Auf blauem Hintergrund kleben in der linken Bildhälfte mehrere kleine, quadratische Zettel, auf denen schwarze Fragezeichen sind. In der rechten Bildhälfte ist ein klebender Zettel mit einem roten Rufzeichen. Darauf liegt teilweise eine Lupe
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Häufige Fragen zum EU-Lieferkettengesetz

Aktuelle Fakten zur „Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit“ auf einen Blick.

Lesedauer: 10 Minuten

25.04.2024

Das EU-Lieferkettengesetz (auch Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD bzw. CS3D) soll soziale und ökologische Standards entlang globaler Aktivitätenketten verbessern.

Angesichts dieser Zielsetzung müssen betroffene Unternehmen potenzielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt ermitteln, abstellen, abschwächen oder verhindern. Dies umfasst nicht nur die eigenen Tätigkeiten, sondern auch jene der Tochtergesellschaften und Geschäftspartner:innen. Dementsprechend bedarf es eines umfassenden Risikomanagements.

Häufige Fragen zum EU-Lieferkettengesetz

Die Richtlinie der Europäischen Union verpflichtet betroffene Unternehmen, bestimmte Sorgfaltspflichten entlang ihrer Aktivitätenkette zu erfüllen. Damit sollen insbesondere folgende Ziele erreicht werden:

  • Einhaltung der Menschenrechte
  • Schutz der Umwelt

Um diese Ziele zu erreichen, müssen betroffene Unternehmen ihre direkten sowie indirekten Geschäftspartner:innen überwachen und bewerten. Dies umfasst alle Aktivitäten vom Einkauf über Entwicklung, Produktion, Lagerung, Vertrieb und Transport bis hin zur Abfallbewirtschaftung. Dabei gilt die Richtlinie sowohl für Produkte als auch für Dienstleistungen. 

Liegt der Sitz Ihres Unternehmens in der EU, ist dieses direkt von der Richtlinie betroffen, wenn

  • mehr als 1.000 Arbeitnehmer:innen beschäftigt und
  • mehr als 450 Millionen Euro weltweiter Jahres-Umsatz generiert werden.

Liegt der Sitz Ihres Unternehmens in einem Drittstaat, ist dieses direkt von der Richtlinie betroffen, wenn mehr als 450 Millionen Euro Umsatz in der EU generiert werden. Das Überschreiten des Schwellenwerts in Bezug auf Arbeitnehmer:innen ist hier keine Voraussetzung.

Aufgrund einer Konzernbetrachtung erfolgt die Berechnung der Arbeitnehmer:innen und des Umsatzes auf konsolidierter Basis.

Opting-Out-Möglichkeit: Nicht-operativ tätige Holdinggesellschaften, die ausschließlich Anteile an ihren Tochtergesellschaften verwalten, können einen Antrag stellen, von der Richtlinie ausgenommen zu werden.
Auch bei Franchise-Unternehmen erfolgt eine Zusammenrechnung, wenn aufgrund der Franchise- oder Lizenzvereinbarungen eine gemeinsame Identität, ein gemeinsames Geschäftskonzept und die Anwendung einheitlicher Geschäftsmethoden besteht.

Je nach Unternehmensgröße gelten unterschiedliche Übergangszeiträume:

  • 2027 (drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie) ist die Richtlinie anzuwenden für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und 1,5 Milliarden Euro Umsatz.
  • 2028 (vier Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie) verringern sich die Schwellenwerte auf 3.000 Beschäftigte und 900 Millionen Euro Umsatz.
  • 2029 (fünf Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie) verringern sich die Schwellenwerte in einem letzten Schritt auf 1.000 Beschäftigte und 450 Millionen Euro Umsatz.

    Die EU-Kommission wird binnen sechs Jahren nach dem Inkrafttreten der Richtlinie prüfen, ob niedrigere Schwellenwerte für Unternehmen aus Risikosektoren notwendig sind. Davon betroffen wären unter anderem der Bausektor, die Textil- und Lederindustrie, die Land- und Forstwirtschaft, die Nahrungsmittelproduktion oder die Gewinnung von Rohstoffen.

Indirekte Betroffenheit von KMU

Kleinere und mittlere Unternehmen fallen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Allerdings sind betroffene Unternehmen verpflichtet, ihre Sorgfaltspflichten an Geschäftpartner:innen weiterzugeben. Dabei spielen die oben dargestellten Schwellenwerte keine Rolle.

Daher gilt: Ist Ihr Unternehmen Teil der vorgelagerten oder nachgelagerten Aktivitätenkette eines betroffenen Unternehmens, werden auch Sie in die Pflicht genommen.

Wenn Ihr Unternehmen direkt von der Richtlinie betroffen ist, müssen Sie

  • negative Auswirkungen Ihrer unternehmerischen Tätigkeiten auf Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Umwelt ermitteln und
  • geeignete Maßnahmen treffen, um diese zu verhindern, zu beenden oder abzumildern.

Dabei gelten die Sorgfaltspflichten in Bezug auf

  • Ihre eigenen Tätigkeiten,
  • die Tätigkeiten Ihrer Tochtergesellschaften und
  • die Tätigkeiten Ihrer Geschäftspartner:innen, die Teil des vor- als auch nachgelagerten Geschäftsbereichs sind. Im vorgelagerten Geschäftsbereich sind sowohl direkte als auch indirekte Geschäftspartner:innen umfasst, also auch jene zu denen Ihr Unternehmen keine Vertragsbeziehung hat. Im nachgelagerten Geschäftsbereich sollen nur direkte Geschäftspartner:innen umfasst sein.

Implementierung der Sorgfaltspflichten in Bezug auf Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Umwelt

Für die Implementierung der Sorgfaltsplichten sind Sie verpflichtet, eine Due-Diligence-Policy zu erstellen. Der Fokus liegt bei Menschenrechten, Arbeitsbedingungen und Umwelt. In dieser Policy bestimmen Sie einerseits, an welche Werte sich Ihr Unternehmen in diesen Bereichen hält. Andererseits legen Sie fest, welche Werte Sie dabei von Geschäftspartner:innen erwarten.Auf Grundlage dieser Policy richten Sie ein Due-Diligence-System ein, welches darauf abzielt, soziale und ökologische Risiken entlang der Aktivitätenkette zu erkennen und
geeignete Maßnahmen zur Vorbeugung und Behebung zu ergreifen.

Risikobasierte Überprüfung und Priorisierung

Im Rahmen der risikobasierten Überprüfung müssen Sie zunächst die schwerwiegendsten Risiken ermitteln. Auch dabei liegt der Fokus wieder bei Menschenrechten, Arbeitsbedingungen und Umwelt. Im nächsten Schritt gilt es festzustellen, wann und wo diese am wahrscheinlichsten auftreten.  Ihre Prioritätensetzung bzw. die Ableitung entsprechender Maßnahmen konzentriert sich demnach auf zwei Fragen:

  • Welche Risiken sind am schwerwiegendsten?
  • Wie wahrscheinlich sind negative Auswirkungen?

Umfassende Einbeziehung der Stakeholder

Zu Ihren Stakeholdern zählen unter anderem Arbeitnehmer:innen, Betriebsrät:innen, Konsument:innen oder NGOs. Diese Interessensgruppen müssen Sie umfassend in die Sorgfaltsprüfungen miteinbeziehen. Aber auch bei Entscheidungen eine mögliche Vertragsauflösungen mit Geschäftspartner:innen gilt es, diese zu konsultieren.

Weitergabe an Geschäftspartner:innen entlang der gesamten Aktivitätenkette

Die oben angeführten Sorgfaltspflichten erfordern es, dass Sie als betroffenes Unternehmen Ihre Sorgfaltspflichten an Geschäftspartner:innen weitergeben. Dies umfasst sowohl die vorgelagerte als auch die nachgelagerte Aktivitätenkette. Die Größe dieser Unternehmen spielt dabei keine Rolle.

Sollte die Weitergabe der Sorgfaltspflichten insbesondere die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit Ihrer kleineren und mittleren Geschäftspartner:innen gefährden, werden Sie diese unterstützen müssen, um diesem Risiko vorzubeugen. Als Beispiele hierfür gelten Direktfinanzierungen, zinsgünstige Darlehen oder Abnahmegarantien.

Zudem müssen Sie regelmäßig überprüfen, ob Ihre Geschäftspartner:innen die vertraglich zugesicherten Sorgfaltspflichten erfüllen. Hierfür können Sie unabhängige Dritte beauftragen (z.B. Wirtschaftsprüfer:innen). Aber auch geeignete Industrie-Initiativen oder Interessengruppen können diese Überprüfung durchführen (inklusive NGOs). Die Kosten für diese Überprüfung müssen Sie als betroffenes Unternehmen selbst tragen.

Kommunikation der Fortschritte

Als betroffenes Unternehmen sind Sie verpflichtet, über Ihre Fortschritte in Bezug auf die Sorgfaltspflichten zu berichten. Die Berichterstattung muss einmal jährlich erfolgen und öffentlich zugänglich sein (z.B. auf der Webseite Ihres Unternehmens).

Sollten Sie als betroffenes Unternehmen bereits der Informationspflicht über Nachhaltigkeitsaspekte (CSRD) unterliegen, können Sie ihre CSDDD-Berichtspflichten in diesen Bericht integrieren, um eine doppelte Berichtserstellung zu vermeiden.

Erstellung eines Klimatransformationsplans

Ihr Unternehmen muss auch einen Klimatransformationsplan erstellen. Dieser soll sicherstellen, dass das Geschäftsmodell und die Strategie mit den Pariser Klimazielen vereinbar sind.

Im Rahmen der vorgesehenen jährlichen Aktualisierung müssen Sie Ihre Fortschritte dokumentieren.

Erstellen Sie als betroffenes Unternehmen bereits einen Klimatransformationsplan im Rahmen der CSRD, müssen Sie keinen zusätzlichen für die CSDDD entwickeln. Die Anforderungen des EU-Lieferkettengesetzes in Bezug auf die Umsetzung des Klimatransformationsplans müssen allerdings weiterhin beachtet werden.

Auch wenn Sie als KMU nicht direkt von der Richtlinie betroffen sind, sollten Sie sich rechtzeitig mit dem EU-Lieferkettengesetz beschäftigen. Denn die betroffenen Unternehmen werden ihre Sorgfaltspflichten an Sie weitergeben, wenn Sie Teil derer vor- bzw. nachgelagerten Aktivitätenkette sind. Dabei spielen die in der Richtlinie formulierten Schwellenwerte keine Rolle. Mehr dazu siehe Weitergabe an Geschäftspartner:innen entlang der gesamten Aktivitätenkette.

Unser Tipp: Setzen Sie sich möglichst früh mit den Sorgfaltspflichten des EU-Lieferkettengesetzes auseinander. Es lohnt sich, internes Know-how aufzubauen und digitale Tools zu evaluieren. Denn so haben Sie die Chance, Wettbewerbsvorteile zu generieren.

Der vorgelagerte Geschäftsbereich bezieht sich auf Geschäftspartner:innen des betroffenen Unternehmens, deren Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Produktion von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen stehen. Dazu zählen sowohl direkte als auch indirekte Geschäftspartner:innen − unabhängig davon, ob eine Vertragsbeziehung besteht. 

Der nachgelagerte Geschäftsbereich beschränkt sich auf Geschäftspartner:innen des betroffenen Unternehmens, deren Tätigkeiten im Zusammenhang mit folgenden Bereichen stehen:

  • Distribution,
  • Transport und
  • Lagerung der Produkte.

Hier sollen nur die direkten Geschäftsparter:innen erfasst sein. Der Richtlinientext ist hier allerdings missverständlich.

Die national zuständigen Aufsichtsbehörden können Untersuchungen einleiten, Anordnungen treffen und bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten Sanktionen verhängen. Dazu zählen Geldbußen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Netto-Jahresumsatzes. Zudem können Verstöße auch veröffentlicht werden.

Darüber hinaus sieht die Richtlinie eine an das österreichische Recht anknüpfende zivilrechtliche Haftung vor, wenn betroffene Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten nicht (ausreichend) nachkommen. Gehaftet wird für Schäden, die bei natürlichen oder juristischen Personen entstehen. Betroffene Unternehmen haften grundsätzlich nicht für Schäden, die ausschließlich von ihren Geschäftspartner:innen verursacht wurden.

Bei transnationalen Sachverhalten (Schaden tritt beispielsweise in einem Drittstaat ein) soll künftig das Recht der EU-Mitgliedsstaaten zur Anwendung kommen − statt wie bislang das Recht des Schadensortes im EU-Ausland. Die Details hierzu werden im Rahmen der nationalen Umsetzung zu klären sein.

Betroffene können Schadenersatzansprüche innerhalb von fünf Jahren gerichtlich geltend machen. Dabei soll die Rechtsdurchsetzung durch folgende Maßnahmen erleichtert werden:

  • Einschränkung der Offenlegung von Beweismitteln
  • einstweiliger Rechtsschutz
  • Prozesskostenhilfe

In Bezug auf den Gerichtsstand sind in der Richtlinie keine eigenen Bestimmungen vorgesehen. Es gelten demnach die allgemeinen Bestimmungen der Brüssel 1a-VO: EU-Unternehmen sind grundsätzlich vor den Gerichten jenes Mitgliedsstaates zu klagen, in dem sie ihren Sitz haben. Der Gerichtsstand von Drittstaatsunternehmen ist in der Regel nach dem Recht des jeweiligen Drittstaates zu beurteilen.

Zum einen werden Sie sowohl als direkt betroffenes Unternehmen als auch als indirekt betroffenes KMU auf EU- bzw. Länderebene Unterstützung erhalten. Derzeit sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

  • Veröffentlichung von Guidelines und Musterklauseln bis zum Jahr 2027
    Darin sollen unter anderem die Prüfpflichten in verschiedenen Branchen konkretisiert werden.
  • Einrichtung einer Auskunftsstelle
    Kernaufgaben: Information, Beratung und Unterstützung bei der Erfüllung der Sorgfaltspflicht
  • Finanzielle Unterstützung
    In der Richtlinie wird auch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Mitgliedsstaaten KMU finanziell unterstützen können.

Zum anderen sind aber auch die Wirtschaftskammern für Sie da – unabhängig davon, ob Ihr Unternehmen direkt oder indirekt vom EU-Lieferkettengesetz betroffen sein wird. Neben dem direkten Kontakt mit Ihrer Landeskammer empfehlen wir folgende Online-Inhalte

Tipp: Wir entwickeln unser Angebot ständig weiter – schauen Sie regelmäßig vorbei.

Das EU-Lieferkettengesetz wurde am 24. April 2024 im Plenum des Europäischen Parlaments beschlossen. Ab Inkrafttreten der EU-Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, diese in nationales Recht umzusetzen. 

Die österreichische Wirtschaft bekennt sich zu nachhaltigem, verantwortungsvollem und zukunftsfähigem Wirtschaften. Allerdings muss jegliche gesetzliche Regelung mit Augenmaß erfolgen. Die Anforderungen an Unternehmen sollten klar, überschaubar und verhältnismäßig sein. 

Die Wirtschaftskammer setzt sich für eine praxistaugliche Lösung ein. Diese soll gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, Rechtssicherheit für Unternehmen bieten, dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprechen und die EU als wirtschaftsfreundlichen Standort auch in der Zukunft sichern. Demnach müssen die zugesagten Unterstützungsmaßnahmen rasch umgesetzt und der Mehraufwand auch finanziell abgefedert werden. Durch entsprechende Guidelines müssen die Abläufe und Prüfpflichten so klar und praktikabel wie möglich sein

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Disclaimer: Die FAQs basieren auf der englischsprachigen Version der Richtlinie. Die hier verwendeten Begriffe sind daher vorbehaltlich der deutschen Fassung zu verstehen.

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