behinderung mit geeigneten Hilfsmitteln auszustatten. 48 Beratungen konnten 2024 durchgeführt werden.
Mittendrin begleitet Menschen mit einem hohen Unterstützungsbedarf einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden. Bei Bedarf kann eine Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz zu Verfügung gestellt werden, dass die Arbeitsaufgaben erfüllt werden können. Es werden derzeit 115 Personen mit dieser Dienstleistung unterstützt.
Alle arbas Tirol-Maßnahmen werden von der öffentlichen Hand subventioniert. Der Hauptteil erfolgt durch das Sozialministeriumservice. Die Dienstleistungen mittendrin und Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz werden durch das Teilhabegesetz des Landes Tirol gefördert.
Weitere Infos unter: www.arbas.at
Bild oben: Bei Sport Scheiber in Obergurgl setzt man auf die Zusammenarbeit mit arbas Tirol.