E-Commerce: Das Herkunftslandprinzip und seine Ausnahmen

Warum ausländisches Recht zu beachten ist

Lesedauer: 3 Minuten

Was ist das Herkunftslandprinzip?

In der E-Commerce-Richtlinie der EU wurde im Bereich des im E-Commerce ein Prinzip festgelegt, wonach sich die rechtlichen Anforderungen an einen in einem Mitgliedsstaat der EU niedergelassenen Anbieter elektronischer Dienste (Diensteanbieter) nach dem Recht seines Sitzstaates richten. In Österreich wurde dieses Prinzip als sogenanntes „Herkunftslandprinzip“ umgesetzt. Danach unterliegt ein Website-/Webshop-Betreiber grundsätzlich nur den rechtlichen Bestimmungen, die in jenem Staat bestehen, indem er seinen Unternehmenssitz hat (§ 20 ECG).

Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip

Von diesem Grundsatz gibt es allerdings zahlreiche Ausnahmen. Liegt eine solche Ausnahme vor, so hat der Diensteanbieter (Website- / Webshop-Betreiber) auch jene Rechtsvorschriften zu beachten, die in jenem Staat bestehen, an den bzw. an dessen Staatsbürger / Unternehmen sich sein Dienst bzw. sein Angebot richtet.

Die wichtigsten Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip umfassen im Wesentlichen folgende Bereiche (§ 21 ECG):

  • Urheberrecht
  • gewerbliche Schutzrechte, das sind: Markenrecht, Musterschutzrecht, Patentrecht, Gebrauchsmusterrecht und Halbleiterschutzrecht 
  • Verbraucherschutzrecht inklusive der gesetzlichen Informationspflichten, die eine bestimmenden Einfluss auf die Entscheidung zum Vertragsabschluss haben, sowie Schutz- und Aufklärungspflichten
  • Rechtsvorschriften bezüglich der elektronischen Zusendung von Werbung, das ist insbes. E-Mail-Werbung 
  • Gewinn- und Glücksspiele, bei denen ein Einsatz, der einen Geldwert darstellt, zu leisten ist, einschließlich von Lotterien und Wetten 
  • Rechtsvorschriften über Waren, wie etwa Sicherheitsnormen, Kennzeichnungspflichten, Verbote und Einschränkungen der Innehabung oder des Besitzes, sowie über die Haftung für fehlerhafte Waren 

Die in der Praxis bedeutsamste Ausnahme ist die Ausnahme für den Verbraucherschutz. Die Ausnahme vom Herkunftslandprinzip bewirkt, dass immer (auch) die Verbraucherschutzbestimmungen des Wohnsitzstaates des Verbrauchers anzuwenden sind, unabhängig davon, welche Rechtsvorschriften sonst auf das Vertragsverhältnis anzuwenden sind. Insbesondere bei Webshops ist daher immer das Verbraucherrecht des jeweiligen Verbraucherstaates zu beachten, das heißt, dass auch die Website mit den jeweiligen Verbraucherschutzbestimmungen kompatibel sein muss. Dies betrifft insbesondere die Informationspflichten und Rücktrittsrechte (Widerrufsrechte) nach der Verbraucherrechte-Richtlinie. 

Da die Verbraucherrechte-Richtlinie aber „vollharmonisiert“, also in allen Mitgliedstaaten inhaltsgleich umzusetzen ist, gelten für das Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht) EU(EWR)-weit einheitliche Bestimmungen zum Rücktrittsrecht.   

Konsequenzen für die Praxis

Dies hat zwei Konsequenzen, was an einem Beispiel verdeutlicht werden soll:

  1. Enthält eine österreichische Website z.B. in AGB für Verbraucher Bestimmungen, die dem deutschen Verbraucherrecht widersprechen, so gelten für den deutschen Verbraucher dennoch die deutschen Bestimmungen.

    Auch eine Rechtswahl ist hier nur sehr eingeschränkt möglich, sodass auch eine Vereinbarung, dass österreichisches Recht zur Anwendung kommen soll, nichts daran ändert, dass (zumindest strengeres) deutsches Verbraucherrecht zur Anwendung käme.

    Nähere Informationen zur Rechtswahl finden Sie im Servicedokument Anwendbares Recht bei internationalen Verträgen B2C.

  2. Abgesehen davon, dass somit deutsches Verbraucherrecht zur Anwendung kommen kann, kann das österreichische Unternehmen von einem deutschen Konkurrenten oder einem deutschen Klagsverband (einem Verband ähnlich wie der Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb in Österreich) auch wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG), das es sowohl in Österreich und auch in Deutschland (und auch in anderen Staaten) in ähnlicher Form gibt, auf Unterlassung geklagt werden. Da sich der Rechtsverstoß in Deutschland auswirkt, wäre sogar eine Klage vor einem deutschen Gericht möglich.

    Üblicherweise erhält man dazu zuerst ein kostenpflichtiges Schreiben eines Rechtsanwaltes, in dem man aufgefordert wird, die unrichtigen Angaben in Zukunft zu unterlassen und die Kosten des Rechtsanwaltes zu übernehmen. Treffen die Vorwürfe des Rechtsanwaltes zu, besteht in der Regel nur wenig Verhandlungsspielraum und die Kosten müssen übernommen werden. Auf jeden Fall sollte - so die Vorwürfe stimmen - die Unterlassungserklärung abgegeben werden.

    Nähere Informationen dazu finden sie im Servicedokument Verstoß gegen Internetrecht - Auf Anwaltsbriefe richtig reagieren.

Tipp!

Bei grenzüberschreitenden Webshops wird empfohlen, sich über die einschlägigen Bestimmungen des Ziellandes (besonders wichtig aufgrund der gleichen Sprache: Deutschland) zu informieren, da die Verbraucherrechte-Richtlinie zwar das Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht) vereinheitlicht hat, viele andere Bereiche jedoch nach wie vor europaweit nicht vereinheitlicht sind. Viele AußenwirtschaftsCenter geben für die EU-Staaten einschlägige Broschüren (Fachreports) heraus (Beispiel: Fachreport Deutschland – Rahmenbedingungen für Österreichische Onlinehändler auf dem deutschen Markt).

>> Kontakt

Stand: 17.02.2023

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