EU-Lieferkettenrichtlinie im Handel
Was Handelsunternehmen wissen sollten
Lesedauer: 6 Minuten
Worum geht es bei der EU-Lieferkettenrichtlinie?
Mit der EU-Lieferkettenrichtlinie − auch Corporate Sustainability Due Diligence Directive bzw. CSDDD − werden Unternehmen EU-weit verpflichtet für die Einhaltung bestimmter Umwelt- und Menschenrechtsstandards in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten Sorge zu tragen. Die Richtline wird nach den letzten Anpassungen via Omnibus 1 mit Juli 2029 verpflichtend gültig.
Ziel der EU-Lieferkettenrichtlinie (kurz CSDDD) ist es, soziale und ökologische Standards entlang aller Elemente von Lieferketten zu verbessern, um so Menschen und Umwelt global zu schützen. Um das zu erreichen, müssen sehr große Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeiter:innen und einem Nettojahresumsatz über 1,5 Milliarden Euro potenzielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt entlang ihrer Wertschöpfungskette ermitteln und im Anschluss abstellen, abschwächen oder verhindern.
Das bedeutet für sehr große Unternehmen, dass sie mittels Risikomanagement zunächst einmal ihre Tätigkeiten hinsichtlich bestehender und potentieller Auswirkungen auf Menschen und Umwelt bewerten müssen. Diese Prüfung soll risikobasiert erfolgen, mit einem ersten Fokus auf direkte Geschäftspartner:innen – erst in weiterer Folge soll auch ein Blick auf die indirekten Kettenglieder geworfen werden. Dies gilt für erworbene Produkte ebenso wie für genutzte Dienstleistungen in allen Bereichen von Einkauf über Entwicklung, Produktion, Lagerung, Vertrieb und Transport bis hin zur Abfallbewirtschaftung. Nach dieser Bewertung des IST-Standes müssen die verpflichteten Unternehmen festlegen, in wie weit Auswirkungen für sie unvermeidlich bzw. ausgleichbar sind, und gegen welche sie gegenwirken müssen.
Konkret bedeutet die Verpflichtungen aus dem Lieferkettengesetz für ein Unternehmen somit nicht nur, Informationen zum Status entlang ihrer Wertschöpfungskette zu sammeln, sondern auch Vorgaben zu definieren, anhand denen Lieferanten bewertet werden und Maßnahmen zu setzen sind. Aufgrund dieser definierten Vorgaben kann ein "Verstoß" festgestellt werden.
In den im Juli 2024 veröffentlichten FAQs der europäischen Kommission wir festgehalten, dass sowohl bei der Erhebung wie auch bei Maßnahmensetzung KMUs innerhalb der Lieferkette von Seiten der verpflichteten Unternehmen möglichst unterstützt werden sollen und z.B. die Beendigung eines Geschäftsverhältnisses aufgrund der Lieferkettengesetzgebung nur als letzter Ausweg und unter strengen Vorgaben erforderlich sein darf (siehe FAQ 8.2).
Für nicht-verpflichtete Unternehmen sieht die Kommission Schutzmechanismen vor, sodass die nach CSDDD-verpflichteten Unternehmen zunächst selbst versuchen müssen, die ihnen fehlenden Informationen zu erheben. Erst wenn diese Bemühungen erfolglos sind, dürfen von Vorgelagerten in überschaubarem Rahmen Daten angefragt werden.
Betrifft mich die EU-Lieferkettenrichtlinie?
Mit den Omnibus 1-Änderungen sind innerhalb Österreichs nur mehr sehr wenige Unternehmen nach CSDDD verpflichtet. Eine direkte Sorgfaltspflicht wird Sie daher höchst wahrscheinlich nicht treffen. Auch wenn Sie nicht direkt verpflichtet sind, besteht natürlich immer noch die Möglichkeit, dass entweder einer Ihrer B2B-Kunden:innen oder eines Ihrer Zulieferunternehmen in die Verpflichtung fällt und entsprechend Daten bei Ihnen anfragt. Dies sollte sich jedoch in einem sehr geringen Rahmen halten, da eine Anfrage an nicht-verpflichtete Unternehmen nur als allerletzte Option genutzt werden darf. Hier sind eher Anforderungen nach Dateninformationen im Zuge der CSRD (Nachhaltigkeitsberichtspflicht) zu erwarten, als aufgrund der CSDDD.
Was soll ich als Handelsunternehmen tun?
- Wurden Sie bereits angeschrieben und um Informationsweitergabe ersucht?
Oft sind diese Anfragen sehr allgemein gehalten, da sie zur Erhebung an möglichst viele Lieferanten ausgesendet werden. Setzen Sie sich mit den Anfragenden in Verbindung. Diese haben lt. Richtlinie und aktueller Neuerung zunächst ohne Datenanfrage ihre Informationen zu beschaffen – bereits die "alte Version" sah eine Unterstützungsverpflichtung für KMUs vor. Auch ist es in deren Interesse, die richtigen Informationen und Daten zu ihrer Anfrage zu bekommen.. - Wenn Sie noch nicht angeschrieben wurden, versuche Sie stückchenweise mit einer eigenen Analyse Ihrer Aktivitäten und Lieferkette zu starten. Dann sind Sie im Fall des Falles, dass (zeitknappe) Anfragen kommen, zumindest vorbereitet.
Starten Sie hierzu mit den leichter verfügbaren Informationen und hangeln Sie sich Schritt für Schritt weiter – nicht alles auf einmal. - Werfen Sie einen Blick in unsere unter "Weiterführende Informationen" aufgelisteten Serviceleistungen und Leitfäden. Das Lieferkettengesetz an sich rückt zwar zusehends in den Hintergrund, Informationsweitergabe und Transparenz der Lieferkette bleiben jedoch weiterhin aktuell und relevant. Auch die Wirtschaftskammer versucht so gut wie möglich mit Webinaren, Informationsveranstaltungen und Guidelines die Anforderungen an transparente Lieferketten für unsere Mitgliedsunternehmen aufzuarbeiten.
- Dokumentieren Sie Ihre Schritte zu Analyse, Datenerhebung und Bewertung. Gerade für KMUs ist es oft schwierig an die geforderten Informationen zu gelangen – besonders wenn Herstellern aus Drittländern eingebunden werden müssen. Je eher Sie wissen, wo bei Ihnen der Informationsfluss hakt, desto eher können Sie (z.B. gemeinsam mit dem bei Ihnen anfragenden verpflichteten Unternehmen) eine Lösung finden.
Suchen Sie sich auch Unterstützung bei Ihren jeweiligen Landeskammern und Fachverbänden. - Halten Sie eine Formulierung parat, ob und inwieweit Sie sich bereits mit den Themen Menschenrechte und Umweltauswirkungen in Ihrem Aktivitätenbereich auseinandergesetzt haben, und wo es für Sie Schwierigkeiten gibt (sei es in der Kommunikation mit Ihren Lieferanten, undurchsichtigen Energieabrechnungen oder einfach einem Mangel an Zeit und Ressourcen), sodass Sie zügig auf Anfragen reagieren können.
Weiterführende Informationen
- Die FAQ zum EU-Lieferkettengesetz bieten eine gute Übersicht in Form Antworten auf häufig gestellte Fragen zur CSDDD.
Der Beitrag "Omnibus-Paket: Vorschläge zur Vereinfachung der Berichts- und Sorgfaltspflichten für Nachhaltigkeit" gibt eine Übersicht zu den aktuellen Änderungen im Zuge der angekündigten Omnibus-Pakete. - Im Juli 2024 wurden von Seiten der Europäischen Kommission FAQs veröffentlicht.
Die Sparte Handel hat bereits ein paar relevante Antworten zusammengefasst: Erste Lieferketten-FAQs durch die Kommission veröffentlicht – bitte beachten: hierbei handelt es sich noch um FAQs mit Bezug auf den Vor-Omnibus-Rechtstext. Hier werden mit 2027 neue Leitlinien und FAQs von der Europäischen Kommission erwartet.
Tools und Videos
Sich mit seiner Lieferkette im Sinne der Richtlinie zu beschäftigen, das birgt einige Parallelen zur Entwicklung einer Dekarbonisierungsstrategie bzw. Klimaneutralitätsstrategie (bei Betrachtung der Umweltauswirkungen). Hier finden Sie einen 5-Stufen Leitfaden zur Klimaneutralität im Handel sowie Optionen eines für einen nachhaltigen, klimabewussten Onlinehandel.
Die Bundessparte Handel hat eine Übersicht der Anfragen, die im Zusammenhang mit der EU-Lieferkettenrichtlinie von Mitgliedsunternehmen an die Bundessparte gerichtet wurden sowie zugehörige Handlungsempfehlungen zusammengestellt: Anfragen an Handelsunternehmen zum Product carbon footprint (PCF)
Außerdem haben wir ins 2024 gemeinsam mit der Bundesparte Information und Consulting eine webinar-Reihe zu Datenanfragen an KMUs gestartet. Hier finden Sie die Nachschau zu HR-, Energie- und Scope 3-Daten.
Die WKO hat einen Online Ratgeber zur Nachhaltigkeits-Verpflichtungen entwickelt, anhand dessen Sie mit wenigen Klicks Sie potentiell treffende Verpflichtungen erkennen können.
Unterstützung für einen erste Schritt in der Dokumentation Ihrer Aktivitäten liefert das Compliance Tool der Bundessparte Handel.
Im Rahmen des Omnibus I-Pakets (oder auch "Sustainability Omnibus"-Pakets) wurden daher Änderungen zum Kreis der betroffenen Unternehmen, dem Betrachtungsschwerpunkt für Sorgfaltspflichten und eine Verschiebung des Gültigkeitsbeginns beschlossen. Die Mitgliedsstaaten der EU haben nun sogar bis 26.07.2028 Zeit, die Vorgaben der Europäischen Kommission in nationales Recht umzusetzen.